Der nahe Krieg so fern: US-Flugzeugträger im Anti-IS-Einsatz

Bevor Lieutenant Robert Smith zu seinem ersten Kriegseinsatz gegen den IS startet, hat er gut geschlafen und ordentlich gefrühstückt. Ein Sandwich mit Ei, ein bisschen Obst, Kaffee, der Magen soll nicht zu voll sein.

Dann beginnt für den Piloten auf dem Flugzeugträger "USS Eisenhower" die Routine, mit der er jeden Flug vorbereitet: Er bekommt Details zu seinem Einsatz. Er zieht sich seine Fliegeruniform an. Er steigt die Treppen zum Flugdeck hoch und klettert in sein Kampfflugzeug. Die braunen Lederstiefel der Piloten sind immer so geputzt, dass sie glänzen.

Robert Smith heißt eigentlich anders, aber er will weder seinen Namen noch Fotos seines Gesichts veröffentlicht sehen - zu groß ist die Sorge vor Racheakten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Er ist ein schlaksiger Kerl, über 1,80 Meter groß, die Haut etwas blass, ein dünner Schnurrbart über dem Mund. Nein, er sei vor seinen Flügen nicht nervös, sagt der 28-Jährige, als er von seinem ersten Einsatz gegen den IS im Irak vor einer Woche erzählt. "Wir sind sehr gut vorbereitet. Ich weiß ganz genau, was mich erwartet."

Die "USS Dwight D. Eisenhower" Anfang Juli 2016. Seit Ende Juni kreuzt der mehr als 300 Meter lange US-Flugzeugträger mit Nuklearantrieb durch das östliche Mittelmeer, an Bord fast 50 Kampfjets. Mehrmals am Tag brechen die Flugzeuge von hier zum Kampf gegen die IS-Extremisten in Syrien und im Irak auf, um den es auch beim NATO-Gipfel am Freitag und Samstag in Warschau gehen wird.

So lang wie ein Fußballfeld

Die Start- und Landebahnen auf dem Flugdeck, über das immer der Geruch von Kerosin und der heiße Wind aus den Düsen weht, sind kaum länger als ein Fußballfeld. Smith und die anderen Piloten steigen mit einem Katapultstart auf: Die Düsen der Jets werden noch im Stehen auf volle Touren gebracht. Dann löst sich das Stahlseil, das die Maschinen hält, und die Flugzeuge schießen los. In zwei Sekunden beschleunigen sie auf mehr als 250 Stundenkilometer. "Das ist wie eine Fahrt in der Achterbahn", sagt Smith.

Die "USS Eisenhower", von ihrer Besatzung kumpelhaft "Mighty Ike" genannt, nimmt in der Militärstrategie der USA eine zentrale Rolle ein. Eigentlich müsste sie im Arabischen Golf liegen, doch als das Schiff Mitte Juni den Flugzeugträger "USS Truman" ablöst, bleibt es vorerst im Mittelmeer. Es sei darum gegangen, den Kampf gegen Isil, wie die Amerikaner den IS nennen, so schnell wie möglich fortzusetzen, sagt Konteradmiral Jesse Wilson, Kommandeur des Flottenverbandes, zu dem außer der "Eisenhower" noch weitere Kriegsschiffe zählen.

Als von dem Flugzeugträger die ersten Jets aufsteigen, toben im Westirak noch die Kämpfe um die IS-Hochburg Falludscha. Die Einsätze der Piloten von der "Eisenhower" dürften sie vor allem dorthin geführt haben. Mittlerweile haben irakischen Regierungskräfte die Stadt mit Hilfe von Luftangriffen der internationalen Koalition eingenommen.

Einsatz seit 2014

Seit zwei fast Jahren bombardieren die USA und andere Nationen den IS in Syrien und im Irak aus der Luft. Seitdem haben die Extremisten wichtige Gebiete verloren: Die Provinzhauptstadt Ramadi und Falludscha im Irak, große Teile der Grenze zur Türkei in Syrien. Militärisch ist die Terrormiliz stark unter Druck geraten.

Ein schnelles Ende des Kampfes gegen die Extremisten ist trotzdem nicht zu erwarten. Im Norden des Iraks kontrollieren sie noch immer die Millionenstadt Mossul, um die ein langer und schmerzhafter Kampf zu erwarten ist. Auch in Syrien wehren sich die IS-Kämpfer mit allen Mitteln. Seit Wochen versuchen die mit den USA verbündeten Kurden, die strategisch wichtige Stadt Manbidsch einzunehmen. Sie kommen nur langsam voran. Der Blutzoll ist hoch, weil der IS immer wieder seine Selbstmordattentäter losschickt.

Doch von all der Gewalt und dem Töten am Boden ist auf der "Eisenhower" und im Alltag der Seeleute wenig zu spüren und zu sehen. Das Schiff befindet sich im Kampfeinsatz, es kreuzt im Mittelmeer irgendwo in der Nähe der syrischen Küste - doch der Krieg ist dennoch fern. Er zeigt sich in Form von Nummern und Buchstaben auf Bildschirmen im Kontrollraum, der die Einsätze steuert. Oder an den Jets, die auf dem Flugdeck mit Raketen starten - und ohne zurückkehren.

"Der beste Job der Welt"

Unter Deck erinnert die 5500 Frauen und Männer an Bord das dröhnende Rauschen der Flugzeuge daran, um was es tatsächlich geht. Wenn die Jets starten, vibrieren in den Kajüten die Möbel, und die Bilder an den Wänden wackeln. Kommander Wilson, ein kräftiger Mann mit fester Stimme, hält im Gespräch vier, fünf Sekunden lang inne, als auf dem Flugdeck über ihm ein Jet losschießt. "Ich habe einen der besten Jobs der Welt", sagt Wilson gleich am Anfang des Gesprächs und lacht. "Ich habe eine großartige Crew mit mutigen Frauen und Männern."

Auch die Seeleute erzählen, ihnen gefalle das Leben auf dem schwimmenden Koloss. Doch an Bord herrscht mühsame Routine, in der sich ein Tag kaum von dem anderen unterscheidet. Weil die allermeisten unter Deck arbeiten, sehen viele kein Tageslicht. Es ist eng an Bord, so eng, dass viele Seeleute mit mehr als 90 Mann in einem Raum schlafen, gestapelt in dreistöckigen Betten.

Privatleben? Praktisch unbekannt. Freizeitmöglichkeiten? Gibt es nur wenige. Alkohol? Verboten. "Das Leben hier ist schwer", sagt Waffenoffizier Mathew Rechkemmer, ein 31-Jähriger, der Deutsch spricht, weil er zwei Jahre lange als Ausbilder an der Marineakademie Flensburg zu Gast war. "Wir haben nur wenige Pausen und arbeiten fast immer." Wer auf "Mighty Ike" seinen Dienst verrichtet, sollte bereit sein, sich ganz seiner Mission zu verschreiben.

Sieben Stunden in der Luft

Die einzigen an Bord, die den Krieg aus der Nähe erleben, sind aber die Piloten. Nachdem Smith zu seiner ersten Operation gestartet ist, bleibt er sieben Stunden in der Luft, eine Zeit, in der er nur einen Snack essen kann und in einen Beutel pinkeln muss. Trotz der langen Strecke zum Einsatzort und zurück gebe es während des Flugs keine Langeweile, sagt Smiths Kollege, Lieutenant William Revell. "Wir sind fokussiert auf das, was wir tun."

Beide Piloten sprechen nüchtern über ihre Einsätze, als redeten sie über einen Job, bei dem es nicht um den Tod ginge. Bislang ist noch kein US-Pilot beim Einsatz gegen den IS getötet worden. Aber das Schicksal eines jordanischen Kollegen ist allen eine Warnung: Muas al-Kasasba war am 24. Dezember 2014 nach einem Absturz über Syrien in die Hände der Extremisten geraten - ein Propagandavideo zeigte später, wie er bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Natürlich sei im Hinterkopf, sagt Smith, dass sie ihr Leben verlieren könnten. "Wir denken immer daran. Aber wir haben gelernt, damit zu leben."

Die meisten Piloten wollen nicht mit Journalisten über ihre Einsätze reden. Auch die Antworten von Smith und Revell fallen distanziert aus, als es um ihr Seelenleben geht - etwa um die Frage dazu, dass ihre Bomben auch Unschuldige töten könnten. "Wir versuchen immer sicherzustellen, dass wir die richtigen Leute treffen", sagt Smith. Er habe Vertrauen in diejenigen, die die Ziele auswählten.

Krieg ist eine ernste Angelegenheit

Mehr als fünf Jahre sind die Piloten ausgebildet worden, auch für den Moment, in dem sie ihre Raketen abfeuern und selbst töten. Smith erzählt, er fühle in diesem Augenblick keine Emotionen, sondern sei einzig und allein auf eins konzentriert: seine Aufgabe zu erfüllen: "Krieg", sagt der Pilot, "ist eine ernste Angelegenheit." dpa

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