„Wir brauchen eine digitale Infrastruktur“

Auf der 9. NMK in Bremerhaven wurden wichtige Weichen gestellt, Foto: Fabarius

Uwe Beckmeyer, Foto: Bundesregierung, Bergmann
Die Akteure aus Politik und Wirtschaft treffen sich am kommenden Dienstag in Hamburg zur 10. Nationalen Maritimen Konferenz (NMK). Auf dem vorbereitenden Branchenforum im Dezember 2016 in Berlin wurden bereits einige Themen angesprochen, die nun vertieft werden sollen. Einen Schwerpunkt bildet die Digitalisierung in Schifffahrt und Logistik. Der THB sprach jetzt im Vorfeld der NMK mit Uwe Beckmeyer, dem Maritimen Koordinator der Bundesregierung.
THB: Herr Beckmeyer, was hat sich aus Ihrer Sicht seit der 9. NMK im Oktober 2015 getan? Welche Fortschritte wurden seitdem erzielt?
Beckmeyer: Auf der 9. NMK habe ich erste Eckpunkte für eine Maritime Agenda 2025 vorgestellt; zu Jahresbeginn hat das Bundeskabinett die ressortübergreifende Strategie beschlossen. Auch das auf der letzten Konferenz angekündigte Maßnahmenpaket für die Seeschifffahrt haben wir umgesetzt und das Nationale Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen vorgelegt. Das zeigt: Diese Bundesregierung liefert. Und wir haben bereits weitere wichtige Weichen gestellt: Bund, Verbände und Länder werden auf der Jubiläumskonferenz in Hamburg eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen, die wichtige Ziele und Handlungsfelder im Kontext der Digitalisierung benennt. Zudem starten wir auf der NMK eine von der Industrie getragene Initiative zur maritimen Energiewende. Beides sind zentrale Zukunftsthemen der maritimen Wirtschaft.
THB: Die Neuauflage der Forschungsinitiative Innovative Seehafentechnologien ist ein wesentlicher Punkt. Wie ist die Resonanz seitens der Branche? In welchem Umfang wird das Angebot wahrgenommen?
Beckmeyer: Die Branche nimmt das Angebot gut an. Auf den ersten Förderaufruf wurden 77 Anträge zu insgesamt 28 Verbundprojekten eingereicht. Das hat unsere Erwartungen übertroffen. Positiv beschieden wurden zum Beispiel Vorhaben, bei denen es um die Automatisierung von Stapel- und Transportkapazitäten mit Hilfe von Straddle Carriern, also Stapelkränen, in einem Mega-Terminal geht. Zudem werden Innovationen gefördert, die einen Paradigmenwechsel in der Automatisierung von Containerterminals einleiten – Stichwort „Interaktion“ statt „Separierung von Mensch und Maschine“.
THB: Auch für die deutschen Reedereien hat die Bundesregierung vieles unternommen, um den Standort zu stärken. Dazu zählt insbesondere der komplette Lohnsteuereinbehalt für die Reedereien. Wie lautet Ihr Zwischenfazit? Haben sich die Maßnahmen bewährt?
Beckmeyer: Ziel des Maßnahmenpakets ist es, dass die deutsche Flagge auch in Zukunft europäisch wettbewerbsfähig bleibt. Reedereien können jetzt nicht mehr nur 40 Prozent, sondern 100 Prozent der Lohnsteuer für Seeleute einbehalten. Zudem werden seit 2017 die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung passgenau erstattet. Für ein Zwischenfazit ist es noch zu früh. Eines kann ich aber jetzt schon sagen: Wir werden die Auswirkungen dieser Entlastungsoffensive für die deutsche Flagge und vor allem die Beschäftigtenzahlen sehr genau beobachten und in regelmäßigen Abständen im Maritimen Bündnis diskutieren.
THB: Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Entwicklung der Handelsflotte deutscher Reedereien?
Beckmeyer: Die Lage in der Seeschifffahrt war in den vergangenen Jahren durch ein massives Überangebot an Schiffsraum geprägt. Der verschärfte Wettbewerb hat auch die deutsche Handelsflotte getroffen, die weiter geschrumpft ist. Langfristig dürfte es wieder zu einer Annäherung von Angebot und Nachfrage nach Schiffsraum und damit zu einer Markterholung kommen. Vor dem Hintergrund der Schifffahrtskrise hat die Bundesregierung rasch gehandelt. Wir erwarten nun auch von der Reederschaft ein deutliches Handeln für die deutsche Flagge – und damit für Beschäftigung und maritimes Know-how am Standort Deutschland.
THB: Auf der 10. NMK wird es vor allem um die Digitalisierung gehen. Hier hat die maritime Wirtschaft noch erheblichen Nachholbedarf. Wie bewerten Sie den aktuellen Entwicklungsstand von Maritim 4.0 in Deutschland?
Beckmeyer: Die maritime Branche ist in vielen Bereichen digitaler Vorreiter gewesen. Richtig ist, dass die Digitalisierung auch die maritime Wirtschaft grundlegend verändern und den Strukturwandel beschleunigen wird. Wir haben sie deshalb in der Maritimen Agenda 2025 als ein zentrales Handlungsfeld definiert. Eine wesentliche Aufgabe wird darin bestehen, das Know-how aus Schiffbau und Meerestechnik, Maschinen- und Anlagenbau, Schifffahrt, Hafenwirtschaft und Logistik sowie den Informations- und Kommunikationstechnologien zusammenzuführen. Mit der eingangs erwähnten gemeinsamen Erklärung auf der NMK wollen wir alle mit ins Boot holen. Denn genau das zeichnet Industrie 4.0 aus: eine neue Dimension der Vernetzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dabei spielen innovative Technologien eine wichtige Rolle. Hier können wir durch gezielte Forschungstätigkeit enorme Effizienzgewinne realisieren.
THB: Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Punkte, die für die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung zu klären sind – zum einen als Fördermaßnahmen, zum anderen als regulatorische Maßnahmen?
Beckmeyer: Wir brauchen eine digitale Infrastruktur, die hohe Datentransferraten sicherstellt und zugleich Datensicherheit gewährleistet. Der Bund fördert den Breitbandausbau mit vier Milliarden Euro, und wir unterstützen die Häfen mit dem IHATEC-Förderprogramm dabei, digitale Hafentechnologien zu entwickeln. Daneben müssen wir internationale Industriestandards vorantreiben, etwa im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation, der IMO. Zudem müssen wir den rechtlichen Rahmen anpassen, zum Beispiel im Produkthaftungsrecht oder beim Datenschutz. Die Plattform Industrie 4.0 begleitet diesen Prozess – mir ist es wichtig, dass sich die maritime Wirtschaft hier einbringt. Auswirkungen hat die Digitalisierung auch auf den maritimen Arbeitsmarkt. Deshalb brauchen wir den Schulterschluss mit den Gewerkschaften.
THB: Wie begegnen Sie den Risiken der Digitalisierung, etwa beim Thema Cyber-Angriffe?
Beckmeyer: Mit dem zunehmenden Datenaustausch steigt auch in der maritimen Wirtschaft das Risiko von Cyber-Angriffen. Für alle Akteure in der maritimen Lieferkette ist es wichtig, die IT-Systeme möglichst umfassend zu schützen. Im Nationalen Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen haben sich Bund und Hafenwirtschaft deshalb verpflichtet, die Cyber-Sicherheitsstrategie in den Häfen voranzutreiben und die Vorgaben des IT-Sicherheitsgesetzes umzusetzen.
THB: Weniger Schadstoffemissionen, mehr Energieeffizienz – das sind wesentliche Ziele der Schifffahrt. Welche unterstützenden Beiträge kann die Bundesregierung künftig leisten, um hier weiter voranzukommen?
Beckmeyer: Die maritime Energiewende ist ein wesentlicher Baustein unserer Industriepolitik. Wir wollen Anreize schaffen, damit die Unternehmen verstärkt in Forschung und Entwicklung investieren. Die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie beschreibt den Handlungsbedarf. Die dort formulierten Ziele werden in zahlreichen Förderprogrammen und Pilotprojekten umgesetzt, etwa zu LNG-Antrieben oder dezentraler Energieversorgung auf Schiffen. Ganz aktuell hat unser Haus die neue Förderinitiative „Energiewende im Verkehr“ veröffentlicht, und auch in unserem maritimen Forschungsprogramm ist Green Shipping künftig eines von vier zentralen Querschnittsthemen. Sie sehen: Wir setzen auf konsequente Technologieförderung und passgenaue Lösungen. Das gilt im Übrigen auch für das geplante Deutsche Maritime Zentrum. Mit der Struktur eines gemeinnützigen Vereins stellen wir sicher, dass hier keine Einzelinteressen bedient werden. Doppelförderungen kann keiner wollen. Dagegen hilft nur ein kluges Konzept – und kein Wettlauf von Finanzierungswünschen.
THB: An das Thema LNG als Treibstoff sind große Hoffnungen geknüpft. Die Bundesregierung übernimmt dabei eine koordinierende Rolle für die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes. Wie sieht Ihre konkrete Planung diesbezüglich aus?
Beckmeyer: Die Bundesregierung will die technologieoffene Entwicklung neuer Antriebe und Kraftstoffe unterstützen und Anreize für die Markteinführung innovativer Lösungen setzen. Dazu gehört ausdrücklich auch der Einsatz von LNG in der Schifffahrt, dessen Absatzmöglichkeiten wir verbessern wollen. Wir verlängern daher die Steuerbegünstigung für Erdgas als Kraftstoff. Zudem wird der Aufbau der LNG-Tankinfrastruktur für den Schifffahrtsbereich umgesetzt. Dafür hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr einen umfassenden Nationalen Strategierahmen beschlossen. Neben einzelnen Pilotprojekten wird derzeit auch ein LNG-Förderprogramm für die Seeschifffahrt zwischen den Ressorts abgestimmt. Unser Haus hat zudem eine Forschungsinitiative gestartet, mit der wir die Energiewende im Verkehr fördern. Dafür stehen 130 Millionen Euro bereit.
Das Interview führte Wolfhart Fabarius.