Ballastwasser: Bugsier findet eigenen Lösungsweg

Bei der Hamburger Bugsier-Reederei entspricht die gesamte Flotte der IMO-Ballastwasser-Konvention. Aber keines der Schiffe hat eine Behandlungsanlage an Bord.

Stattdessen basierte das Vorgehen des Traditionsunternehmens auf einer grundlegenden Feststellung. So erklärte Andree Hessling, Technical Superintendent und Chief Engineer bei der Bugsier-, Reederei- und Bergungsgesellschaft, im Gespräch mit dem THB: „Unsere Schiffe müssen gar kein Ballastwasser aufnehmen.“ Also entschied man sich in Absprache mit der Klassifikationsgesellschaft DNV GL und mit Zustimmung der deutschen Flagge in Form der Berufsgenossenschaft Verkehr Dienststelle Schiffssicherheit (BG Verkehr), die bestehenden Ballasttanks der eigenen Schlepper zu Leerzellen umzufunktionieren. Dafür seien entsprechende Leitungen durch fest montierte Steckscheiben blindgesetzt worden, um einen Wasserdurchlauf zu verhindern.

In der Praxis würden lediglich kurze Handgriffe das Ballastwassersystem aktivieren. So sei sichergestellt, dass der Kapitän in Notfallsituationen eben doch „ballasten“ kann. Im Regelbetrieb gelten die Ballasttanks nun aber als „void spaces“.

„Das Ziel des Ballastwasser-Übereinkommens ist, die Meere davor zu schützen, dass Wasserorganismen und Krankheitserreger von einem Ort auf der Welt zum anderen transportiert werden und dort Schaden anrichten“, fasste Hajo Gerkens, leitender Ingenieur und Besichtiger bei DNV GL, die Bedeutung der Konvention zusammen. Bugsier habe dieses Ziel erreicht, „wenn auch durch zugegebenermaßen einfache Mittel“. Er ergänzte: „Aus unternehmerischer Sicht konnten hier dasselbe Ziel erreicht und gleichzeitig sogar etwaige Fehlfunktionen von tatsächlich installierten Behandlungsanlagen ausgeschlossen werden.“

Und auch Hessling zog ein positives Fazit für diese eher unkonventionelle Herangehensweise – auch aus wirtschaftlicher Sicht. Ballastwasserbehandlungsanlagen sind oftmals mit Anschaffungskosten ab 200.000 bis 600.000 Euro verbunden. Doch diese sind hier nicht angefallen. „Insgesamt haben wir durch die zuvor genannte Umsetzung mit allen dazugehörigen Maßnahmen auf allen Schiffen einige Millionen Euro gespart“, sagte Hessling. Betriebs- und Wartungskosten seien dabei noch nicht miteinbezogen.

Praktische Umsetzung bei laufendem Einsatz

Der Weg bis zum flaggenstaatlichen Dokument – in diesem Fall die Befreiung von der Pflicht, Ballastwasserbehandlungsanlagen einzusetzen (nach Ballastwasserübereinkommen Artikel 3 Absatz 2a, also nicht entworfen oder gebaut, um Ballastwasser zu befördern) – verlief dennoch in den üblichen Etappen: von der ersten Zeichnung und anfallenden Änderungen bis zur Genehmigung derselben über die Umsetzung und Besichtigung vor Ort und zum Einreichen des Besichtigungsberichts bei der deutschen Flagge. Und das bei mehr als 30 Schiffen. Hessling hob dabei auch die Bedeutung von Klassifikationsgesellschaft und Flaggenstaat hervor: „So ein Ablauf kann ohne eine herausragende Zusammenarbeit nicht funktionieren.“ Das gelte auch auf persönlicher Ebene, schließlich bestand das Kernteam nur aus einer Handvoll Mitglieder.

Das Projekt, die insgesamt 30 Schlepper und 3 Ölbekämpfungsschiffe der Reederei den neuen Standards der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation entsprechend aufzustellen, war Ende Juni konkret geworden. „Für den ganzen Vorgang haben wir dann etwa drei Monate gebraucht“, so Hessling. Der von der IMO vorgeschriebene D1-Standard sei dabei sogar noch rechtzeitig zum 8. September erfüllt worden. Den Schlusspunkt der Arbeiten insgesamt setzten kürzlich die beiden Einheiten „Bugsier 20“ und „Bugsier 21“. Doch diese stellten die Akteure vor eine besondere Herausforderung.

Denn die beiden Schlepper werden seit dem Frühjahr im Schwarzen Meer im Rahmen eines Offshore-Projekts eingesetzt. Der Auftrag bestehe noch für längere Zeit, wobei die Schiffe während der gesamten Laufzeit keinen Hafen anlaufen werden. Ersatz heranzuziehen sei ebenfalls keine Option gewesen. „Deshalb musste alles bei laufendem Betrieb erledigt werden“, sagte Hessling. Gemeinsam mit Gerkens war er schließlich ans Schwarze Meer gereist. Von da aus sei es an Bord des Offshore-Supply-Vessels „Stephen Wallace Dick“ weiter zum Arbeitsfeld gegangen. „Dabei gab es viele Variablen zu beachten“, unterstrich Gerkens. „Wir konnten nur auf die Schlepper übersetzen, wenn Seegang, Witterung und Lichtverhältnisse mitspielten“, führte er aus. Doch das sei insgesamt gut verlaufen. Die Besichtigung der ausgeführten Änderungsarbeiten an Bord der Bugsier-Schlepper habe wie geplant stattgefunden und im Anschluss lief man an Bord des Mehrzweckfrachters „Egmondgracht“ bereits wieder den nächsten Hafen an.

Ausnahmegenehmigung auch für Rest der Flotte

Unter den 30 Schleppern der Bugsier-Reederei befindet sich auch der Notschlepper „Nordic“, der im Auftrag der Bundesregierung in der Deutschen Bucht unterwegs ist. Mit 78 Metern Länge, 16,40 Metern Breite und 3300 BRZ ist das Spezialschiff aber deutlich größer als die anderen Einheiten der Flotte. Hier bleibt das Ballasten notwendig – aber auch hier wurde kein entsprechendes Managementsystem installiert. Stattdessen wurde das Einsatzgebiet der „Nordic“ überprüft und festgestellt, dass kein überregionaler Ballastwasseraustausch stattfinden wird. Unter dieser Bedingung stellte die BG Verkehr für dieses wie auch die drei Ölbekämpfungsschiffe „Knechtsand“, „MPOSS“ und „Westensee“ so genannte „Certifcates of Confirmation“ im Rahmen der Ballastwasserkonvention aus. Im Mittelpunkt steht dabei der „same location“-Aspekt, also das Aufnehmen und Ablassen von Ballastwasser am gleichen Ort (nach Artikel 3 Absatz 2e in Verbindung mit Regel A-3 Absatz 5). So dürfen die Ballasttanks unter dieser Bedingung geöffnet und funktionsfähig bleiben. Dennoch wurden auch für diese Schiffe die vorgeschriebenen Ballastwassermanagementpläne erstellt und genehmigt.

Musterbeispiel für einen Einzelfall

Das gesamte Vorgehen der Bugsier-Reederei stellt lediglich eine Ausnahme unter besonderen Voraussetzungen dar. Denn für die meisten größeren Handels- und Arbeitsschiffe ist das Ballasten unerlässlich. Die internationalen Routen schließen in der Regel auch Sonderzulassungen unter dem „same location“-Aspekt aus.

Doch trotz des in der Branche umstrittenen Aufschubs der IMO-Konvention für die Bestandsflotte kommt das vollumfängliche Inkrafttreten mit dem Stichtag 8. September 2019 näher. Der Werften- und Zuliefererverband SEA Europe bekräftigte erst kürzlich sein Engagement für das Technikfeld (thb.info 23. Oktober 2017). Im kommenden Sommer soll demnach eine umfangreiche Kampagne starten, um einerseits das Bewusstsein der weltweiten Schifffahrtsbranche zu schärfen, andererseits aber auch sich selbst transparenter zu positionieren. ger

Teilen
Drucken

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben