Treffen der Schiffsgenerationen auf der Elbe

Es sind Begegnungen wie diese, die sofort erkennen lassen, welch geradezu rasante Entwicklung der Weltschiffbau in den zurückliegenden sechs Jahrzehnten durchgemacht hat.

Die Akteure: der 1958 auf der Rendsburger Nobiskrug-Werft für die damalige Hamburger Reederei H.M. Gehrckens (H.M.G.) gebaute Stückgutfrachter „Bleichen“ und das 2016 in Dienst gestellte Containerschiff „MSC Chloe“ (IMO 9720483). Während der Hamburger Museumsfrachter „Bleichen“ mit knapp 180 Gästen und Crewmitgliedern zu seiner ersten „großen“ Reise nach der umfangreichen, über zehnjährigen Wiederaufbau- und Restaurierungsphase die Elbe in Richtung offene See befuhr, steuerte der 9400 TEU tragende, knapp 300 Meter lange Containerfrachter den Eurogate-Terminal im Waltershofer Hafen an, um dort seine Fracht zu löschen beziehungsweise zu laden.

Für die die gut 94 Meter lange „Bleichen“ ist das Kapitel „kommerzielle Frachtschifffahrt“ abgeschlossen. Sie muss ihren „Lebensunterhalt“ künftig unter dem schützenden Dach der Stiftung Hamburg Maritim (SHM) verdienen, sei es als besondere Event-Location oder im Rahmen von Gäste- oder auch Charter-Fahrten zu besonderen Anlässen. Tatsache ist: Der 21. März 2018 nimmt im Lebensbuch dieses Frachters, von dem die Bauwerft am Nord-Ostsee-Kanal in den 1950er-Jahren eine ganze Typen-Serie auf Rechnung verschiedener Reedereien gebaut hatte, einen besonderen Platz ein.

Dass dieses Schiff heute noch zu bestaunen ist und ein lebendiges Zeugnis über ein längst abgeschlossenes Kapitel deutscher und europäischer Schifffahrtsgeschichte ablegen kann, ist vielen glücklichen Umständen zu verdanken. Auch der Tägliche Hafenbericht (THB), der am 1. Juni dieses Jahres sein 70-jähriges Bestehen feiern wird, hat am Erhalt dieses Schiffes einen kleinen Anteil: Denn es war diese Publikation, die am 16. September 2005 eine kleine Meldung über die Existenz dieses Schiffes veröffentliche, nachdem ein aufmerksamer Leser das Schiff im Bosporus durch Zufall entdeckt hatte. Der Bericht löste so etwas wie eine Initialzündung zur Rettung des Frachters aus, der zu der Zeit unter dem Namen „Old Lady“ in treuen Diensten eines türkischen Reeders stand. Seit dem Verkauf des Frachters 1970 durch die Reederei Gehrckens hatte das Schiff zwei Namenswechsel erfahren: Von 1970 bis 1979 war der 2955 tdw tragende Frachter als „Canale Grande“ unterwegs, danach transportierte er Güter unter dem Namen „Arcipel“.

Die Wiederentdeckung der einstigen „Bleichen“, deren direktes Schwesterschiff innerhalb der Reederei H.M.G. die „Borgesch“ war, führte sehr schnell zu einer Kontaktaufnahme zum damaligen türkischen Eigner, von dem überliefert ist, dass er begeistert von der Zuverlässigkeit der deutschen Schiffbautechnik war. Am Ende wurde es auch in diesem „Rettungsfall“ zu einem Wettlauf gegen die Zeit, in dem das Kaufinteresse aus Hamburg mit dem Verkaufs- interesse des Eigners konkurrierte. Anders formuliert: Es ging um Geld. Der Kraftakt gelang schließlich: 450.000 Euro konnten mobilisiert werden, so dass der Kaufvertrag gefixt werden konnte. Was unter anderem folgte, war ein kurzer Werft- unterhalt in der Türkei, um das Schiff für die Rückkehr in heimische Gewässer fit zu machen. Von einer „stürmischen Überfahrt“ berichten zeitgenössische Quellen. Am 30. Januar 2007 war es dann soweit: Die „Old Lady“ erreichte ihren alten Heimathafen, der seiner „alten Dame“ einen besonders herzlichen Empfang bereitete. Bereits wenige Tage später, am 6. Februar 2007 gründete sich ein Freundesverein mit dem Ziel, das Schiff zu erhalten. Am 27. Februar erhielt die „Old Lady“ ihren alten Taufnamen „Bleichen“ im Rahmen eines festlichen Taufaktes zurück. Damit war das Schiff zunächst „safe“, doch es wartete mehr als reichlich Arbeit auf alle Beteiligten, um das große Ziel, Hamburg einen weiteren, fahrbereiten Museumsfrachter außer der „Cap San Diego“ zu bieten, schlussendlich zu erreichen. Doch auch das wartete auf eine Lösung: die Erschließung von Geldquellen. Eine entscheidende Finanzspritze kam vom Bund: Mit drei Millionen Euro konnte 2015/2016 ein entscheidender Werft- aufenthalt finanziert werden, dank dessen die Fahrbereitschaft des Frachter-Oldies wieder hergestellt werden konnte. Ehrenamtliche leisten tausende von Arbeitsstunden ab. Zahlreiche Firmen, vor allem aus dem schiffstechnischen Bereich, spendeten Geld, Ersatzteile oder stellten wichtige Experten zur Seite. Kurzum: Die Küste stand zusammen, um die „Bleichen“ wieder fit zu machen. Es gelang: Am 24. Oktober 2017 erfolgte auf der Elbe die entscheidende Werftprobe- und Abnahmefahrt im Beisein von zahlreichen Experten, darunter auch des Klasse-gebenden DNV GL.

Alle fieberten der ersten großen Fahrt entgegen, die auf den 21. März festgelegt wurde. Die hohen Erwartungen erfüllten sich: „Das war ein voller Erfolg“, freuten sich Dr. Stefan Behn und Joachim Kaiser, beide im Vorstand der Stiftung Hamburg Maritim, gegenüber dem THB. Weiteren Fahrten steht damit nichts im Wege.

Auch Klaus Mewes, 1. Offizier an Bord und Kapitän Michael Nicolaysen, die am entscheidenden Tag das Sagen auf Brücke hatte, waren voller Freude und Erleichterung nach dem Törn. „So kann´s jetzt weitergehen“, stellten sie lachend fest. Tatsächlich geht es weiter: Bereits morgen wird die „Bleichen“ mit rund 150 Sponsoren an Bord ihren Stammliegeplatz im Hansahafen am 50er-Schuppen wieder verlassen. Gut möglich, dass Crew und Gästen auch bei diesem Törn wieder ein Containerriese der Neuzeit entgegen kommt. EHA

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