Nautischer Arbeitsmarkt vor dem Kollaps

Die Chancen für deutsche Seeleute zu erhöhen, indem der Staat seine Beihilfen ausweitet – das war das zentrale Anliegen von Vertretern der maritimen Wirtschaft auf dem 9. Bremer Schifffahrtskongress in der vergangenen Woche.

„Es gibt viele hundert fällige Absolventen von Hochschulen, die keinen Job bekommen und ihr Patent nicht ausfahren können“, warnte Wilhelm Mertens, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere (VDKS). Mehr als 300 nautische Abgänger seien nach Abschluss ihres Studiums bereits arbeitssuchend gemeldet, weil die deutsche Flotte immer weniger Stellen für inländische Bewerber bietet. Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di ist der Bestand deutscher Seeleute binnen vier Jahren um 20 Prozent auf 5600 gesunken. Bund und Länder müssten jetzt ein Signal setzen und für weitere Entlastung bei den Arbeitskosten sorgen, damit ein Kernbestand an nautischen Fachkräften erhalten bleibe. „Dafür haben wir keine zwei Jahre mehr Zeit“, sagte Klaus Schröter, Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt bei ver.di. Kurzfristig könne der Bund durch vollständigen Verzicht auf Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge für deutsche Nautiker gegensteuern.

„Deutsche Seeleute sind im Augenblick zu teuer, weil die Einnahmen nicht die Schiffsbetriebskosten decken“, betonte Tanja Wrede, Head of Crewing der Hamburger Reederei Orion Bulkers. Die Reeder hätten keine Alternative, als günstigeres Personal aus dem Ausland einzustellen, weil die Schiffsgesellschaften sonst noch schneller in die Insolvenz schlitterten. Ob eine Aufstockung der Beihilfen ausreicht, um den Stellenabbau auf See zu bremsen oder umzukehren, hänge vom jeweiligen Marktsegment und der Höhe der Tagesverluste für die Schiffe ab. Für die Containerschifffahrt sieht Wrede angesichts des positiven Trends bei den Charterraten am ehesten Chancen zur Stabilisierung der deutschen Besatzungen. Bei Bulkern seien die Verluste hingegen so groß, dass selbst Entlastungen bei den Lohnnebenkosten aktuell kaum ins Gewicht fielen. Professor Werner von Unruh vom Fachbereich Seefahrt der Jade Hochschule in Elsfleth schlug vor, dass auch Schifffahrtsverwaltungen, Lotsenverbände und Landunternehmen, die auf Nachwuchs mit nautischer Ausbildung und Seefahrtzeit angewiesen sind, sich finanziell beteiligen – zumindest zur Überbrückung der Krise. mph/fab

Teilen
Drucken

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben