Opposition greift Senat nach Elbvertiefungsurteil scharf an

Frank Horch, Wirtschaftssenator: "In der Sache haben wir Recht bekommen".
Wegen der weiteren Hängepartie um die Elbvertiefung nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist Hamburgs Senatspolitik ins Visier der Opposition gerückt. Während Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) das Urteil am Donnerstag als Erfolg verkauften, gingen CDU, FDP, AfD und Linke die Landesregierung hart an.
Die FDP warf Horch vor, "offensichtlich in einer anderen Welt" zu leben. Nach Überzeugung der CDU widerlegt das Urteil "die zur Schau getragene Selbstsicherheit des Bürgermeisters". Auch die Hamburger Hafenwirtschaft machte Druck auf die Politik.
<link http: www.thb.info rubriken haefen single-view news bund-twittert-elbvertiefung-rechtswidrig.html external link in new>Rund 15 Jahre nach dem Start der Planungen und etwa viereinhalb Jahre nach Prozessbeginn hat das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag den Planfeststellungsbeschluss in seiner jetzigen Form als rechtswidrig und nicht vollziehbar eingestuft. Gleichzeitig erklärten die Leipziger Richter jedoch auch, dass die Mängel nachträglich behoben werden können und die umstrittene Elbvertiefung damit grundsätzlich zulässig ist (Az.: BVerwG 7 A 2.15).
Konkret bemängelten die Richter eine ungenügende Verträglichkeitsprüfung für die streng geschützte Pflanzenart Schierlings-Wasserfenchel. Auch seien mögliche Auswirkungen eines erhöhten Salzgehaltes durch die Elbvertiefung nicht ausreichend geprüft worden. Zudem beanstandete der 7. Senat die Regelungen zur sogenannten Kohärenzsicherung in Niedersachsen. Das sind Ausgleichsmaßnahmen, die vorgenommen werden müssen, weil die Elbvertiefung zu Beeinträchtigungen von Naturschutzgebieten führt.
Scholz ist zuversichtlich
Für Scholz steht dennoch fest: "Die Elbvertiefung wird kommen." Das Urteil sei ein Meilenstein für ganz Deutschland. Alle Fragen, die juristisch zu lösen gewesen seien, seien nun geklärt. Nun gelte es noch einige wenige Aufgaben zu erledigen. Daran werde man sich jetzt machen und die Vorbereitungen dafür treffen, "dass dann auch zügig die Umsetzung dieser Fahrrinnenanpassung stattfinden kann". Für kommenden Mittwoch hat Scholz bereits eine Regierungserklärung in der Bürgerschaft angekündigt.
Wie lange das Beheben der Mängel dauern wird, konnte der zuständige Senator Horch nicht sagen. "Wenn es ganz gut läuft, dann bewegen wir uns in einem Zeitraum von einem Vierteljahr bis zu einem halben Jahr. Wenn wir tatsächlich Öffentlichkeitsbeteiligung haben müssen, dann kann es auch ein bis zwei Jahre dauern." Unklar sei auch, ob sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Fall befassen müsse.
CDU-Fraktionschef André Trepoll sprach von einer bitteren Enttäuschung für die maritime Wirtschaft und die Stadt. "Die vom Senat zu verantwortende neuerliche Verzögerung trifft den Hamburger Hafen in seiner schwersten Krise." Die Verantwortung für die negative Entscheidung des Gerichts trage Scholz, "der versäumte Fristen, unvollständige Planungsunterlagen und angreifbare Gutachten mit zu verantworten hat".
AfD: "Missmanagement"
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding nannte das Urteil "eine Klatsche mit Ansage". Einmal mehr zeige sich, dass die Zukunft Hamburgs bei Scholz in den falschen Händen liege. "Statt sich mit dem gebotenen Einsatz um das wichtigste Infrastrukturprojekt der Stadt zu kümmern, gefällt er sich in der Bundespolitik." AfD-Fraktionschef Bernd Baumann sprach von einem Zusammentreffen von langjährigem Missmanagement Hamburger Senate mit einem fortschrittsfeindlichen, linksgrünen Hintergrund-Zeitgeist, der bis in die Brüsseler EU-Funktionärsebene reiche.
Die Linke ging den Senat ebenfalls an, wenn auch als Gegner einer weiteren Elbvertiefung aus anderen Gründen: "Durch die Zulassung wird der wirtschaftspolitisch bräsige Senat sich in seiner vermeintlichen Alternativlosigkeit bestätigt sehen und den dringend notwendigen Abschied von der ökonomischen Fixierung allein auf den Hafen weiter verweigern."
Die an den Koalitionsvertrag mit der SPD gebundenen Grünen - eigentlich ebenfalls Gegner einer weiteren Elbvertiefung - gaben sich zurückhaltend. "Konfrontation führt selten zu den besten Lösungen", sagte Fraktionschef Anjes Tjarks. Jetzt sei das Gebot der Stunde, die Urteilsbegründung abzuwarten, gut zu analysieren und dann miteinander zu reden.
Beckmeyer dringt auf schnelle Umsetzung
Die Bundesregierung hat eine rasche Umsetzung des Gerichtsurteils zur Elbvertiefung angemahnt, damit der Hamburger Hafen nicht ins Hintertreffen gerate. Der maritime Koordinator der Regierung, Wirtschaftsstaatssekretär Uwe Beckmeyer (SPD), sagte am Donnerstag in Berlin: "Die Elbvertiefung ist ein ganz zentrales Infrastrukturprojekt, damit der Hamburger Hafen auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb bestehen und Beschäftigung nachhaltig gesichert werden kann."
Das gelte auch für die Weser und die Bremer Häfen. "Als Exportnation sind wir auf verlässliche Hafeninfrastrukturen mehr denn je angewiesen." Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei wegweisend für die deutsche und europäische Hafenbranche. "Es fordert die Vereinbarkeit von Ausbauplanungen für Häfen mit Naturschutz ganz konkret ein", so Beckmeyer. Es liege nun an Hamburg, die Pläne für die Elbvertiefung schnell zu überarbeiten.
Aus Sicht des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministers Reinhard Meyer (SPD) hat das Urteil einen guten und einen weniger guten Teil. Positiv und wichtig sei, dass das Bundesverwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss nicht infrage gestellt habe, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag. Von Nachteil seien die Auflagen, die jetzt abgearbeitet werden müssen. Dabei gehe es um die Auswirkungen der Elbvertiefung auf den Schierlingswasserfenchel und um Ausgleichsmaßnahmen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Zu lange Planungsfristen
Das Land habe großes Interesse daran, dass die Vertiefung der Elbe kommt, sagte Meyer. Er bleibe dabei zuversichtlich. Dieser Fall zeige aber auch, dass Deutschland für solche Großprojekte viel zu lange brauche, sagte Meyer unter Hinweis auf die Verfahrensdauer von 15 Jahren.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet nach Einschätzung von Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) eine weitere Verzögerung der Entwicklung des Hamburger Hafens. Das sei bedauerlich, sagte Lies am Donnerstag in Hannover. "Denn im Hamburger Hafen sind auch Zehntausende Menschen aus Niedersachsen beschäftigt."
Mit der Entscheidung werde in der Abwägung zwischen ökologischen Notwendigkeiten und wirtschaftlichen Interessen die Vertiefung in der geplanten Form nicht zugelassen, sagte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). Die Probleme an der Elbe seien vielschichtig, durch den Klimawandel drohe der Anstieg der Wasserstände und eine erhöhte Fließgeschwindigkeit. Das Urteil könne daher richtungsweisend für andere wasserbauliche Entscheidungen sein.
HHLA hofft auf schnelle Umsetzung
Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sagte:: "Nach dem langwierigen Verfahren und angesichts des harten Wettbewerbs zwischen den wichtigen europäischen Häfen hätte ich mir ein Ergebnis gewünscht, das nicht weitere zeitliche Verzögerungen bei der Fahrrinnenanpassung der Elbe zur Folge hat. Planungssicherheit ist für uns und unsere Kunden von großer Bedeutung. Wir erwarten daher, dass durch die Verfahrensbeteiligten bestehende Unsicherheiten möglichst schnell beseitigt werden. Die Fahrrinnenanpassung muss schnell realisiert werden, damit der Hamburger Hafen seine Wettbewerbsfähigkeit weiter sichert. Es liegt im Interesse der Stadt und ihrer Bürger, dass alle Verantwortlichen nun eng zusammenwirken." (dpa/pk)