Mehr technische Innovationen wagen

Das ISL Bremen begrüßte in diesem Jahr 120 Teilnehmer im Schuppen 2 in der Überseestadt, Foto: ISL Bremen

Grafik: ISL Bremen, 12-Monats-Abschlüsse einzelner Bulker-Segmente seit 1995
Neue Vorschriften für die maritime Wirtschaft, rasante Entwicklungen innerhalb der einzelnen Schifffahrtsmärkte – auf der diesjährigen ISL Maritime Conference 2016 war für Gesprächsstoff gesorgt.
So erlebten die 120 Teilnehmer der traditionellen Veranstaltungsreihe des In stituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) am Mittwoch im Schuppen 2 in der Überseestadt in Bremen mit dem THB als Medienpartner ein kurzweiliges Programm, das sich aus Vorträgen, Diskussionen und Prognosen zur aktuellen Lage und zu Perspektiven der weltweiten maritimen Branchen zusammensetzte. Im Fokus der Referenten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik standen die Nachhaltigkeit in der maritimen Wirtschaft und die Entwicklung der Schifffahrtsmärkte, der Häfen und des Hinterlandes.
ISL-Direktor Prof. Dr. Burkhard Lemper ging in seinem Vortrag auf die aktuelle Lage und Perspektiven ausgewählter Branchen der maritimen Wirtschaft ein, allen voran der Entwicklung in der Bulkschifffahrt. Das langjährige Wachstum der Massengut-Transportmengen über See liegt bei 4,1 Prozent pro Jahr. Aktuell gibt es jedoch kaum Impulse für die Nachfrage, so dass sich das Wachstum der Nulllinie nähert. Aufgrund bestehender Überkapazitäten stehen die Zeitcharterraten weiterhin unter Druck. Die historischen Höchststände aus den Jahren 2008 und 2009 mit Tagesraten für Capesizer von 130.000 bis 160.000 Dollar für 12-Monats-Abschlüsse erscheinen heute wie aus einer anderen Welt (siehe Grafik). Selbst die Werte von bis zu 25.000 Dollar aus der Zwischenhochphase im ersten Halbjahr 2014 erscheinen derzeit außer Reichweite, wenngleich zuletzt immerhin mal wieder Abschlüsse von knapp mehr als 20.000 Dollar zu beobachten waren.
Die Lage im Bulkersektor bleibt dennoch angespannt. Im aktuellen Orderbuch stehen noch 1139 Bulker mit zusammen 99,49 Millionen tdw. Das Auslieferungsvolumen wird sich erst ab 2018 infolge der seit 2015 signifikant verringerten Orderaktivitäten reduzieren.
Hinter die Einschätzung des Beratungsunternehmens Drewry, wonach die Containerschifffahrt vor der Trendwende steht, setzte Lemper ein großes Fragezeichen. Das treffe zwar eventuell für die Linienschifffahrt durch langsameres Kapazitätswachstum und vor allem „Ablage“ von Tonnage durch auslaufende Charterverträge zu. Trampreeder und Charterraten stünden jedoch weiter unter Druck.
Drewry hatte dagegen eine allmähliche Markterholung in der Containerschifffahrt in Aussicht gestellt, ohne dabei die Hanjin-Insolvenz zwangsläufig als einen Wendepunkt zu sehen, denn die Frachtraten hätten bereits zuvor im laufenden Jahr die Talsohle durchschritten. Wie nachhaltig der Hanjin-Effekt durchgreift, lässt sich derzeit kaum einschätzen. Fest steht, dass sich die Zahl der Auflieger wieder einem Rekordhoch nähert. In diesem Frühjahr waren es mehr als 320 Frachter, die weltweit auf Reede lagen.
In weiteren Beiträgen des Tages ging es beispielsweise um die Auswirkungen der Mega-Carrier auf Häfen und Hinterland. Lutz Birke von der Hamburg Port Authority (HPA) stellte fest, dass sich die Ladekapazität von Containerschiffen seit dem Jahr 1968 um 1200 Prozent erhöht hat. Bestellt sind aktuell Carrier mit bis zu 21.100 TEU. Die Einspareffekte durch größere Frachter sind offenbar weitgehend ausgeschöpft. Obwohl die Reedereien ihre Kosten reduzieren und die Schiffsbetriebskosten im vergangenen Jahr nach Erhebungen von Moore Stephens durchschnittlich um 2,4 Prozent gesunken sind, legen die Kosten für die gesamte Transportkette zu. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die durchschnittlichen Transportkosten pro TEU durch steigende Handlingkosten in den Häfen mehr als ausgeglichen werden. Hinzu kommt auch, dass Mega-Carrier Investitionen in Geräte, Infrastruktur und IT-Systeme erfor dern.
Jens-Georg Fischer, Sebastian Schirmel und Kai Herklotz vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) widmeten sich wesentlichen Parametern der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und damit wichtigen Umwelt aspekten. Die Lärmbelastung der Weltmeere steht zunehmend im öffentlichen Interesse. Studien zeigen, dass sich die Umgebungsgeräusche in den Ozeanen innerhalb der vergangenen 50 Jahre signifikant durch den Einfluss menschlicher Aktivitäten erhöht haben. Zur Bewertung der Lärmauswirkungen auf die Meeresumwelt befassen sich derzeit Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen mit dem Schalleintrag durch indus trielle Aktivitäten wie Schifffahrt und Bauarbeiten in Offshore-Windparks. Nationale Gesetzgeber und internationale Organisationen wollen im Bedarfsfall die Schall emissionen regulieren.
Um intelligente Nutzung von Daten für die Effizienzoptimierung von Schiffsneubauten ging es im Vortrag von Lars Nickel von der Napa Group. Zunehmende Vernetzung ist ein zen trales Thema für die Schifffahrt. Ein weiteres Feld sind Systeme zur Leistungsüberwachung an Bord von Frachtern, die über verschiedene Parameter und den Zustand des Schiffes in Echtzeit informieren und somit dafür sorgen, dass der Schiffsbetrieb effizienter wird.
Rolf Rohden von Innoven ermutigte die Teilnehmer in seinem Beitrag zu mehr technischen Innovationen. Das Engagement werde sich langfristig auszahlen. Bislang seien jedoch viele Neubauten mit Schlagwörtern wie „Green“ oder „Eco“ betitelt, obwohl es sich um Standardschiffe handle, die lediglich mit Dual-Fuel-Motoren bestückt sind. Oft würden für diese Schiffe Brennstoffeinsparungen angekündigt, die im zweistelligen Prozentbereich liegen, ohne genaue Vergleichsparameter zu nennen. Leider werde nicht selten nur am Image gearbeitet statt an Innovationen. Dabei sollte gerade jetzt, wo die Brennstoffkosten niedrig sind, die Zeit genutzt werden, um an diesen Themen zu arbeiten, um Ergebnisse und Lösungen bereit zu haben, wenn die Bunkerkosten wieder steigen.
„Zusammenfassend kann man sagen, dass wir eine sehr interessante Konferenz mit hoch informativen Vorträgen hatten“, resümierte Lemper. Die ISL Maritime Conference, die seit 2008 wieder alle zwei Jahre in Bremen veranstaltet wird, hat eine lange Historie. Sie steht in Tradition der früheren Liner Shipping Conferences, die bereits in den siebziger und achtziger Jahren durch das ISL organisiert wurden. fab