100 Jahre Matrosenaufstand - Bundesweit Erinnerungsstücke gesucht

Sie hatten den Krieg satt, wollten ein besseres Leben und andere politische Verhältnisse: Mit einem Aufstand in Kiel leiteten deutsche Matrosen Anfang November 1918 eine revolutionäre Bewegung ein, die zum Sturz des Kaiserreichs und zum Ende des Ersten Weltkriegs führte. Zum 100. Jahrestag dieses Schlüsselereignisses in der deutschen Geschichte wollen Historiker und Filmemacher aus dem gesamten Bundesgebiet Erinnerungsstücke zusammentragen. Sie starteten dazu am Mittwoch einen Aufruf.

NDR und Arte wollen ein Dokumentardrama drehen mit dem Arbeitstitel "Novembersturm". Die Stadt plant eine Festveranstaltung am 3. November 2018 mit dem Bundespräsidenten, das Stadtmuseum eine Ausstellung und das Theater eine Opernaufführung.

Die Initiatoren suchen Exponate wie Fotos oder Postkarten, die persönliche Eindrücke von dem Matrosenaufstand wiedergeben. Im Internet ersteigerten sie schon einige historische Postkarten. Unter dem Datum 5.11.1918 schrieb ein Matrose namens Rudolf seiner Freundin in Thüringen: "Wir streiken alle, unsere Offiziere haben wir festgenommen ... Hoffentlich können wir bald zum Frieden schreiten." Die Soldaten der kaiserlichen Marine waren aus dem ganzen Reich gekommen. Schon während der Revolution setzten sich viele in ihre Heimat ab und nahmen womöglich persönliche Erinnerungsstücke mit.

Die Quellenlage sei ungeheuer schwierig, sagte Museumsleiterin Doris Tillmann. Es fehlten besonders Belege dafür, wie die Revolution von Kiel ins ganze Reich getragen wurde. Von den Kieler Ereignissen gebe es fast keine authentischen Fotodokumente, berichtete der Leiter des Stadtarchivs, Johannes Rosenplänter. Ein Pressefotograf war offenkundig nicht anwesend; die Pressefotografie steckte ohnehin noch in den Kinderschuhen.

Lange umstritten

Der historische Rang des Matrosenaufstandes - Meuterei oder revolutionäres Ereignis - war lange umstritten. Der Freiburger Historiker Jörn Leonhard spricht von einem Fanal für einen Prozess, der in atemberaubendem Tempo in die Revolution mündete. "Das war ein entscheidender Moment im Übergang vom Krieg zum Frieden und zu einem Systemwechsel", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es sei nicht nur um Beschwernisse von Matrosen gegangen, sondern auch um soziale und politische Forderungen. Der Aufstand habe zudem gezeigt, wie ausgehöhlt die Legitimation des Kaiserreichs Ende 1918 war.

Zugleich habe sich eine tiefe Entfremdung zwischen einfachen Matrosen und privilegierten Offizieren geoffenbart, sagte Leonhard. "Die Matrosen konnten zwar nicht wissen, dass im Zuge ihres Aufstandes die Novemberrevolution ausbrechen wird." Aber die Ereignisse von Kiel hätten sehr viel mehr bedeutet als nur einen letzten Aufstand von Matrosen, die sich nicht mehr sinnlos für den Kaiser opfern wollten.

"Es bündelten sich in diesem Moment interne deutsche und systembedingte Konflikte, was den besonderen Stellenwert dieses Ereignisses ausmacht." Die Matrosen hätten ein starkes Bewusstsein dahingehend gehabt, dass ihr Handeln mit Systemfolgen verbunden war. Am 9. November wurde die Republik ausgerufen, zwei Tage später beendete die Unterzeichnung des Waffenstillstands den Weltkrieg.

Revolutionären ein Gesicht geben

Auch die Filmemacher haben keine Zweifel am revolutionären Charakter. "Wir wollen den Revolutionären von einst Gesichter geben", sagte die verantwortliche Redakteurin Ulrike Dotzer vom NDR zu dem geplanten Dokudrama. "Wir wollen unterhalten und auf Höhe der Zeitforschung sein", meinte Regisseur Jens Becker. Die erste Drehbuchfassung sei fertig, der Spielfilmanteil betrage etwa zwei Drittel. Die Spielfilmszenen werden wohl hauptsächlich nicht in Kiel gedreht, sondern in Flensburg, wie Becker ankündigte. Dort noch vorhandene Straßenzüge passten besser zum alten Kiel von 1918. lno

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