Preisverfall bei Cruise-Neubauten ab 2023

Profitierte in den zurückliegenden 15 Jahren intensiv vom Boom der Cruise-Branche: die Meyer Werft, Foto: Meyer Werft

Jörg Heidelberg: Intelligente Lösungen statt Parolen gesucht, Foto: Meyer Werft
Die Meyer-Werft-Gruppe zeichnet ein dramatisches Bild für die mittel- und längerfristigen Perspektiven all jener Schiffbauunternehmen und Zulieferer, die sich in den zurückliegenden Jahren auf das Kreuzfahrtsegment ausgerichtet hatten und damit auch erfolgreich waren.
Bis 2022 werde es weltweit „quasi keine Nachfrage nach neuen Schiffen geben“, lautet die Einschätzung des inhabergeführten Unternehmens mit Stammsitz Papenburg/Emsland. Damit nicht genug: Die Werft erwartet „dramatisch sinkende Schiffspreise“ für Lieferungen von Luxusschiffen ab 2023. Der entscheidende Grund für diese Entwicklung ist der De-facto-Stillstand der weltweiten Kreuzfahrtindustrie als Folge der Corona-Krise. Deren aktuelle Auswirkungen zeigen sich in zwei markanten Erscheinungen: Zum einen wird inzwischen durch die verschiedenen Reedereien beschleunigt ältere Cruise-Tonnage ausgesteuert, die entweder direkten Kurs auf Abbrecher nehmen oder die in der Schlussphase ihres Schiffslebens noch einmal als Hotelschiff zum Einsatz kommen. Es handelt sich dabei um Schiffe, die ohne den Corona-Effekt weiterhin in Fahrt geblieben wären. Ein prominentes und aktuelles Beispiel dafür ist die „Astor“, die ein Fall für den Schneidbrenner wird. Das markante, einst bei HDW gebaute Passagierschiff war vor allem bei deutschem Kreuzfahrtpublikum beliebt.
Die zweite Stellschraube, an der viele Kreuzfahrtreedereien derzeit drehen, ist die Ausgestaltung der Reisen. Diese finden derzeit praktisch nur noch als reine „Seereisen“ statt, bei denen die Passagiere auf Landgänge verzichten müssen. Diese sind aber für viele das Salz in der Suppe, zumal bei Cruise-Newcomern. Für langjährige Kreuzfahrt-Gäste erscheint hingegen die reine Fokussierung auf die Seefahrt in einem angenehmen Bordumfeld, zudem mit einer deutlich geringeren Anzahl von Reisenden aufgrund der Corona-bedingten Obergrenzen bei der Auslastung, als durchaus attraktiv. Solche Touren werden von renommierten Anbietern als „Panorama-Fahrten“ oder auch „Blaue Reisen“ beworben. Das Problem aber bleibt: Die sehr teuren Schiffe sind nur teilausgelastet, damit erscheint ein wirtschaftlicher Betrieb als sehr schwierig. Und: Aufgrund der massiven Einschränkungen im weltweiten Luftverkehr sind die in der globalen Kreuzfahrt bislang üblichen Vor- und Nachläufe der Passagiere mit dem Flugzeug, etwa von Europa in die Karibik oder nach Asien, derzeit gar nicht möglich. Strenge Einreise- und Quarantäne-Beschränkungen tun da ihr Übriges.
Die Meyer-Werft-Gruppe sieht sich selbst „unter erheblichem Druck“ in diesem dramatischen Marktumfeld. Und das hat für die Unternehmensführung auch Auswirkungen auf „die bezahlte Arbeitsleistung im nächsten Jahr“. Die werde, so teilte das Unternehmen jetzt mit, für die Stammbelegschaft und auch für Partnerunternehmen „um etwa 40 Prozent zurückgehen“.
Die Schiffbau-Gruppe, die in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich wuchs und damit auch immer wieder neue Mitarbeiter einstellte sowie umfangreich in die Aus- und Weiterbildung investierte, hatte noch in einem frühen Stadium der Corona-Krise durchblicken lassen, dass es auch zu Einschnitten in den Personalkörper kommen könnte. Jetzt heißt es aus der Firmenzentrale in Papenburg: „Wir bieten eine Beschäftigungssicherung für das Jahr 2021.“
Das Signal ging an die Mitarbeiter, den Betriebsrat, die Gewerkschaft IG Metall Küste und auch an die Politik. Denn die Werft ist für die eher strukturschwache Emsland-Region so etwas wie ein Ankerbetrieb. Das Signal hat indes einen klaren Hintergrund – und zwar die aktuell laufenden Verhandlungen mit Betriebsrat und Gewerkschaften über konkrete Zugeständnisse der Belegschaft mit dem Ziel, die Kosten wirksam zu senken. Doch diese Verhandlungen wurden jetzt von der Arbeitnehmer-Seite abgebrochen.
Das Werft-Management betont, dass bisher „weder beim Thema Weihnachtsgeld für 2020 noch bei den Gesprächen über das Urlaubsgeld 2021 oder bei anderen Maßnahmen zur Krisenbewältigung Einigkeit erzielt werden konnte“. Aus Sicht der Werftleitung ist der Abbruch der Gespräche durch die Arbeitnehmer-Seite „bedauerlich“. Das Management bekräftigt: „Um den Standort zu sichern, müssen wir unbedingt unser Einsparziel von 1,25 Milliarden Euro in Papenburg erreichen.“ Was daher dringend benötigt werde, seien „intelligente und differenzierte Lösungen. Parolen helfen hier nicht weiter“, betont etwa Jörg Heidelberg, Mitglied der Geschäftsleitung Produktion der Werft.
Diese sei nur „mit wettbewerbsfähigen Preisen“ in der Lage, auf dem absehbar noch schärfer umkämpften Weltmarkt „neue Aufträge gewinnen“ und damit auch den Standort und die damit zusammenhängende Beschäftigung zu sichern. Das Management weiter: „Die Argumentation der Gewerkschaft, dass nur durch die Kurzarbeit und den Abbau von Leistungen durch Partnerunternehmen zugunsten unserer eigenen Mitarbeiter die Beschäftigung gesichert werden kann, geht leider nicht auf. Der Anteil von Eigen- und Fremdleistung muss gleichmäßig reduziert werden.“ EHA