Deutsche Werften gut aufgestellt

Der Bau von Fregatten und U-Booten sorgt bei der Werft ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel für volle Auftragsbücher , Foto: Behling

Zur maritimen Zulieferindustrie in Deutschland gehören rund 400 Betriebe mit 67.000 Mitarbeitern. Umsatz 2014: knapp zwölf Milliarden Euro, Foto: Behling
2015 war ein Jahr mit einer beeindruckenden Bilanz für den deutschen Schiffbau. Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) sieht dennoch die „Uneinheitlichkeit“ im Fokus.
Für 2016 sehen die Schiffbaubetriebe wieder erhebliche Probleme. Die Hoffnungen an die Politik sind groß. Die Krise in den weltweiten Schifffahrtsmärkten könnte dazu führen, dass 2016 die Zahl der Neubestellungen bei Handelsschiffen selbst die historische Tiefstandmarke von 2015 unterschreiten könnte. Im vergangenen Jahr wurden 1300 Schiffe weltweit geordert. Zum Vergleich: 2014 waren es noch 3000. „Und darin enthalten sind wegen Veränderungen bei den technischen Vorschriften auch noch viele vorweggenommene Aufträge, so dass sich die Auftragsflaute 2016 wohl noch weiter ausdehnen wird“, mutmaßte VSM-Präsident Harald Fassmer jüngst beim parlamentarischen Abend in Berlin. Der Jahresrückblick 2015 des VSM wurde deshalb bereits mit der Überschrift „Ein Jahr der uneinheitlichen Entwicklungen“ beschrieben.
Und Fassmer legte gleich noch nach. Lag der globale Auftragseingang im Rekordjahr des Schiffbaus 2007 noch bei 95 Millionen cgt, waren es 2014 nur noch rund 45 Millionen und 2015 nicht mal mehr 34 Millionen cgt. „Das entspricht nur noch gut der Hälfte der inzwischen aufgebauten globalen Produktionskapazität. Die Auswirkungen auf Deutschland spürt unsere global erfolgreiche Zulieferindustrie“, sagt Fassmer. Die Zulieferer von Antriebs-, Navigations- und Ladungstechnik sitzen zu einem Großteil in Deutschland. Kranhersteller, Getriebebauer oder Kompasshersteller leiden derzeit besonders unter dem Rückgang der Bestellungen für Neubauten auf Werften weltweit.
Die vom VSM beschriebene „uneinheitliche Entwicklung“ basiert dagegen auf den zahlreichen Lichtblicken, die die gesunden Nischenmärkte abbilden, in denen es deutschen Systemintegratoren und Werften gelungen ist, weltweite Spitzenstellungen einzunehmen. „So können wir in Deutschland mit dem Neubau von Kreuzfahrtschiffen und Yachten auf ein weiteres, erfolgreiches Jahr zurückblicken“, sagte Fassmer. Sein Unternehmen ist zum Beispiel führend beim Bau von kleinen Spezialfahrzeugen wie Rettungskreuzern oder Patrouillenbooten. Gleichzeitig profitiert Fassmer von den Projekten der großen Kreuzfahrtschiffwerften. Gerade in diesen Tagen lieferte Fassmer mehr als 40 Rettungsboote für die Neubauten „Ovation of the Seas“ (Meyer, Papenburg) und „Mein Schiff 5“ (Meyer Turku).
Kriegschiffe und Kreuzfahrtschiffe sind heute die Säule des deutschen Schiffbaus. Durch das Engagement der Genting-Gruppe sind neben Papenburg und Rostock auch die Lloyd Werft in Bremerhaven und die Nordic Werften wieder in den Kreuzfahrtschiffbau zurückgekehrt. „Dieses Nischensegment macht über 90 Prozent unseres zivilen Schiffbaumarktes aus. Es ist in kurzen Worten deshalb nicht einfach zu erläutern, dass wir trotz wirklich beeindruckender Gesamtzahlen – bereits 2014 stiegen Umsatz um 28 Prozent und Auftragseingänge gar um 65 Prozent, und für 2015 werden wir wohl erneut ein weiteres Wachstum verzeichnen können – dass wir trotz dieser bemerkenswerten Erfolge mit großen Sorgen auf den maritimen Standort Deutschland schauen“, sagte Fassmer. Die Sorgen basieren darauf, dass es möglicherweise in Asien bald wieder Werften gibt, die in dieses Segment vordringen könnten.
Den ersten Grund für die Sorgen der deutschen Werften bilden die Auswirkungen der anhaltenden, globalen Nachfrageschwäche auf die deutsche Zulieferindustrie. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. konnte im Dezember beim Auftrageeingang zwar wieder ein starkes Plus vermelden. Dennoch hinkt der maritime Sektor hinter den anderen Maschinenbau-Bereichen zurück. Die maritime Zulieferindustrie bilden in Deutschland rund 400 Industriebetriebe mit 67.000 Mitarbeitern. Deren Umsatz lag 2014 bei 11,9 Milliarden Euro. Die Betriebe sind zwar zu einem großen Teil in den Küstenländern angesiedelt. Gleichwohl gibt es auch viele Standorte in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Damit sind bei den maritimen Zulieferern fast dreimal mehr Mitarbeiter beschäftigt als auf den deutschen Werften.
Deshalb ist diese Branche auch stark von den Rückgängen bei den Teilbereichen des Handelsschiffbaus betroffen. Zulieferer und Werften setzten bislang auch große Hoffnungen in den Bereich Offshore. Nachdem der Serienschiffbau von Tankern, Containerschiffen und Bulkern unter Druck geraten ist, hat es Ende des vergangenen Jahres auch den Offshore-Bereich getroffen. „Das spüren die deutschen Werften nicht nur beim verschärften Preisdruck. Einigen unserer Mitglieder ist es im zurückliegenden Jahr leider nicht gelungen, dringend benötigte Anschlussaufträge an Land ziehen“, sagt VSM-Präsident Fassmer. Die dritte große Sorgenfalte der Werftchefs ist hausgemacht. „Die Probleme im Bereich der öffentlichen Beschaffung werden nicht kleiner, im Gegenteil“, sagt Fassmer. Besonders verärgert sind die Schiffbauer über die Aussagen führender Bundespolitiker, die den Überwasser-Marineschiffbau nicht zu den Schlüsseltechnologien der deutschen Industrie zählten. „Das ist ein großer Fehler, der unbedingt korrigiert werden muss, übrigens keineswegs nur aus industrie- und technologiepolitischen Gründen“, sagt Fassmer. Hinzu kommt die Sorge, dass Marineaufträge zukünftig ins Ausland gehen könnten. Bei dem Bieterverfahren um den Neubau der Mehrzweckkampfschiffe der Klasse 180 gibt es derzeit auch Angebote von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung.
Hinzu kommt die Entwicklung, dass immer mehr Neubauten durch die zuständigen Stellen des Bundes so komplex ausgeschrieben werden, dass sich kleinere deutsche Werften gar nicht mehr um öffentliche Aufträge bewerben. Diese Tendenz war bereits bei den Neubauten für Lotsenboote, Forschungsschiffe oder Wasserfahrzeuge für die Schifffahrtsverwaltung erkennbar. „Eine mittelständische Werft kann es sich nicht leisten, nur für die Ausschreibung eine international renommierte Anwaltskanzlei zu beschäftigen, um alle Bedingungen der Ausschreibung zu erfüllen“, sagt ein Geschäftsführer.
Gleichzeitig kommt es beim Bau öffentlicher Schiffe immer wieder zu Problemen, da die gestellten Anforderungen aus der Ausschreibung gar nicht zu finanzieren sind. Häufig reichen die Haushaltsmittel nicht aus, um den technischen Anforderungen der öffentlichen Auftraggeber auch nur annähernd zu entsprechen“, sagt Fassmer.
Es dürfe auch nicht sein, dass bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nur der Baupreis als einziges Bewertungskriterium herangezogen werde, so wie erst kürzlich bei der Vergabe von drei Zollbooten an ein ausländisches Unternehmen, kritisiert der VSM-Mann. „Wir scheuen keinen internationalen Wettbewerb unter fairen Bedingungen, aber die Wirtschaftlichkeit eines Angebotes darf sich nicht nur am Preis orientieren“, so Fassmer.
Wenn deutsche Werften technologisch und ökologisch führend bleiben wollen, müssen faire Bedingungen auch durch den öffentlichen Auftraggeber vorgehalten werden. „Das nationale Hafenkonzept ist verabschiedet, ein umfängliches Paket für die Reeder geschnürt, und auch unsere Innovationsoffensive ist ein Stück vorangekommen. Die Maritime Agenda 2025 der Bundes regierung ist auf dem Weg.“