Deutsche Schiffe unter EU-Befehl

Fünf Kriegsschiffe sowie U-Boote, Drohnen, Flugzeuge und Hubschrauber: Für den Kampf gegen libysche Schleuserbanden mobilisieren EU-Staaten erhebliche Mittel. Als erstes Land hat nun Deutschland die Fregatte "Schleswig-Holstein" und das Versorgungsschiff "Werra" dem Befehl des zuständigen italienischen Konteradmirals Andrea Gueglio unterstellt.

Bislang waren die rund 300 Soldaten an Bord der Schiffe lediglich zur Rettung von schiffbrüchigen Migranten nahe der libyschen Hoheitsgewässer unterwegs. Geht es nun den Kriminellen an den Kragen, die Migranten in seeuntauglichen Booten auf den lebensgefährlichen Weg in Richtung Europa schicken? Zum Bedauern von EU-Staaten wie Frankreich, Italien und Großbritannien muss diese Frage zumindest vorerst mit einem klaren Nein beantwortet werden.

Konteradmiral Gueglio darf das Treiben der Schleuserbanden bis auf weiteres nur beobachten und dokumentieren lassen. Erst wenn es irgendwann ein Mandat des UN-Sicherheitsrates oder eine Einwilligung der relevanten Behörden in Libyen gibt, könnte es an den eigentlichen Auftrag gehen.

Dieser ist unmissverständlich formuliert. "Die Union führt eine militärische Krisenbewältigungsoperation durch, die dazu beiträgt, das Geschäftsmodell der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetze im südlichen zentralen Mittelmeer zu unterbinden", heißt es im entsprechenden Beschluss der EU-Staaten. Dazu sollten "systematische Anstrengungen" unternommen werden, um von Schleusern oder Menschenhändlern benutzte Schiffe "auszumachen, zu beschlagnahmen und zu zerstören".

Russland bremst

Ob es dazu jemals kommen wird, ist jedoch völlig unklar. Eine Zustimmung der libyschen Behörden ist nicht absehbar. Seit Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 mit Unterstützung des Westens gestürzt wurde, rivalisieren in dem Land Milizen gewaltsam um Macht und Einfluss. Die international anerkannte Regierung ist ins ostlibysche Tobruk geflohen, eine islamistische Gegenregierung sitzt in der Hauptstadt Tripolis. Im UN-Sicherheitsrat gilt Russland als bremsende Kraft - die regierung in Moskau kritisiert unter anderem, dass es in der dritten Phase auch Militäreinsätze in libyschen Häfen oder an Land geben könnte. Russland wirft dem Westen vor, 2011 eine UN-Resolution genutzt zu haben, um Gaddafi zu stürzen.

Bis es ein Mandat gibt, werden die europäischen Kriegsschiffe deswegen vermutlich vor allem weitere Migranten aus Seenot retten. Bei dem aktuellen Aufklärungseinsatz identifizieren die Soldaten natürlich auch die in Richtung Europa fahrende Migrantenboote. Sie sind in den meisten Fällen in einem so schlechten Zustand und so überfüllt, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit nie die Küste erreichen würden und deshalb gerettet werden müssen.

In der deutschen Bundesregierung ist darüber kaum jemand böse. Zwar stellt niemand infrage, dass die Schleuserkriminalität bekämpft werden muss, kaum jemand hält es allerdings für möglich, dass dies mit einer europäischen Militäroperation möglich ist.

Erweiterter Einsatz?

Kritiker der Mission halten es deswegen für möglich, dass es den Initiatoren des Einsatzes mittelfristig vor allem darum geht, die libysche Seegrenze unter Kontrolle zu bringen. Sobald die EU die Erlaubnis hätte, Schiffen in libysche Hoheitsgewässer zu schicken, könnten diese auch Boote mit Migranten am Auslaufen hindern oder zur Rückkehr auffordern.

Zum dem Einsatz in jetziger Form kommentiert ein Diplomat in Brüssel: "Das ist ein bisschen so, als wenn jemand versucht, sein Auto mit angezogener Handbremse zu beschleunigen." Erfolge im Kampf gegen Schleuserbanden werde es in Phase eins wohl kaum geben. Das sei mehr teure Seenotrettung. dpa

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