Ostsee-Fischer befürchten neue Fangquote
Wegen einer drohenden Absenkung der Dorschquote in der westlichen Ostsee bangen zahlreiche Küstenfischer um ihre Existenz. "90 bis 95 Prozent der Fischer wären vom Aus bedroht", sagte am Freitag der stellvertretende Landesvorsitzende des Fischereiverbands, Benjamin Schmöde, zur aktuellen Empfehlung des internationalen Rats für Meeresforschung (ICES).
Die Empfehlung des Gremiums von Ende Mai sieht für 2017 ein Absenken der Quote um mindestens 85 Prozent vor. Auf dieser Basis, über die zuvor die "Kieler Nachrichten" berichtet hatten, legen ab Sommer EU-Kommission und Ministerrat die Fangmengen fest.
Landesfischereiminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich besorgt zum nun festgestellten Rückgang des Dorsches: "Die Situation ist ohne Zweifel existenziell." Mit Blick auf die Betriebe gelte es nun zu überlegen, "wie man die Lasten auf alle Schultern gleichmäßig verteilt". Die künftig wahrscheinlich deutlich niedrigere Quote könne "für die Fischerei ähnliches bedeuten wie die Milchkrise für die Bauern", teilte Habeck mit. "Nur, dass es hier keine Übermenge gibt, sondern einen dramatischen Einbruch der Bestände."
Gleichzeitig ist es Habeck zufolge aber auch wichtig, dass der Dorsch geschont wird. Denn anstatt der - wegen starker sauerstoffreicher Salzwasser-Ströme - erwarteten Erholung der Dorschbestände in der Ostsee registrierte das ICES überraschenderweise einen nahezu vollständigen Ausfall des Nachwuchsjahrgangs. In der deutschen und dänischen Ostsee sei der "schlechteste Wert seit Messbeginn im Jahr 1994" aufgezeichnet worden, sagte Fischereibiologe Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei, am Freitag auf dem Landesverbandstag der Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern. Woran das liegt, sei noch unklar.
Umverteilung notwendig
Klar ist: Dorsch stellt als "Brotfisch" die wichtigste Einkommensquelle der Fischer im Haupt- und Nebenerwerb auf den mehr als 400 Kuttern und Booten an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste dar. Doch wie das Ministerium mitteilte, blieben nach Abzug der prognostizierten Fänge durch Freizeitfischer von rund 2500 Tonnen in dem ICES-Szenario insgesamt nur noch rund 1600 Tonnen für die Berufsfischer auf der Ostsee. Deutschen Berufsfischern stünden demnach beim Absenken der Quote um 85 Prozent sogar nur noch rund 360 Tonnen zu. "Eine gewisse Umverteilung von der Freizeitfischerei zur Erwerbsfischerei ist notwendig", sagte daher Minister Habeck.
Dass sich die Bestände für Scholle, Hering und Sprotte erholt haben, dürfte für viele Fischer dagegen nur schwacher Trost sein. "Nur wenige Betriebe haben hierfür Fangquoten, und falls doch auch nur sehr geringe", sagte Fischer Schmöde. Auf Hilfe aus Kiel kann er dennoch nur bedingt hoffen. "Als Land haben wir nur geringen Spielraum, da alle wesentlichen Entscheidungen letztlich in Brüssel getroffen werden", sagte Habeck. Dennoch wolle er die Fischer zu einem runden Tisch einladen und auch mit dem Bund und den übrigen Küstenländern über das Thema sprechen.
"Wahrscheinlich werden staatliche Hilfen nicht vermeidbar sein, um den Strukturwandel zumindest ein Stück weit abzufedern", prognostizierte Habeck. Aus dem europäischen Meeres- und Fischereifonds könnte es hierfür Mittel geben, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen. Fischer Schmöde muss die Nachricht erst mal verdauen, gemeinsam mit seinen Kollegen will er demnächst Forderungen formulieren. "Wir werden nicht akzeptieren, dass unsere Betriebe vor vollendete Tatsachen gestellt werden", sagte er. lno