Viel später, viel teurer

Der Bau der fünften Schleusenkammer am Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel verzögert sich deutlich und wird voraussichtlich um mindestens 260 Millionen Euro teurer als zuletzt geplant.

Das geht aus einem Bericht des Bundesverkehrsministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestags hervor. Demnach kalkuliert das Ressort nunmehr mit Gesamtkosten von 800 Millionen Euro und einer Freigabe für den Verkehr frühestens im Jahr 2024. Ursprünglich sollte die neue Kanalschleuse im zweiten Halbjahr 2020 fertig sein.

Der Bericht des Ministeriums stand am Donnerstag ebenso auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses wie eine sehr kritische Stellungnahme des Bundesrechnungshofs zum Projekt. Das Bundesministerium verweist auf technische Probleme und Rechtsstreitigkeiten, die das Vorankommen behindern und die Kosten treiben. Zunächst waren 485 Millionen Euro für den Bau der Schleuse selbst und 55 Millionen für vorbereitende und begleitende Bauarbeiten eingeplant.

„Die Baumaßnahme befindet sich zurzeit rund zwei Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan“, schreibt das Ministerium. Es listet diese Hauptgründe auf: Auseinandersetzungen zwischen Auftragnehmer und Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung, nicht vorhersehbare, umfangreiche Sondierungen und Räumungen von Kampfmitteln, dazu Anpassungen der Rückverankerungen für die Kammersohle und -wände in einem schwierigen Baugrund. „Aus den bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Verzögerungen ergibt sich aus heutiger Sicht Verkehrsfreigabe ab 2024“, resümiert das Ministerium.

„Die Abwicklung des Bauvertrags war bisher von erheblichen Konflikten gekennzeichnet, die überwiegend vom Auftragnehmer zu vertreten waren“, führt das Ressort aus. „Für die vorlaufenden Schlickbaggerungen unter Kampfmittelverdacht musste die Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung des Bundes sogar eine Teilkündigung des Bauvertrags aussprechen und die Leistung an einen leistungsfähigeren Auftragnehmer vergeben.“

Mit der neuen Schleuse soll der Schiffsverkehr durch den Nord-Ostsee-Kanal reibungsloser ablaufen. In der Vergangenheit musste die knapp 100 Kilometer lange künstliche Wasserstraße zwischen Kiel und Brunsbüttel öfter gesperrt werden, weil die über 100 Jahre alten Schleusen defekt waren.

Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht den Sachstand des Bauprojekts als bedenklich bewertet. Die Behörde führte technische Probleme, Verzögerungen und eine unklare Entwicklung der Kosten an. Der Rechnungshof stellt auch das Verfahren infrage, das zur Verankerung der Schleuse gewählt wurde. „Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass das BMVI (Bundesverkehrsministerium) unter diesen Voraussetzungen überhaupt in der Lage ist, seine Bauprojekte im Bereich der Bundeswasserstraßen zu steuern“, heißt es in dem Bericht.

Der Rechnungshof kommt außerdem zu dem Schluss, dass die dauerhaft tragfähige Verankerung der Schleuse mit Düsenstrahlpfählen mit Risiken behaftet sei. Bei dieser Technik wird eine Zement-Suspension über ein Bohrloch mit Hochdruck in den Boden gedüst, wo sie sich mit dem Untergrund vermischt. Das Ministerium habe sich früh auf eine Technik festlegt, für die ein Nachweis der dauerhaften Tragfähigkeit bei Baubeginn nicht vorgelegen habe. In der Folge habe es nicht versucht, auftretende Probleme der Rückverankerung mit der Wahl einer nachweislich geeigneten Gründung zu lösen. „Stattdessen hinterfragte es während der Baudurchführung wiederholt die Einflussfaktoren mit weiteren Untersuchungen.“

Bei Wasserbauwerken dieser Art seien Unwägbarkeiten üblich, äußerte der Rechnungshof. „Nach bewährter ingenieurwissenschaftlicher Vorgehensweise sollte diesen allerdings mit auf der sicheren Seite liegenden Annahmen begegnet werden.“ Das Ministerium habe dagegen die Anforderungen an die Rückverankerung reduziert. „Damit nimmt es in Kauf, dass die 5. (Schleusen-)Kammer -  gemessen an der angenommenen Nutzungsdauer des Bauwerkes von 100 Jahren – vorzeitig saniert werden muss oder nicht mehr betrieben werden kann.“ Auch die Funktion der Düsenstrahlpfähle solle 100 Jahre erhalten bleiben, aber Langzeiterfahrungen mit dieser Verankerungstechnik lägen bisher gar nicht vor. Substanzen im Grundwasser könnten die Betonoberfläche der Düsenstrahlkörper schädigen.

Vor der Ausschreibung des Projekts habe die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes im Jahr 2012 probeweise Düsenstrahlpfähle herstellen lassen, führt der Rechnungshof aus.

Trotz Qualitätsschwankungen aufgrund des inhomogenen Baugrunds habe sie die gewählte Rückverankerung als grundsätzlich tragfähig angesehen. Aber: „Bis Ende 2015 erreichte keiner der mehr als 20 Probepfähle die notwendige Qualität.“ So hätten Randbereiche zu geringe Betonfestigkeiten aufgewiesen. „Die erforderliche Tragfähigkeit der Rückverankerung für eine Nutzungsdauer von 100 Jahren war nicht nachgewiesen.“ Gleichwohl habe die WSV den Bau der fünften Kammer fortgesetzt. lni/dpa/fab

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