Drohnen revolutionieren Inspektion auf See

DNV GL hat mit der ersten Offshore-Drohnenvermessung der „Safe Scandinavia“ einen neuen Meilenstein erreicht, Foto: DNV GL

DNV GL-Experte Alba modifiziert handelsübliche Drohnen, Foto: DNV GL

Auf teilweise sehr engem Raum müssen die Drohnen zuverlässig manövrierbar sein, Foto: DNV GL
Mit gleich vier Drohnen typen inspiziert DNV GL unterschiedlichste Strukturen von Schiffen und Offshore-Einheiten. Mit der Untersuchung des Halbtauchers „Safe Scandinavia“ aus der Luft hat die Klassifikationsgesellschaft einen neuen Meilenstein erreicht.
Es ist ein böiger Tag in Gdynia. Hier, im Garten vor der polnischen DNV-GL-Niederlassung, prüft Leszek Alba kritisch die Windverhältnisse. Alba ist einer von mittlerweile 16 Drohnen-Inspektoren der Klassifikationsgesellschaft. Heute wird er die Stabilität einer modifizierten Drohne bei unterschiedlichen Windverhältnissen und die Stabilität der Videoübertragung testen. Beides sind wichtige Faktoren bei der Inspektion von äußeren Stahlstrukturen, aber auch von Tanks und Laderäumen.
Seit DNV GL im Juni 2016 erstmals Bauteile von Schiffen und Offshore-Einheiten mit einer Drohne untersucht hat, ist das Unternehmen nach eigener Einschätzung zum führenden Anbieter auf diesem Gebiet geworden. „Als wir mit dieser Technologie anfingen, wollten wir einen sichereren, effizienteren und kostengünstigeren Weg finden, um die Anforderungen von Nahaufnahmen bei der Inspektion zu erfüllen“, erklärt Cezary Galinski, Senior Principal Surveyor und Leiter des DNV GL Drohnenteams. „Bei diesen Untersuchungen muss ein Vermesser auch die Oberflächen berühren können, um den Zustand des Materials zu überprüfen“, so Galinski.
Sein global aufgestelltes Team hat seinen Hauptsitz in Gdynia, arbeitet aber auch von Dubai, Shanghai, Singapur oder Houston aus. „Anstatt den Vermessungsingenieur zur Komponente zu bringen, bringen wir die Komponente jetzt zum Vermessungsingenieur. Und zwar per High-Definition-Video mit einer Auflösung von 4k“, beschreibt er das Arbeitsprinzip. Bisher haben er und seine Kollegen weltweit mehr als 25 Studien zur Untersuchung mit Drohnen durchgeführt. Typische Einsatzfelder sind neben Tankern und Bulkern neuerdings auch Halbtaucher oder Hubschiffe aus dem Offshore-Sektor. „Das sind vor allem die Einheiten, die eine Nahbesichtigung erfordern“, erklärt Galinski.
Modifizierte Profimodelle im Einsatz
Dazu hat DNV GL vier unterschiedliche Drohnentypen entwickelt: Die „Custom-Drohne“, die „DJI Phantom“, die „Mavic-Drohne“ und die „Flyability Elios-Drohne“. Jedes dieser Modelle zeichnet sich durch unterschiedliche Fähigkeiten und entsprechende Einsatzmöglichkeiten aus. Allen gemeinsam ist, dass sie in der Werkstatt von Leszek Alba auf Basis handelsüblicher Profimodelle modifiziert wurden. In einem Kellerraum, der mit sorgfältig katalogisierten Regalen, Ersatzkabeln, Batterien, Lötkolben und verschiedensten Drohnen in unterschiedlichen Bauzuständen bestückt ist, passen Alba und seine DNV GL-Kollegen Standarddrohnen so an, dass sie für Inspektionszwecke geeignet sind.
„Die kommerziell erhältlichen Drohnen werden ausschließlich für Benutzer gebaut, die sie im Freien fliegen und um Aufnahmen von Objekten machen, die sich unter ihnen befinden“, weiß Teamleiter Galinski. „Als erstes ändern wir in der Regel die Software-Einstellungen der Drohne, um den Kamerawinkel anzupassen. So können wir auch Objekte filmen, die sich vor oder über der Drohne befinden.“
„Da wir die Drohnen in der Nähe von Schiffsstrukturen fliegen, haben wir einen speziellen Käfig für sie entwickelt“, berichtet Entwickler Alba. „Ein Schutzdraht schützt die Propeller, die Kamera und die Beleuchtungssysteme, die wir installiert haben, damit die Drohnen auch in dunklen Räumen arbeiten können.“
Eine weitere Modifikation sind hochwertige Zoom-Kameras. So muss die Drohne für die nötigen detaillierten Bilder nicht mehr nur einen Meter von der Struktur entfernt fliegen, sondern kann hochauflösende Aufnahmen auch aus größerer Entfernung machen. Diese Fähigkeit ist besonders wichtig, wenn Vermessungsingenieure die Drohne auf dem offenen Meer fliegen, wie beispielsweise bei der ersten Offshore-Drohnenvermessung, die DNV GL kürzlich rund um den Halbtaucher „Safe Scandinavia“ durchgeführt hat.
Keine Probleme bei 15 Knoten Wind
Dieses Tender Support-Schiff (TSV) des norwegischen Offshore-Dienstleisters Prosafe unterstützt die Bohrarbeiten des Ölkonzerns Statoil vor der Küste Norwegens. „Hier ergab sich für uns die großartige Gelegenheit, die Fähigkeit unserer Drohne zu demonstrieren und den Zustand äußerer Komponenten auch unter schwierigen Offshore-Bedingungen zu überprüfen“, freut sich Galinsiki. Für die Inspektion sei es lediglich nötig gewesen, dass der Halbtaucher seinen Wasserballast ablässt, um höher aus dem Wasser zu kommen: „Wir flogen mit der Drohne etwa 25 Meter unter dem Hauptdeck entlang, um den Zustand der Klüsen für die Ankertrossen und die Schweißnähte der Schwimmkörper und Säulen, auf denen das TSV ruht, zu überprüfen. Bei Windgeschwindigkeiten von etwa 15 Knoten funktionierte das sehr gut. Die Analyse ergab, dass alle untersuchten Bauteile und ihre Verbindungen in einem guten Zustand sind“, fasst Galinski das Untersuchungsergebnis zusammen.
Auch für die Reederei Prosafe war diese Art der Inspektion eine absolute Premiere. „Innovation ist einer unserer Kernwerte. Wir sind sehr froh, dass wir uns für die Drohnenvermessung entschieden haben, da sie uns geholfen hat, unsere Vermessungsanforderungen zu optimieren und erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen zu erzielen.“ Dieses positive Fazit zieht Ian Young, Chief Operating Officer bei Prosafe: „Normalerweise würde diese Art der Operation eine Unterbrechung von mehreren Tagen für unseren Kunden zur Folge haben. Der Drohnenflug dagegen dauerte nur wenige Stunden und war genauso effektiv.“
Um diesen Meilenstein zu erreichen, hat Galinskis Team jahrelang Experimente durchgeführt, Modifikationen umgesetzt und zahlreiche Übungsflüge absolviert. Und auch nach der Optimierung der Technik stehen Flugdrohnen bei der Inspektion maritimer Strukturen vor großen Herausforderungen: „Bei der Untersuchung der Ladetanks großer Öltanker zum Beispiel müssen die Drohnen in völliger Dunkelheit etwa 30 Meter weit fliegen. Außerdem sind die Piloten von Tausenden von Tonnen Stahl umgeben – das bedeutet, dass nicht nur das GPS, sondern auch der Magnetkompass für die Positionsbestimmung der Drohne in der Regel nicht funktionieren“, bedauert Galinski und macht einen Vergleich: „Wenn Sie eine Drohne in Ihrem Garten mit aktivierter Positionserhaltungsfunktion fliegen, können Sie sie wegdrücken und sie kehrt automatisch dorthin zurück, wo sie vorher war. Auf einem Schiff kann jede plötzliche Eingabe dazu führen, dass die Drohne instabil wird und der Pilot ihre Position manuell korrigieren muss.“
Käfig um die Drohne sorgt für Schutz
Bei einer Offshore-Inspektion manövrieren die Piloten die Drohne in einer Entfernung von bis zu 180 Metern entlang der Stahlstrukturen – ebenfalls eine echte Herausforderung. „In einer solchen Umgebung ist der Wind der größte Risikofaktor. Wir haben die ‚DJI Phantom-Drohne‘ für die ‚Safe Scandinavia‘-Aktion gewählt, weil sie mit einem Käfig ausgestattet werden kann“, betont Alba. „Der Schutz der Drohne war wichtig, da wir sie in der Nähe von Hindernissen wie Ankerketten und Drähten betrieben. Hinzu kommt, dass dieses Modell in einen Rucksack passt, so dass man es bequem auch mit dem Hubschrauber zum Einsatzort auf hoher See mitnehmen kann“, freut sich Alba und betont: „Die erfolgreiche Aktion hat gezeigt, dass unsere Drohne der großen Herausforderung gewachsen ist: Sie hat nämlich nicht nur wertvolle Ergebnisse geliefert, sondern auch die Inspektion heil überstanden.“
Mit Blick auf die Zukunft erwartet Galinski, dass Drohnen die Aufgaben der Inspektion revolutionieren werden: „Ich bin überzeugt, dass wir die Einführung komplett autonomer Drohnen erleben werden. Dies würde viele neue Möglichkeiten eröffnen. Sie könnten zum Beispiel in Räumen operieren, in die der Mensch nicht eindringen kann.“
Dazu müsste die autonome Funktionalität allerdings noch weiterentwickelt werden: „Im Freien lässt sich eine vordefinierte Flugbahn mit Hilfe eines GPS-Signals verfolgen. Aber für enge Stahlstrukturen wie in einem Schiffsrumpf müssen wir noch einen alternativen Ansatz finden“, hofft Galinski.
In einem gemeinsamen Forschungsprojekt arbeiten DNV GL und die norwegische Universität Trondheim bereits an einer autonomen Drohne. Galinski geht davon aus, dass schon in naher Zukunft die ersten selbstständigen Untersuchungen beispielsweise von Komponenten in explosionsgefährdeten Bereichen durchgeführt werden können. Sein Fazit: „Während die Drohneninspektion vorerst noch eine Nische bleibt, werden fortschrittlichere Modelle mit Fähigkeiten der Künstlichen Intelligenz die Schiffsbesichtigungen deutlich verändern. Wir wollen darauf vorbereitet sein.” bo