Neues Leben auf alter Werft

50 Jahre auf dem Schlitten: Schlepper „Schwartenbek“ steht für einen hoffnungsvollen Werft-Neustart, Foto: Oldenburg
Deutschlands Werftenlandschaft ist trotz des Aderlasses in den vergangenen zwei Jahrzehnten weiterhin vielseitig. Ein Beispiel dafür ist die Schiffswerft Otto Eberhardt in Arnis an der Schlei.
Das mittelständische Unternehmen will sich wieder vermehrt auch der Berufsschifffahrt zuwenden. Dabei war der Betrieb bereits vor einigen Jahren geschlossen worden. Das attraktiv gelegene Grundstück sollte nach Abriss der alten Werksgebäude für die Errichtung einer großen Ferienwohnanlage umgewidmet werden. Doch diese Pläne sind vom Tisch.
Kürzlich steuerte der knapp 28 Meter lange, 1968 gebaute Schlepper „Schwartenbek“ (IMO 8865652) der Reederei Küstendienst die Werft an. Der Anlass: Durchführung von wichtigen Arbeiten am Unterwasserschiff in der witterungsgeschützten großen Schiffbauhalle. Das Unternehmen mit Sitz in Holzdorf (Landkreis Rendsburg-Eckernförde) hat sich auf die Durchführung von unter anderem Seeverschleppungen, der Suche und Bergen von Unterwasserhindernissen, Transporten von Sand und Steinen bis 620 Tonnen und vielen weiteren Dienstleistungen ausgerichtet. Dafür steht eine aus insgesamt fünf Einheiten bestehende Spezialflotte von Schlepp- und auch Schubfahrzeugen sowie drei Arbeitsplattformen für unterschiedliche Aufgaben zur Verfügung.
Neben der Firma Küstendienst kommen Werftkunden auch aus dem benachbarten Kappeln, wo gleich mehrere Fahrgastschiffe beheimatet sind und somit regelmäßig eine qualifizierte technische Werftbetreuung benötigen. So liefen beispielsweise die beiden Schiffe der Reederei Gerda Müller im Falle von Routinearbeiten zuvor Werften im dänischen Marstal oder in Rostock an. Das aber bedeutete auch: vergleichsweise lange „Leerfahrten“ hin und auch wieder zurück. „Da es sich bei unseren Einheiten um Binnenschiffe handelt, mussten wir jedes Mal eine Sondergenehmigung beantragen“, berichtet Finn Müller, Kapitän und Junior-Chef der Reederei Müller, dem THB. Die Überführungsfahrten über die Ostsee zu den Werften durften beispielsweise nur bis zu Windstärke drei und ablandigem Wind angetreten werden. Zudem musste die Reederei bei diesen Transfer-Reisen auch noch bei den vorgeschriebenen Rettungsmitteln kurzfristig nachrüsten. „Das war alles mit viel Aufwand und Kosten verbunden“, fasst Müller zusammen. „Für uns ist es daher eine Sensation, dass wir wieder hier in Arnis in die Werft gehen können.“
Die letzten Inhaber der Werft, die Brüder Alfred und Manfred Eberhardt, hatten bereits einen Investor gefunden, der auf dem attraktiven Gelände eine Wohnanlage mit 52 Einheiten errichten wollte. Doch die Verhandlungen zogen sich länger hin als gedacht, zudem standen viele Arnisser Bürger dem Vorhaben eher skeptisch gegenüber. Ende 2017 ergab sich dann schließlich eine neue Lösung: Henning Eberhardt, Neffe der Vorbesitzer, übernahm die brachliegende Werft und entwickelte zusammen mit Vater und Mitgeschäftsführer Peter viele neue Ideen, um den Betrieb über das reine Reparaturgeschäft hinaus fortzuführen.
So sollen auf der Werft künftig auch Hausboote und Schwimmstege entstehen. Zudem sollen die Anlagen Stück für Stück modernisiert werden. Derzeit wird der Wagen der zweiten großen Slipanlage im Außenbereich erneuert und dabei vergrößert. Hier können dann bis zu 70 Meter lange Schiffe bearbeitet werden. bo/EHA
„Für jede Fahrt zur Werft eine Sonder- genehmigung“