EuGH: Strenge Auflagen für Weser-Vertiefung

Bild: Europäische Kommission

Beim Ausbau von Elbe und Weser für große Containerschiffe errichtet der Europäische Gerichtshof (EuGH) Hürden. Der Gewässerschutz müsse bei Entscheidungen über das Ausbaggern von Flüssen eine wichtige Rolle spielen, urteilten die Luxemburger Richter am Mittwoch (Rechtssache C-461/13).
Er müsse bei jedem Einzelprojekt beachtet werden und sei nicht nur eine allgemeine politische Zielvorgabe. Von dieser Pflicht zum Gewässerschutz sind aber Ausnahmen möglich - diese spielen für die Frage des Ausbaus eine entscheidende Rolle.
Im konkreten Fall geht es zwar nur um die Vertiefung der Weser von der Mündung bis Bremen, die den Fluss für größere Containerschiffe befahrbar machen soll. Das Urteil gilt aber auch als richtungweisend für die Vertiefung der Elbe. In beiden Fällen muss das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig endgültig entscheiden. Dabei muss es sich aber an die Einschätzungen des EuGH zum Europarecht halten. Geklagt hatten Umweltverbände.
Dass der Ausbau der Weser den Zustand der Weser verschlechtern würde, ist nach Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts unstrittig. So würde der Fluss schneller fließen, die Pegelunterschiede der Gezeiten würden höher, salziges Meereswasser würde weiter stromaufwärts gelangen und jenseits der Fahrrinne würde der Fluss auch stärker verschlicken.
Strenge Auslegung
Der EuGH erläutert nun in seinem Urteil, dass bereits geringe Verschlechterungen in Teilbereichen eine Verschlechterung des Gewässerzustands insgesamt bedeuten. Er legt die Regeln zum Gewässerschutz also streng aus. Was das genau für die Weser - und damit auch für die Elbe - bedeutet, muss nun aber der BVG bewerten.
Ausnahmen vom Gewässerschutz sind laut EU-Recht erlaubt. Kriterien sind etwa großer Nutzen "für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung". Auch Bemühungen der Behörden, negative Folgen für die Gewässer zu mindern, sind relevant.
Ob solche Ausnahmen bei Weser und Elbe greifen, ist noch zu klären. Das Bundesverwaltungsgericht hat bisher nur festgestellt, dass die Behörden sie nicht hinreichend belegt haben und nacharbeiten müssten. Ob Weser und Elbe ausgebaut werden dürfen, ist also auch nach dem Luxemburger Urteil weiter offen.
Unklarheit
Sowohl bei der Weser als auch bei der Elbe haben Umweltschutzverbände gegen ein weiteres Ausbaggern geklagt. BUND und Nabu berufen sich dabei unter anderem auf die Wasserrahmenrichtlinie, die ein Verschlechterungsverbot für Gewässer vorschreibt. Das Problem nur: Bislang ist nicht klar, was das konkret bedeutet.
Wegen der Unklarheiten hatte das zuständige Bundesverwaltungsgericht bereits 2013 den Fall der Weservertiefung dem EuGH zur Klärung vorgelegt. Das ebenfalls beim 7. Senat anhängige Verfahren zur Elbvertiefung vertagte das Gericht im Oktober 2014 unter dem Hinweis, dass es das EuGH-Urteil zur Weservertiefung abwarten will.
Leipzig verhandelt weiter
In jedem Fall gehen beide Verfahren nach der EuGH-Entscheidung beim Bundesgerichtshof in Leipzig weiter. Wann dort Entscheidungen fallen, ist bislang unklar. "Die Hoffnung ist, dass das in diesem Jahr noch passiert", sagte Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne).
Hamburg will die Elbe vertiefen, damit Containerschiffe mit einem Tiefgang von bis zu 13,50 Meter den Hafen unabhängig von Ebbe und Flut erreichen können. Tideabhängig sollen sogar Riesen-Frachter mit einem Tiefgang von 14,50 Meter die Elbe passieren können. Wegen des Rechtsstreits wurde allerdings schon 2012 ein Baustopp verhängt. Dieser bleibt bis zu einem endgültigen Urteil bestehen.
Bremens Hafensenator Martin Günthner (SPD) hält eine Weservertiefung trotz strenger Auflagen weiterhin für möglich. Es müsse nun stärker zwischen Umweltschutz und anderen Interessen abgewogen werden, sagte der SPD-Politiker. SPD und Grüne hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag für eine Vertiefung der Außenweser vor Bremerhaven ausgesprochen. Der Ausbau der Unterweser ist vor allem für Niedersachsen wichtig.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wertete den Richterspruch als Stärkung des Gewässerschutzes. "Wenn wir naturnahe Flüsse statt Kanalisierungen fordern, die Sicherung einer hohen Wasserqualität, des Fischreichtums und die Wiederherstellung von Flussauen, dann steht ab jetzt das höchste europäische Gericht hinter uns", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Das übergreifedne Aktionsbündnis "Lebendige Tideelbe" aus BUND, Nabu und WWF sprach von einem "Meilenstein für den Gewässerschutz in ganz Europa". Die Hürden für eine Genehmigung der geplanten Elbvertiefung seien höher geworden. Die Tideelbe ist jener Teil des Flusses zwischen Mündung und Geesthacht, bei dem der Wasserpegel mit den Gezeiten des Meeres steigt und fällt.
"Vertiefung hat es schwerer"
Nach Ansicht des führenden deutschen Experten für Wasserrecht, Prof. Michael Reinhardt, wird das Urteil indes die Vertiefung von Weser und Elbe eher erleichtern als erschweren. "Der EuGH hat ein sehr pragmatisches Urteil gesprochen und damit einen Webfehler des europäischen Wasserrechts ausgeglichen", sagte Reinhardt, Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht, der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. Bisher sei unklar gewesen, wie streng die EU-Vorschriften zum Gewässerschutz auszulegen seien und wie deutlich relevante Verschlechterungen ausfallen müssten. dpa/lno
Bremen und Niedersachsen haben die Weservertiefung 2000 beantragt. Dadurch sollen größere Containerschiffe die Häfen in Bremerhaven, im niedersächsischen Brake und in Bremen erreichen können. Der 65 Kilometer lange Abschnitt von Bremerhaven bis zur Mündung in die Nordsee (Außenweser) soll um durchschnittlich einen Meter und der 57 Kilometer Abschnitt zwischen Bremerhaven und Bremen (Unterweser) um durchschnittlich 70 Zentimeter ausgebaggert werden.
Die Kosten liegen bei etwa 50 Millionen Euro. In Bremerhaven sollen künftig unabhängig von Ebbe und Flut Schiffe mit einem Tiefgang von bis 13,80 Metern festmachen können. In Brake soll dieser Wert bei bis zu 12,80 Metern liegen und in Bremen bei bis zu 11,10 Metern. lni