Ostseepipeline: Zweite Trasse kommt voran

Ungeachtet der politischen Spannungen zwischen Russland und der EU bringt der Pipelinebauer Nord Stream 2 den Bau einer zweiten Trasse für russisches Erdgas durch die Ostsee voran.
Ende Oktober sollen die ersten Stahlrohre nach Sassnitz auf die Insel Rügen transportiert werden, wo sie mit Beton ummantelt und für die Verlegung vorbereitet werden sollen, sagte jetzt ein Unternehmenssprecher. „Die Nord Stream 2 AG geht weiterhin davon aus, beide Stränge der Pipeline Ende 2019 in Betrieb zu nehmen.“
Die bereits in Betrieb genommene erste Ostseepipeline habe gezeigt, dass ein solches Infrastrukturprojekt innerhalb eines ambitionierten Zeitplans genehmigungsfähig und realisierbar sei. Bereits im September hatte die Gazprom- Tochter Rohre für die Betonummantelung und spätere Verlegung an die finnische Küste liefern lassen.
Zudem wurden in diesem Jahr im gesamten 1200 Kilometer langen Offshore-Routenkorridor die ersten technischen und ökologischen Untersuchungen gestartet. Allerdings fehlen noch in allen betroffenen Ländern Genehmigungen: In Schweden beantragte Nord Stream 2 den Pipelinebau Mitte September 2016. Die Genehmigungsanträge in Deutschland, Dänemark, Finnland und Russland folgen laut dem Unternehmenssprecher Anfang 2017. Der etwa acht Milliarden Euro teure Bau des Doppelstrangs verläuft nahezu parallel zur ersten Leitung.
In Sassnitz auf Rügen würde der Pipelinebau – wenn auch zeitlich begrenzt – für etwa 150 zusätzliche Arbeitsplätze sorgen. Die Wasco Coatings Europe BV mit Hauptsitz in Malaysia wird auf dem Fährhafen-Gelände rund 90.000 Stahlrohre mit Beton ummanteln und lagern. Sie werden derzeit von Europipe mit Sitz in Mülheim an der Ruhr gefertigt.
Wie die erste Pipeline ist auch der Bau der zweiten Erdgastrasse umstritten. „Die Bundesregierung sollte abrücken von ihrer Position, wonach Nord Stream 2 ein rein geschäftliches und nicht politisches Projekt sei“, sagte Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. „Polen, Balten und Ukrainer sehen durch dieses Pipelineprojekt ihre Sicherheit bedroht.“ Das Projekt sei „energie- und außenpolitisch“ falsch.
Probleme hatte es zuletzt in Polen gegeben. Ursprünglich wollte Gazprom gemeinsam mit fünf westlichen Energiekonzernen, darunter der größte deutsche Öl- und Gasproduzent Wintershall, ein Gemeinschaftsunternehmen bilden. Nachdem sich eine fusionskontrollrechtliche Anmeldung bei der polnischen Wettbewerbsbehörde ohne Entscheidung hinzog, nahmen die Unternehmen ihren Antrag zunächst zurück.
Seit 2011 pumpt die Nord Stream AG unter Umgehung Polens russisches Erdgas über einen 1200 Kilometer langen Doppelstrang nach Deutschland und Westeuropa. Nach Angaben des Unternehmens flossen durch die Trasse bislang rund 144 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Die Auslastung steige von Jahr zu Jahr und liege 2016 bei etwa 80 Prozent.
Derzeit hält die niederländische Gazprom Gerosgaz Holdings, ein Tochterunternehmen von Gazprom, alle Anteile an Nord Stream 2. Mit der zweiten Ostsee pipeline und dem jüngst beschlossenen Bau der Leitung Turkish Stream, einer Erdgaspipeline durch das Schwarze Meer, könnte Russland die Ukraine und Polen bei der Belieferung der EU mit Gas umgehen – und damit mögliche Transit konflikte. dpa/fab