Das große THB-Sommerinterview (Teil 2)

Norbert Brackmann (CDU) ist rund 100 Tage in seinem Amt als Maritimer Koordinator. Er folgte im Frühjahr auf den SPD-Politiker Uwe Beckmeyer. Das Themenspektrum ist unverändert vielschichtig. Der THB hat den ersten Ansprechpartner der Bundesregierung für Häfen, Werften und Reedereien zu allen wesentlichen Themen und Aufgaben befragt.

THB: Weniger Schadstoffemissionen, mehr Energieeffizienz – das sind wesentliche Ziele der Schifffahrt. Hat die Branche die Notwendigkeit erkannt, sich hier künftig stärker zu engagieren?

Norbert Brackmann: Ganz klar: Auch die Schifffahrt muss ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten. Da sind wir uns mit der Wirtschaft einig. Die von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO in diesem Frühjahr verabschiedete Strategie zur Senkung der CO2-Emissionen wird von Deutschland daher vollumfänglich unterstützt. Aber auch die Binnenschifffahrt gerät immer stärker in den Fokus, gerade mit Blick auf die aktuell diskutierten Feinstaubemissionen in den Hafenstädten. Für die Schifffahrt insgesamt bedeutet das natürlich hohe Investitionen.

Welche unterstützenden Beiträge leistet die Bundesregierung bislang? Und welche weiteren Maßnahmen sind vorgesehen?

Ein wichtiger Baustein ist das Programm zur Aus- und Umrüstung von Seeschiffen mit LNG-Antrieb, mit dem bis zu 60 Prozent der LNG-bezogenen Kosten gefördert werden. Auf lange Sicht müssen wir die Schifffahrt jedoch von fossilen Brennstoffen frei machen. Ich sehe hier etwa aus erneuerbaren Energien hergestellten Wasserstoff, aber auch Methanol. Der Bund unterstützt dabei die Entwicklung neuer Technologien. Beim Thema Landstromversorgung von Häfen stehen wir mit den Ländern im Gespräch, wie wir auch kurzfristig Emissionen während der Liegezeit von Schiffen reduzieren können. Hier sehe ich vor allem innovative Lösungen bei der bordseitigen Stromversorgung. Der Bund hat mit den LNG-Power-Pacs bereits ein Pilotprojekt gefördert. Die LNG-Power-Barge „Hummel“ im Hamburger Hafen ist ebenso eine gute Alternative. Eine besondere Verantwortung trägt auch die öffentliche Hand bei der Beschaffung von Behördenschiffen. Allein im Bereich der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gibt es 575 Schiffe mit eigenem Antrieb. Dazu kommen die Forschungsschiffe des Bundes und die der Zollverwaltung. Hier will der Bund mit der Aus- und Umrüstung dieser Einheiten mit sauberen Antrieben als Vorbild vorangehen.

An das Thema LNG als Treibstoff sind große Hoffnungen geknüpft. Die Bundesregierung übernimmt dabei eine koordinierende Rolle für die Entwicklung eines Gesamtkonzepts. Wie sieht Ihre Planung diesbezüglich aus?

Klar ist: Wir brauchen im Verkehrssektor alternative Kraftstoffe. Deshalb sollen im Rahmen der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie marktfähige alternative Kraftstoffe und Antriebe identifiziert werden. Flüssigerdgas wird in den nächsten Jahrzehnten ein wichtiger maritimer Antriebstoff sein. Langfristig wollen wir jedoch den Schritt hin zur vollständigen Dekarbonisierung auch in der Schifffahrt schaffen. Diesen Weg werden wir mit Forschungs- und Demonstrationsvorhaben unterstützen.

In Deutschland dreht sich die Diskussion um einen LNG-Importterminal. Als Standorte bewerben sich vor allem Brunsbüttel und Wilhelmshaven. Haben Sie einen Favoriten? Wer wird das Rennen machen? Und bis wann wäre ein LNG-Importterminal realisierbar?

Im Koalitionsvertrag ist der Ausbau der Initiativen zugunsten alternativer Kraftstoffe in der Schifffahrt zugesagt. Wir wollen Deutschland zu einem Standort für LNG-Infrastruktur machen. Brunsbüttel ist zurzeit der aussichtsreichste Standort. Die Planungen sind bereits überaus konkret. Ein Ende April abgeschlossenes Interessenbekundungsverfahren hat nach Angaben des Konsortiums German LNG Terminal zahlreiche potenzielle Abnehmer ermittelt. Zugleich hat man mit den notwendigen Vorarbeiten für den Bau des Terminals begonnen. Wenn das Konsortium so weit ist, werden wir über die weitere Umsetzung sprechen. Aber auch Wilhelmshaven bereitet sich schon seit Jahren auf den Bau eines LNG-Importterminals an der deutschen Küste vor. Daneben beobachten wir zwei weitere Aktivitäten in Stade und Rostock. Dabei ist für uns klar, dass es sich um Initiativen aus der Wirtschaft handelt, die wir aber als Politik flankieren.

Auch für die deutschen Reedereien hat die Bundesregierung vieles unternommen, um den Standort zu stärken. Dazu zählt insbesondere der komplette Lohnsteuereinbehalt für die Reedereien, was bereits Gegenstand der 9. Maritimen Konferenz war. Die Zahl der Schiffe unter deutscher Flagge ist seitdem jedoch weiter zurückgegangen. Haben die Maßnahmen ihr Ziel verfehlt?

Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich hierüber keine valide Aussage treffen. Die Bundesregierung hat 2016 mit einem Gesamtpaket aus 100 Prozent Lohnsteuereinbehalt, passgenauer Erstattung der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung und Anpassung der Nationalitätenvorgaben in der Schiffsbesetzungsverordnung die Seeschifffahrt unter deutscher Flagge entlastet. Aber wir sollten nicht nur auf die Anzahl der Schiffe blicken, bei der die Schiffsfinanzierungskrise eine wichtige Rolle spielt. Den Zahlen des Verbands Deutscher Reeder nach ist die Zahl der deutschen Seeleute konstant geblieben. Die genauen Auswirkungen dieser Entlastungsoffensive für die deutsche Flagge werden vier Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesamtpakets evaluiert.

Die erhoffte Markterholung insbesondere in der für deutsche Reeder so wichtigen Containerschifffahrt bleibt aktuell aus, weil sich insbesondere die laufenden Kosten stark erhöht haben und die Raten unter den Erwartungen geblieben sind. Der deutsche Marktführer Hapag-Lloyd musste zuletzt eine Gewinnwarnung für das Gesamtjahr abgeben. Glauben Sie noch an eine Trendwende bei der Entwicklung der Handelsflotte deutscher Reedereien?

Marktanalysten erwarten kurz- und mittelfristig keine signifikante Erholung der Seeschifffahrtsmärkte. Hauptgrund bleibt das Überangebot im Frachtraum. Solange der neu auf den Markt kommende Schiffsfrachtraum stärker wächst als der Welthandel, werden die Fracht- und Charterraten sich nicht nachhaltig erholen. Bis 2030 aber werden im gesamten Verkehr kräftige Zuwächse erwartet. Die Umschläge und Transporte über den Seeverkehr werden dabei nach Schätzung der Analysten wachsen.

Das ist ein ferner Zeithorizont. Wir beobachten allerdings schon seit Jahren einen Ausverkauf der Handelsflotte deutscher Reeder, weil neue Investoren mitunter ganz anders kalkulieren können. Besteht nicht die Gefahr, dass ein Großteil des maritimen Know-hows aus Deutschland abgezogen ist, bis die von Ihnen avisierte Markterholung greift? Wie lässt sich der Abwanderung aktuell entgegenwirken?

Deutschland ist ein attraktiver Standort für die maritime Wirtschaft, und das soll auch so bleiben. Im Rahmen des Maritimen Bündnisses wollen wir die Themen Aus- und Weiterbildung sowie Beschäftigung weiter voranbringen, auch mit Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung. Prioritär ist zudem die Optimierung und Modernisierung der Flaggenstaatsverwaltung. Wichtig ist, dass die maritimen Akteure im Dialog bleiben. Hierin sehe ich meine zentrale Aufgabe im Rahmen der maritimen Koordinierung.

Das Interview führte Wolfhart Fabarius.

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