Neuer Hafen fern der Heimat: Protestwelle rollt auf Meyer Werft zu

Die Meyer Werft ist ein Paradebeispiel für den schmalen Grat zwischen gut gemeinter Wirtschaftsförderung und fragwürdiger Subvention auf Steuerzahlerkosten. Mit seiner Angst vor mehr Mitbestimmung droht der Konzern nun auch Förderer zu vergrätzen.

Was sorgt für den Ärger?

Das Mutterunternehmen der Meyer Werft verlagert seinen Firmensitz aus Rostock nach Luxemburg. Das Unternehmen räumt ein, dass das geschehe, um damit einen Aufsichtsrat und dessen Mitbestimmungsrechte für die Arbeitnehmer zu umschiffen. Nach Lesart des Konzerns ist das nötig, um den "mörderischen weltweiten Konkurrenzkampf" in der Branche zu überleben. Der Schritt sorgt aber für Ärger, weil sich die Politik, der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall überrumpelt fühlen. Sie sind sauer und sehen die Atmosphäre der Zusammenarbeit vergiftet.

Wie argumentiert das Unternehmen?

Es sagt: "Die Meyer Werft ist seit 220 Jahren ohne Aufsichtsrat erfolgreich gewesen und soll es auch zukünftig sein." Ein solches Gremium wäre aus Sicht des Konzerns womöglich hinderlich beim Ringen um die wichtigen internationalen Großaufträge. "Ein großer Vorteil unserer Unternehmen ist, schnell und flexibel entscheiden zu können. Dieses lässt ein Aufsichtsrat nicht zu", argumentiert die Gruppe.
Ohnehin hätte ein Aufsichtsrat - so sieht das die Arbeitgeberseite - keine Vorteile für die Arbeitnehmer, da das Familienunternehmen am Ende sowieso den Kurs bestimme. Die Verlagerung beschneide zudem auch keine bestehenden Mitbestimmungsrechte. Auch spare man keine Steuern.

Was genau will die Werftengruppe denn umgehen?

Laut Mitbestimmungsgesetz muss es in bestimmten Unternehmen, die mehr als 2000 Mitarbeiter haben, einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat geben, in dem die Arbeitnehmer mitbestimmen. Das gilt unter anderem für die Rechtsform GmbH - und darin firmierte die Meyer-Mutter Meyer Neptun bisher im Inland. Jedoch hat die Arbeitnehmerseite in solchen Kontrollgremien kein Blockaderecht. Bei Stimmengleichheit erhält die Eignerseite einen Joker. Zuletzt zählte allein der Standort Papenburg mehr als 3000 Arbeitsplätze. Ein Aufsichtsrat fehlte aber trotzdem.

Ist Meyer mit der Verlagerung nach Luxemburg ein Einzelfall?

Nein. Schon 2011 hielt die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung fest, dass die Zahl der Unternehmen hierzulande mit einer ausländischen Rechtsform wächst - um der erweiterten Mitbestimmung zu entgehen. Der Drogerieriese Müller gehörte demnach beispielsweise ebenso dazu wie Air Berlin, H&M oder Kühne+Nagel. Den Weg dazu hatte der Europäische Gerichtshof geebnet. Er erlaubte, dass deutsche Unternehmer heimische Aktivitäten auch unter das Dach ausländischer Firmen stellen dürfen.

Was konkret bewirkt der Wechsel ins Ausland bei der Werft?

Betroffen ist nur die Mitbestimmungsvorgabe für einen Aufsichtsrat, nicht aber die betriebliche Mitbestimmung, für die auch weiterhin das Betriebsverfassungsgesetz gilt, das nicht ans Unternehmen und dessen Rechtsform geknüpft ist, sondern direkt an den jeweiligen Betrieb.

Doch warum ist der Protest nun gerade bei der Meyer Werft so stark?

Das Unternehmen profitierte an seiner Keimzelle Papenburg erheblich von der Politik. Die macht sich quer durch Regierungsbündnisse und Parteien seit Jahrzehnten stark für die emsländische Werft. Größter Zankapfel dabei sind die Veränderungen der Ems. Die Lebensader der Werft wurde immer wieder ausgebaggert und schiffbar gemacht für die Überführungen der Luxusliner - mit Steuergeld. Die Natur litt sehr. Doch das System läuft, auch unter der jungen Regierung aus SPD und Grünen. Mit der unerwarteten Verlagerung nach Luxemburg gibt es nun aber ganz neue Töne aus der Politik. Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) ist verärgert und sagt: "Auf jeden Fall hätte ein Weg beschritten werden müssen, den man mit allen Beteiligten bespricht." Thomas Gelder, Chef der IG Metall Leer-Papenburg und bis vor kurzem Betriebsratschef der Meyer Werft, sieht in dem Vorgehen des Konzerns einen Kulturbruch.

Um welche Summen geht es bei der Unterstützung?

Vom Ausbaggern der Ems zwischen Papenburg und Emden profitiert vor allem die Meyer Werft. Die Arbeiten an der Flusstiefe verschlangen allein in den vergangenen zehn Jahren mindestens 188 Millionen Euro Steuergeld. Und da das Ausbaggern für die Kreuzfahrtgiganten nicht mehr ausreicht, hilft inzwischen ein Aufstauen des Flusses mit dem Emssperrwerk. Es kostete das Land rund eine Viertel Milliarde Euro. Das Bollwerk hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als doppelt so oft der Schiffsüberführung gedient als dem Schutz vor Sturmfluten. lni

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