Kräftiger Rückgang für Schiffszulieferer
Bereits zum dritten Mal in Folge erwarten die deutschen Schiffszulieferer für das laufende Geschäftsjahr einen rückläufigen Auftragseingang.
„Wir rechnen mit einem Minus zwischen zehn und zwölf Prozent“, erklärte am Donnerstag Dr.-Ing. Alexander Nürnberg, Vorstandsvorsitzender des VDMA Marine Equipment and Systems sowie Geschäftsführer der Uetersener MacGregor Hatlapa GmbH & Co. KG, in Hamburg bei der Vorlage der Ergebnisse für 2015.
Die gute Auftragslage der europäischen Werften allein reiche nicht aus, um die große maritime Industrie in Deutschland auszulasten. „Die Schiffbau- und Offshore-Zulieferer, die hierzulande mehr als 67.000 Menschen beschäftigen, sind zu über 50 Prozent auf die weltweiten Märkte außerhalb Europas angewiesen. Gerade die Neubauaufträge aus unseren wichtigsten Märkten in Asien sind deutlich zurückgegangen“, berichtete der Manager. „Obwohl die Branche im vergangenen Jahr einen erfreulichen Umsatz von 11,7 Milliarden Euro erwirtschaftete, gab es zugleich im Auftragseingang einen Rückgang von 7,5 Prozent“, sagte Nürnberg. Damit sank die Gesamtleistung von 11,9 Milliarden Euro um zwei Prozent.
Die Neubauaufträge für Schiffe bewegen sich weiter auf niedrigem Niveau: Im ersten Quartal 2016 wurden weltweit 172 Seeschiffe mit 6759,1 Millionen BRZ bestellt (erstes Quartal 2015: 425 mit 15.105,6 Millionen BRZ), davon 35 (149) in China, 8 (50) in Südkorea, 53 (103) in Japan, 5 (0) in Brasilien und 23 (49) in der EU-28, davon wiederum 1 (0) in Deutschland. Der weltweite Auftragsbestand an Schiffen liegt zum ersten Quartal 2016 bei 5807 (6217) Einheiten. Insgesamt rechnet der Verband für 2016 mit einem dramatisch gesunkenen Auftragseingang von nur noch 934 Schiffen. 2015 waren es noch 2108 Einheiten (2014: 2744, 2013: 3375).
Die Branche befindet sich derzeit in einem epochalen Wandel: Der Markt konsolidiert sich durch internationale Zukäufe und Kooperationen auf allen Ebenen, neue Geschäftsmodelle entstehen und treiben Innovationen und Entwicklungen in bisher unbekanntes Fahrwasser. „Das aus unserer Sicht positive und langfristig angelegte Engagement der – eigentlich auf den Betrieb von Schiffen spezialisierten – Genting-Gruppe als Schiffbauer in Deutschland zeigt auf, dass uns in den kommenden Jahren ganz neue Ideen und Formen des Zusammenspiels zwischen Betreibern, Werften und Zulieferern erwarten“, erläuterte Nürnberg. Auch andere global agierende Unternehmen sind in den vergangenen Jahren auf „Einkaufstour“ bei deutschen Zulieferern gegangen, um ihr Portfolio mit innovativer Technologie und Systemkompetenz zu ergänzen.
„Wir gehen zwar kurzfristig nicht von einer Verbesserung der Marktlage aus, stellen uns aber mittel- und langfristig wieder auf Wachstum ein. Internationale Investoren wie MacGregor (Finnland) oder SKF (Schweden) schätzen ‚Made in Germany‘ und entwickeln sich so zu maritimen Systemanbietern für etablierte wie neue Märkte in der zunehmend digitalen Schifffahrt“, ergänzte VDMA-Vorstand und Chef der SKF Marine GmbH in Hamburg Dipl.-Ing. Martin Johannsmann. „Wir erwarten, dadurch unsere weltweit führende Rolle weiter zu stärken und auszubauen. Als Systemanbieter können wir proaktiv neue Ideen verfolgen, digital getriebene Geschäftsmodelle testen und sie früh gemeinsam mit den Kunden implementieren.“
Asien bleibt mit 37 Prozent Anteil weiterhin der wichtigste Absatzmarkt für die deutschen Zulieferer (Vorjahr 46 Prozent). Allein in China wurden 2015 knapp zwei Milliarden Euro umgesetzt, das sind fast 22 Prozent des Auslandsumsatzes (Vorjahr 27 Prozent). Das EU-Ausland verzeichnet mit gut 30 Prozent ein leichtes Wachstum. Ein deutliches Plus gibt es in Nordamerika und im Nahen und Mittleren Osten. Große Erwartungen richten sich auch auf den Iran. Das Volumen in diesen neuen Märkten wird aber auf keinen Fall die Verluste in etablierten Märkten kompensieren.
Zugleich müssen alle Unternehmen der deutschen Schiffbau- und Offshore- Zulieferindustrie die Digitalisierung und Vernetzung voranbringen. Denn die Orderzyklen werden kürzer und die Erwartungen an individuelle und schnelle Lösungen größer. „Industrie 4.0 ist in ihrer Gesamtheit für die maritime Industrie ein Muss, um sich weiter im globalen Wettbewerb zu behaupten und mit neuen Ideen Marktanteile zu gewinnen“, ist sich Johannsmann sicher. Neue Produkte mit immer mehr Digitaltechnik entstehen und vernetzen die Schifffahrt mit der gesamten Logistikkette. Prozesse mit bisher ungeahnten ökologischen und ökonomischen Vorteilen werden entwickelt. Das gilt auch für die zunehmend digitale Produktion am Standort Deutschland, die bestehende Arbeitsplätze sichert und neue schafft.
Dreh- und Angelpunkt der modernen Seeschifffahrt wird mehr und mehr die Verfügbarkeit des Transportmittels Schiff. Die deutschen Anbieter punkten hier mit langfristigen Serviceangeboten und verlässlichen Zusagen über den kompletten Lebenszyklus. Die Branche nutzt hierbei den engen Kontakt zu den Reedern, um deren Schiffe über die gesamte Lebenszeit ökologisch und ökonomisch auf den neuesten Stand der Technik zu bringen und so die Rentabilität zu gewährleisten. Auch hier eröffnen sich neue digitale Geschäftsmodelle.
Kooperation und Systemkompetenz sind dabei Schlüssel zum dauerhaften Erfolg. „Passgenaue Systeme mit dem Kern-Know-how der Produktion, des Betriebs und der Instandhaltung zu liefern ist der entscheidende Wettbewerbsvorteil, der gerade durch größere, intelligent zusammengestellte Firmengruppen oder Kooperationen ermöglicht wird“, betonte Nürnberg.
Gute Chancen für den qualifizierten Nachwuchs
In der Branche nimmt der Anteil der Software-Ingenieure kontinuierlich zu. Herausforderungen und Chancen entstehen in der maritimen Industrie bei der Integration von Mechanik, Elektrotechnik und Software in internen oder externen Entwicklungsteams. Die Art und Weise der Aus- und Weiterbildung und das kontinuierliche Lernen im Berufsleben werden sich durch die neuen Methoden des Umgangs mit Wissen in der digitalen Industrieumgebung weiter verändern. In den sich schnell wandelnden produzierenden Firmen der Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie ist Nachwuchsgewinnung daher eine existenzielle Aufgabe für die Unternehmensleitungen. FBi