„Sitzen alle vor einem Scherbenhaufen“

Jetzt ist es offiziell: Bei der Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss (B+V) steht ein massiver Personalabbau bevor. Rund 300 Stellen sollen wegfallen.

Das kündigten Werft-Geschäftsführer Dieter Dehlke und B+V-Aufsichtsratsvorsitzender, Dr. Klaus Borgschulte, am Dienstagmorgen in Hamburg auf einer Betriebsversammlung des seit Herbst 2016 zur Bremer Lürssen-Gruppe gehörenden Unternehmens an. Gerüchte über einen Personaleinschnitt hatten die knapp 1000 Mitarbeiter bereits Ende vergangener Woche beunruhigt.

Die Betriebsversammlung war extrem gut besucht, berichtete Murat Acerüzümoglu, B+ V-Betriebsratsvorsitzender, nach der Versammlung den zahlreichen, vor dem Werkstor erschienenen Medienvertretern. „Ich schätze, dass in der Schiffbauhalle 9/10 sogar bis zu 1100 Kollegen da waren“, sagte Acerüzümoglu, der seit Juli 2016 den Betriebsrat führt und der Werft seit 1996 angehört. Auch zahlreiche Beschäftigte von Sub-Unternehmen, die für die Werft im Rahmen von Projekten arbeiten, waren offenkundig mit dabei, ergänzte der Arbeitnehmervertreter.

Der Betriebsrat war kurz vor der eigentlichen Betriebsversammlung über die wesentlichen Eckpunkte des Restrukturierungsprogramms informiert worden. Im Anschluss an die Versammlung nutzten er und Emanuel Glas, 2. Bevollmächtiger und Geschäftsführer der Gewerkschaft IG Metall, Region Hamburg, die Gelegenheit, um vor dem Werktstor im Beisein von mehreren 100 Mitarbeitern das Werft-Management massiv zu kritisieren. Tatsache sei, dass die Beschäftigten jetzt „für die Fehler ehemaliger Manager und noch aktiver Führungskräfte zu zahlen haben“, so Acerüzümoglu. „Leider sitzen wir jetzt alle vor einem Scherbenhaufen.“

Der Betriebsrat und auch die Gewerkschaft seien jedoch fest entschlossen für den Erhalt möglichst vieler Jobs zu kämpfen. Auch Glass stellte mit Blick auf die Werftleitung fest: „Sie werden hier nicht so einfach 300 Leute entlassen können. Das werden wir nicht zulassen.“ Statt einfach nur zu entlassen, könnten bewährte Arbeitsmarktinstrumente wie die Weiterqualifizierung von Mitarbeitern oder Kurzarbeiter-Regelungen genutzt werden, um akuten Auftragsmangel zu überbrücken. Dabei knüpfen Gewerkschaft und der Betriebsrat große Hoffnungen an den Marineschiffbau im Allgemeinen und verschiedene Bauabsichten zugunsten der Deutschen Marine im Besonderen.

Nach Darstellung der Muttergesellschaft, der Lürssen-Gruppe, befindet sich Blohm + Voss derzeit „in einem kritischen Zustand“, herbeigeführt durch „hohe Kostenstrukturen, versäumte Investitionen und einen zu niedrigen Auftragsbestand“. Erschwerend hinzu komme die schwache Auftragslage in Teilen des Reparaturgeschäfts als Folge eines insgesamt schwierigen Marktumfelds. Geschäftsführer Dehlke: „Wir stehen heute vor der enormen Herausforderung, den für das Unternehmen in den vergangenen Wochen entwickelten Maßnahmenkatalog zur Standortsicherung zeitnah umzusetzen und die Werft damit für die Zukunft bestmöglich aufzustellen. Dazu werden wir auf allen Ebenen zahlreiche strukturelle und organisatorische Anpassungen einleiten.“ Dort, wo es notwendig und sinnvoll sei, werde investiert, „um die Potenziale unserer Werft gezielt zu modernisieren und zu stärken“.

Den Neubau von Luxusyachten am Standort Hamburg soll es nicht mehr geben. Hingegen sei für die Hansestadt geplant, hier „den Schwerpunkt der gruppenweiten Refit-Aktivitäten für Yachten zu konzentrieren und damit den zivilen Bereich des Standorts zu stärken“. Zudem soll B+V unter der Systemführung von Lürssen „in Zukunft einen bedeutenden Beitrag zur Fertigung von Marineschiffen leisten“. Entsprechend solle der Bereich der Konstruktion als künftige Defence-Konstruktion ausgerichtet und unter eine gemeinsame Leitung mit der Bremer Defence-Konstruktion gestellt werden. Darüber hinaus seien Investitionen in die Fertigungsstrukturen geplant. Auf diese Weise sollen sollen die Bedingungen für wichtige Produktionsschritte im Neubau von Marineschiffen verbessert werden, „um vor allem für die geplante Beteiligung am Nachbau weiterer Korvetten der Klasse 130 für die Deutsche Marine optimal vorbereitet zu sein“. Bereits am heutigen Mittwoch sollen erste, vertiefende Gespräche mit dem Werft-Management über den Personalabbau beginnen. EHA

Zwei Standorte, zwei schlechte Nachrichten: Mehr als 400 Arbeitnehmern bei Blohm + Voss in Hamburg sowie bei der Lloyd-Werft in Bremerhaven droht der Job-Verlust. Die Ursachen sind vielfältig und nicht nur mit der aktuellen Schifffahrtskrise zu erklären. Die Hiobsbotschaften von Weser und Elbe fallen dabei in eine Zeit, da der deutsche Arbeitsmarkt in Top-Form verkehrt. Und dann gibt es ja noch die permanenten Ängs te vor einem drohenden Facharbeitermangel aufgrund des demografischen Wandels. Was tun? Eine Antwort heißt: Mit Besonnenheit und im Rahmen eines „Alle-Mann-Manövers“ die Probleme anpacken. Intelligente Arbeitsmarktinstrumente sind reichlich vorhanden. Merke: Was einmal an Jobs abgeschafft wurde, kommt auch nicht wieder. EHA

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