„Titanic“-Werft mit Schlagseite

Standort mit einer langen Tradition: Blick auf das weitläufige Areal der Werft Harland & Wolff in Belfast, Foto: Harland & Wolff
Ein bedeutendes Stück europäischer Schiffbau- und auch Schifffahrtsgeschichte ist mit dem Namen dieser Werft verbunden: Harland & Wolff (H & W) mit Sitz im nordirischen Belfast. Jetzt musste das 1851 gegründete Traditionsunternehmen Insolvenz anmelden.
Die aktuell verbliebenen, noch rund 130 Mitarbeiter sorgen sich um ihre persönliche Zukunft. Doch mit ihnen zittertern auch die Stadt und das Umland. Vor dem Eingangstor demonstrieren seit Tagen Arbeiter gegen die Schließung der berühmten Werft. Zu Hochzeiten war die Werft einst Arbeitgeber für mehr als 30.000 Beschäftigte.
Das nordirische Schiffbauunternehmen sei „zahlungsunfähig“, bestätigte jetzt ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Die momentane Schieflage ergab sich unter anderem deshalb, weil der aktuelle norwegische Eigentümer, das im Offshore-Segment schwerpunktmäßig tätige Unternehmen Dolphin Drilling AS mit Sitz in Tananger bei Stavanger, selbst mit schwerer See zu kämpfen hat und sich deshalb schon vor Monaten von der Werft im fernen Belfast trennen wollte.
Der norwegische Offshore-Spezialist hatte Ende Juni einen harten Sanierungskurs angekündigt und dabei zugleich sein Top-Management neu geordnet. Der Mitte der 1960er-Jahre gegründete Konzern, dessen Kerngeschäft die internationale Öl- und Gas-Exploration ist, disponiert nach eigener Darstellung aktuell unter anderem vier Bohrinseln und zwei Bohrschiffe.
Die Traditionswerft in Belfast hat unter anderem weltbekannte Schiffe wie die „Titanic“ gebaut, die noch während ihrer Jungfernfahrt am 15. April 1912 im Nordatlantik sank. Dabei starben 1514 der mehr als 2000 Menschen an Bord.
Die Belfaster Werft hatte zuletzt noch auf einen Großauftrag seitens der britischen Royal Navy gehofft. Es ging dabei um zwei neue Fregatten. Doch die eigenen finanziellen Ressourcen des Unternehmens reichten nicht mehr aus, um diesen und einen weiteren Auftrag entwicklungs- und auch werbetechnisch weiter aktiv voranzutreiben. Aber gerade im frühen Projektstadium sind die seitens einer Werft zu leistenden finanziellen Vorleistungen generell nicht unerheblich. „Uns ist die Zeit ausgegangen“, kommentierte ein Werftsprecher gegenüber der DPA die Lage. Das Schiffbauunternehmen hatte zuletzt Millionenverluste geschrieben, der Umsatz war eingebrochen.
Nach Angaben von Gewerkschaften war neben dem Marine-Auftrag auch ein millionenschwerer Vertrag mit einem Energieunternehmen in Reichweite, wie das örtliche Nachrichtenportal „Belfast Live“ ergänzend berichtete. Forderungen nach einer Verstaatlichung blieben indes unerfüllt.
Harland & Wolff leistet neben dem Neubau auch Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten an Offshore-Plattformen.
In den zurückliegenden Jahrzehnten hatte das Industrieunternehmen wiederholt schwierige Phasen durchlebt, wurde zeitweise sogar verstaatlicht und dann wieder privatisiert. Das norwegische Unternehmen Fred. Olsen Energy hatte Ende der 1980er-Jahre die Mehrheit an der Werft erworben.
Ende April diesen Jahres wurde der langjährige Werftvorstand von Harland & Wolff kurzfristig abberufen. Auf Robert J Cooper, der das Amt seit Februar 2003 innehatte, folgte Ende April Jonathan Guest, der bis dahin als Director of Business Development and Im provement wirkte. EHA/dpa