Düstere Perspektiven für Chinas Werften

Chinas Werften erleben ihre schwerste Krise. Nach Jahren des ungebremsten Ausbaus strauchelt inzwischen die gesamte Branche im Reich der Mitte.

Mehrere hunderttausend Jobs sollen abgebaut werden. Das weltweite Überangebot an Schiffen und die gleichzeitig stagnierende Nachfrage nach Schiffsraum sorgen dafür, dass jetzt Chinas Werften die Phase durchmachen, die vor ihnen bereits Werften in Europa und Nordamerika erlebten.

Die besonders auf stahlintensive Serienbauten spezialisierten Werften Chinas sind nur noch bedingt konkurrenzfähig. Die Lage ist so ernst, dass mit der Zhou shan Wuzhou Ship Rapairing & Building im Dezember erstmals auch eine staatseigene Werft zahlungsunfähig wurde. Zuvor war bereits die privat geführte Mingde Heavy Industry Group bankrott gegan gen.

Viele Werften stellen aber unbemerkt von der Öffentlichkeit den Betrieb ein. Während europäische Werften bislang von dieser Krise im Weltschiffbau nur leicht tangiert wurden, trifft es Chinas Werften mit voller Wucht. Der Grund ist der Einbruch bei den Neubestellungen. 2015 konnte nicht mal ein Bruchteil der gesetzten Ziele erreicht werden.

Die Indikatoren waren absehbar. In Singapur, dem wichtigsten Hub der Containerschifffahrt in Asien, sank 2015 der Umschlag im Containerverkehr um 8,7 Prozent. In Hongkong sank der Umschlag um 9,5 Prozent. Der für den Bulkermarkt so wichtige Baltic Dry Index verlor seit August 2015 erstmals in seiner Geschichte 76 Prozent. Die Folgen: Die weltweiten Auftragseingänge für Massengutfrachter und Containerschiffe sind in eine steile Abwärtsspirale geraten. 2013 betrug der Auftragsbestand für Bulker noch 1300 Schiffe. Im vergangenen Jahr waren es nach Angaben von Clarkson Research nur noch 250. Damit bricht für die chinesische Stahlindustrie einer der wichtigsten Abnehmer für die Stahlprodukte weg. Bulker, Mehrzweckfrachter und Tanker waren bislang das Kerngeschäft der chinesischen Werften. Mehr als 60 Prozent der Neubauten entfielen laut Clarkson auf diesen Bereich. Ein fast gleichzeitig gestartetes Neubauprogramm für staatliche Fährgesellschaften, Behörden und die chinesische Marine konnte diese Einbrüche nicht wettmachen. So wurden für die chinesische Marine im vergangenen Jahr vier neue Schiffstypen aufgelegt. Und auch in den Exportmarkt drängt China auf diesem Bereich. Fregatten für Pakistan, Algerien oder Bang ladesh wurden verkauft. Weiter verschärft wird die Situation durch die Forderung nach sehr effizienten und umweltfreundlichen Schiffen. Hier hatten Chinas Werften bislang wenig zu bieten. Ein großer Teil der Schiffbauprodukte basierte auf in Europa und Japan entwickelten Serienschiffen, die dann in China nachgebaut wurden. Dazu gehörten beispielsweise der Typ KWC360 von der Kröger Werft oder der Entwurf SSW1000 von Schichau aus Bremerhaven. Diese Schiffe befinden sich aber auf dem Entwicklungsstand der 80er und 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Die Anforderungen an moderne Schiffe liegen heute deutlich höher. Effizienz und Umweltschutz werden gefordert. Davon profitieren besonders Werften aus Europa, Japan und Südkorea, die technologisch wesentlich früher auf dieses Marktsegment gesetzt haben. Die Zahl der Schiffbaubetriebe stieg in China durch staatliche Maßnahmen in einer Dekade von 500 auf 1600. Es wurden Kapazitäten geschaffen, die jetzt auf der Industrie lasten.

Den Beschäftigten der chinesischen Schiffbauindus trie steht eine erhebliche Reduzierung bevor. Der Abbau Hunderttausender Arbeitsplätze hat bereits begonnen. Gleichzeitig werden die Produktionsmengen an Stahl reduziert. Etwa 500.000 Arbeiter der Stahlindustrie und 1,3 Millionen Arbeiter im Bereich der Kohleförderung und der Kohleverarbeitung sollen in den kommenden drei Jahren nach staatlichen Vorgaben abgebaut werden. Zum Vergleich: Die deutsche Stahlindustrie beschäftigt insgesamt rund 900.000 Arbeiter. „Es ist klar. Die chinesische Arbeitskosten steigen – vor allem in den Küstenprovinzen, wo die meisten der großen staatlichen Werften sind –, und das Land bewegt sich in Richtung einer stärker dienstleistungsorientierten Wirtschaft“, sagt Martin Rowe, ein Broker bei Clarkson. Ein Trend, wie ihn viele deutsche Werften bereits in den 1980er Jahren erlebten, als Koreas Werften mit großen Kapazitäten in den Markt einstiegen.

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