Kranhersteller setzt auf Schiffsantriebe
Die Liebherr-Sparte Components und Sandfirden Technics haben eine Kooperation vereinbart. Das Ziel: die Entwicklung von Schiffsantriebssystemen auf Elektro-Diesel/Gas-Basis.
Im Bereich maritimer Hebetechnik, darunter Schiffs-, Offshore- und Hafenmobilkrane, bringt der Liebherr-Konzern seit Jahren erfolgreich hybride Antriebe zum Einsatz. Dieses Know-how möchte der Kranhersteller künftig auch auf Schiffen einbringen. „Angesichts verschärfter Umweltvorschriften und -anforderungen in der Seeschifffahrt sowie unserer einschlägigen Erfahrungen denken wir mit dem bestehenden und sich in der Entwicklung befindenden Liebherr-Portfolio dieses Marktsegment abdecken zu können“, begründet Peter Heuvelman, Leiter Business Unit Elektrische Antriebs- und Steuerungstechnik in der Liebherr-Components Biberach GmbH, die Ausweitung des Anwendungsfeldes. Umfangreiches Expertenwissen und praktische Erkenntnisse aus dem maritimen und Mining-Bereich seien sehr anwendungskompatibel für hybride Schiffsantriebe, „zumal die erforderlichen Leistungsbereiche auf kleinen und mittleren Schiffen sehr gut zu unseren Komponenten und Systemlösungen passen.“
Heuvelman betont, dass die aktuelle Hybrid-Technik von Liebherr grundsätzlich auf Verbrauchseffizienz und sinnvolle Leistungsdichte ausgelegt ist. Diese Anforderungen gebe auch das maritime Segment vor. Dennoch sind die Systemlösungen nicht Eins-zu-Eins übertragbar. Modifizierungen und Leistungserweiterungen werden auf die in der Schifffahrt notwendigen Parameter zugeschnitten. Das schließe die Abnahme der Aggregate durch die Klassifikationsgesellschaften ein. Nach Angaben des Liebherr-Managers konzentriere man sich derzeit auf Offshore-Versorgungsschiffe, größere Fähren sowie Küstenmotor- und Binnenschiffe. Die Leistungsbreite reicht von einigen hundert Kilowatt (kW) bis hin zu 8000 bis 10.000 kW.
Gesamter Antriebsstrang aus einer Hand
„Die angebotenen Lösungen für hybride Schiffsantriebe zeichnen sich vor allem durch einen optimierten Gesamtstrang aus, von der Erzeugung bis zur Speicherung und Abgabe elektrischer Energie“, erläutert Heuvelman. Die Verwendung intelligenter Power-Management-Systeme trage zudem zum optimalen Einsatz der jeweiligen Stromerzeuger bei und sichere so eine kosteneffektive Lebensdauer. Liebherr liefert für die kompletten Antriebssysteme unter anderem Schaltanlagen, Generatoren, Elektromotoren, Frequenzrichter-Technologie und das gesamte Power-Management. Ein Bedienpanel mit Visualisierung aller relevanten Betriebsdaten sowie eine elektrische Speichereinheit ergänzen das Equipment.
Niederländer als erster Ansprechpartner
Ausschlaggebend gewesen für die Zusammenarbeit mit Sandfirden Technics ist laut Heuvelman die langjährige Präsenz des niederländischen Spezialisten für Gas- und Diesel-Generatorensets auf dem maritimen Parkett. „Die Produkte von Sandfirden Technics gepaart mit unseren Komponenten und unserem Know-how gewähren uns einen weiteren Zugang zum Markt. Somit können wir den Kunden moderne, wirtschaftliche Gesamtlösungen bieten.“ Im Rahmen der eingegangenen Kooperation übernehmen die Holländer die Rolle des ersten Ansprechpartners und stellen für Interessenten ein komplettes System aus einer Hand bereit. Vorgesehen und „von beiden Seiten gewünscht“ ist, dass „im Nachgang der Kooperation“ die Liebherr-Komponenten auch eigenständig vermarktet werden. Ergo wird Liebherr zu einem späteren Zeitpunkt auch unter eigenem Label elektrische Antriebssysteme anbieten und liefern.
In der technologisch-strategischen Partnerschaft mit Sandfirden Technics ist auch vereinbart worden, die Entwicklung hybrider Schiffsantriebssysteme voranzutreiben. „Das Thema Effizienz spielt dabei eine entscheidende Rolle“, sagt Heuvelman. Zwar seien die Einzelkomponenten von Liebherr bestmöglich aufeinander abgestimmt. Aber es gebe spezifische Erfahrungen im Schiffsantrieb, die einzukalkulieren sind. Beispielsweise könnten am Schiffspropeller entstehende Probleme direkt nur geringe Wirkung haben, dafür jedoch am Generatorset zu unerwünschtem Betriebsverhalten führen. Das mache es zwingend erforderlich, das System in seiner Gesamtheit zu betrachten. Hierzu setze Liebherr moderne Simulationsverfahren ein.
Saubere Schifffahrt ohne fossile Treibstoffe
Liebherr sieht in hybriden Systemen einen wesentlichen Schritt auf dem Weg hin zu einer Schifffahrt, die komplett unabhängig von fossilen Treibstoffen arbeitet. „Mit der Umsetzung vollständig elektrifizierter Antriebe wird die Grundlage für das Eliminieren der Verbrennungskraftmaschinen auf Schiffen geschaffen“, zeigt sich Heuvelman überzeugt. In Kombination mit entsprechenden Produkten, ob Batteriesysteme oder Kondensatorspeicher, werde es möglich sein, alternative Stromerzeugungsansätze zu verfolgen. Umso mehr habe es für das Unternehmen elementare Bedeutung, den Antriebstrang bereits zu beherrschen, um damit die Grundvoraussetzungen für eine verbrennungsfreie Schifffahrt zu generieren.
Aus Hybrid-Systemen Lehren ziehen
Das Ziel von „Zero Emission“ im Kurzstrecken-Fährbetrieb verfolgt bereits seit einigen Jahren konsequent die Ostsee-Reederei Scand lines. Dabei setzt das Unternehmen ebenfalls in der ersten Etappe auf Hybrid-Technik und erhofft sich daraus „grundlegende Kenntnisse über den Einsatz von Batterien im Fährbetrieb“, sagt Scandlines-Chef Søren Poulsgaard Jensen. Der mittlerweile auf sechs Schiffen eingesetzte Diesel-Batterie-Antrieb speichert überschüssige Energie von den Dieselmotoren in Batterien. Dadurch ist es möglich, dass die Aggregate auch bei langsamer Fahrt oder in Liegezeiten unter optimaler Last laufen. Das Batteriesystem liefert zusätzliche Energie, wenn diese im Schiffsbetrieb benötigt wird. Die Speicherkapazität an Bord reicht zudem aus, um das Schiff für 30 Minuten ohne Dieselkraftstoff betreiben zu können. Gegenüber dem früheren konventionellen Antrieb werden mit dem System bis zu 15 Prozent der CO2-Emissionen eingespart. Auf See verhindern Scrubber (Abgaswäscher) den Ausstoß von Schwefeldioxid. tsch/bre/ger