Die „Bleichen“ wird grundrestauriert

Der historische Stückgutfrachter „Bleichen“ durchläuft auf der Hamburger Norderwerft gegenwärtig eine Grundrestaurierung.

Dabei werden rund 20 Meter wasserdichte Nietnähte in aufwendiger Handarbeit wieder hergestellt. Grund für die Anwendung des Nietverfahrens, das seit Ende der 50er Jahre nicht mehr praktiziert wird, ist der historische Wert des Schiffes: Die „Bleichen“ ist ein eingetragenes Denkmal, und die im Sichtbereich liegenden Nietnähte sind optisch sehr dominant, ihr Fehlen würde das Erscheinungsbild deutlich beeinträchtigen, heißt es jetzt in einem Zwischenbericht der Stiftung Hamburg Maritim, zu deren Flotte das 93,30 Meter lange und 12,30 Meter breite Schiff gehört.

Und so werden die fehlenden Nietnähte nun form-, material- und handwerksgerecht so erneuert, wie es von einer denkmalgerechten Restaurierung erwartet wird. Möglich geworden ist dieser Aufwand durch eine Zuwendung der Bundesrepublik Deutschland/Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien in Höhe von drei Millionen Euro.

Als die „Bleichen“ am 26. Juni 1958 auf der Nobiskrug-Werft in Rendsburg vom Stapel lief, befand sich der Schiffbau in einem tief greifenden Wandlungsprozess. Das Elektroschweißen war auf dem Vormarsch, aber es gab in der konservativen Reederschaft noch viele Vorbehalte dagegen, und so hat man bestimmte Teile an den Neubauten immer noch genietet. Bei der „Bleichen“ waren es die Längsnähte der gesamten Außenhaut, und auch jeder dritte Spant wurde noch mit der Außenhaut vernietet, alles andere wurde geschweißt. Man versprach sich davon eine größere Elastizität des Schiffskörpers in den starken Beanspruchungen durch seegangsbedingte Verformungen. Die Naht sticht sehr ins Auge, zumal die Nietreihen hier doppelt angeordnet sind. Pro laufenden Meter werden 22 Niete gebraucht, insgesamt rund 500 Nieten. Diese sind heute kaum noch zu erwerben. Fündig wurde die Stiftung Hamburg Maritim nach langer Suche bei einer Werft in Südnorwegen, die noch einen Restbestand passender Niete hatte.

Schaut man heute beim Nieten zu, dann verwundert nicht nur, wie elend laut so ein Presslufthammer ist, sondern auch wie flott das geht. Ist der hellrot glühende Nietschaft erst mal von innen durch das Loch geschoben, dauert es kaum mehr als eine Minute, bis das Niet gestaucht und nur noch eine flache Wölbung zu sehen ist. Die Nietkolonne besteht aus dem Nieter draußen, im Schiffsinneren sind noch weitere drei Mann an der Arbeit. Einer kümmert sich an der Esse um das Vorwärmen der Niete (der „Nietenkocher“). Ein zweiter Mann hat die Aufgabe, mit einer speziellen Schmiedezange das glühende Niet aus dem Ofen zu nehmen und es auf dem schnellsten Weg in das vorbestimmte Nietloch zu stecken. Sofort darauf setzt der „Gegenhalter“ seinen „Dolly“, ein 20-kg-Gegengewicht, auf den Nietkopf, und schon beginnt von außen das Hämmern des Pressluft-Niethammers. Die Verständigung durch die geschlossene Bordwand funktioniert nur mit Klopfzeichen, die man auch mit Gehörschutz („Micky-Mäusen“) wahrnimmt, die hier jeder trägt.

Vormann der Nieter-Truppe ist Jonny Lührs (64), von Haus aus Maschinenbau-Ingenieur und auf die technische Instandsetzung historischer Maschinen und Dieselmotoren spezialisiert. Er hat schon bei der Restaurierung der denkmalgeschützten Süderelbbrücke mitgewirkt und dort viele tausend Niete geschlagen. Der Rest der Truppe ist ehrenamtlich aktiv im Umkreis des Hafenmuseums. Auch ein Teil der Nietgerätschaften stammt von dort.

Die seit September 2015 auf der Werft liegende „Bleichen“ soll in den nächsten Wochen wieder so hergestellt werden, dass sie mit offizieller Genehmigung auch auf Fahrt gehen kann. So kann der Frachter auch als schwimmendes Denkmal die norddeutsche Schifffahrt der Nachkriegszeit dokumen tieren.

Die „Bleichen“ war zunächst für die damalige Hamburger Reederei H.M. Gehrckens im Einsatz und transportierte vor allem Holz aus Finnland für die Hamburger Verlagshäuser. Später wurde das Schiff verkauft und fuhr zuletzt als „Old Lady“ für eine türkische Reederei. 2007 wurde es von der Stiftung gekauft und wird seitdem Stück für Stück saniert. FBi

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