Bilanzfälschung bei Beluga?
Die Ereignisse um die Bremer Beluga-Reederei überschlagen sich: Anteilseigner Oaktree prüft derzeit „erhebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten".
Am Donnerstag wurde Unternehmensgründer Niels Stolberg beurlaubt, „aus persönlichen Gründen", wie es zunächst hieß. Nun wurde bekannt, dass möglicherweise doch wirtschaftliche Aspekte hinter dem Schritt stecken, wie es bereits in der Branche vermutet wurde. Auf Anfrage bestätigte Oaktree am Freitag die Untersuchungen in Bezug auf Umsatz und Liquidität. „Bis zum Abschluss der Prüfung können wir die Sachlage aber nicht weiter kommentieren", sagte Sprecherin Tina Mentner.
Nach Informationen des THB könnte es sich bei den „Unregelmäßigkeiten" um fehlerhafte Bilanzierungen und nicht ausreichend aufgeführte offene Verbindlichkeiten aus dem Jahr 2010 handeln. Die Beluga-Verantwortliche sollen im Zuge der Krise des Projekt- und Schwergutmarkts einen Teil fälliger Charterraten nicht überwiesen haben mit dem Versprechen, die Zahlung in diesem Jahr nachzuholen. Dieser Aspekt fehlt angeblich in der Reedereibilanz. Eine offizielle Bestätigung gibt es dazu allerdings nicht. Zu den Spekulationen passt auch, dass neben Stolberg einige weitere leitende Angestellte das Unternehmen verlassen mussten. „Es gab Veränderungen im Managament, und es wird weitere geben", bestätigte Mentner. Unter anderem wurde Jörg Röhl als neuer Director Sales eingesetzt. Neuer Interims-Geschäftsführer ist der Schotte Roger Iliffe. Zum Finanzvorstand wurde Michael Maynard ernannt.
Laut Radio Bremen hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile Vorermittlungen gegen Stolberg eingeleitet. Sie prüft, ob ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Die Anzeige soll der Finanzinvestor Oaktree gestellt haben. Der erhebt offenbar den Vorwurf, dass er nicht richtig über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens informiert worden sei.
Die Ursache für die wirtschaftliche Misere der Reederei liegt offenbar in einer falschen Einschätzung der Marktentwicklung. Stolberg hatte in der jüngsten Vergangenheit Schiffe im Gesamtwert von rund einer Milliarde Euro bestellt. Er setzte darauf, dass der Trend im Schwergutsegment wieder nach oben zeigen würde und schloss dafür sehr hohe Charterverträge ab, die Beluga jetzt offensichtlich nicht mehr zahlen kann. Zur Finanzierung der Neubauten holte er im Juli 2010 den US-Investor Oaktree ins Unternehmen.
Unterdessen führt Oaktree bereits erste Sanierungsgespräche mit Banken, Gläubigern und Anteilseignern. Sie verliefen in „guter Atmosphäre", ein Ergebnis könne aber noch nicht mitgeteilt werden, so die Sprecherin weiter. Beluga soll knapp 57 Millionen Euro Schulden haben. Der Investor misst nach eigenen Angaben den Fortbestand von Beluga als „globaler Marktführer" oberste Priorität ein. Oaktree wolle die Reederei stabilisieren und stärken und auf keinen Fall aufgeben, versicherte Mentner. Allerdings wird es zukünftig eine Konzentration auf das Kerngeschäft der Schwergutschifffahrt geben. Nach Angaben von Hermann Dambach, Deutschland-Chef bei Oaktree, soll am Bau des in Polen bestellten Offshore-Installationsschiffes festgehalten werden. Offen ließ er aber, ob wie ursprünglich geplant eine ganze Flotte von Spezialschiffen folgen soll.