Bundeskanzlerin bei Doppeltaufe

Vor 60 Jahren - am 7. Juni 1948 - erließ der Oberbefehlshaber der Sowjetischen Militäradministration, Wassilij D. Sokolowski, einen folgenschweren Erlass. Mit dem Befehl 103 ordnete der Statthalter Stalins in der sowjetischen Besatzungszone die Gründung dreier Werften in Stralsund, Wolgast und Damgarten an. Das Ziel war «die Sicherstellung der Erfüllung des Planes zum Bau von Fischereischiffen zur Hebung des Fischfangs», wie es in dem historischen Dokument heißt. Die sowjetischen Besatzer steckten einen engen Zeitplan und - wie sich später zeigte - völlig unrealistische Produktionsziele. Bereits im Januar 1949 sollte die Stralsunder Volkswerft die Produktion von 100 Loggern jährlich aufnehmen. Acht Tage nach Bekanntgabe von Befehl 103 wird die Volkswerft ins Handelsregister eingetragen. Für die Wolgaster Peene-Werft ist der 20. Juni als Gründungstag festgesetzt.
Die Schiffe, die von 1949 an auf den Werften produziert wurden, kamen nicht - wie der russische Befehl suggerierte - der Hunger leidenden deutschen Bevölkerung zugute. Der überwiegende Teil der Kutter, Küstenmotorschiffe und Logger ging in dem Anfangsjahrzehnt als Reparationsleistung in die damalige UdSSR. Allein die Stralsunder Werft produzierte 1950 von 50 Loggern 43 für die sowjetischen Besatzer. Heimathäfen der Fischfangschiffe waren Wladiwostok, Murmansk, Cherson, Riga oder Klaipeda. Nur sieben Schiffe wurden im gleichen Jahr der in Rostock ansässigen Fischwirtschaft unterstellt.
Die Wolgaster Peenewerft legte 1951, sechs Jahre nach Kriegsende, das erste Marineschiff auf Kiel. In den Folgejahren spezialisierte sich die Werft als «Betrieb der Landesverteidigung» auf den Bau von Torpedoschnellbooten und Landungsschiffen für die Volksmarine und die Sowjetunion, während Stralsund sich auf Trawler konzentrierte.
Die Werften, die in den 60 Jahren ganz unterschiedliche Entwicklungen nahmen, sind seit fast einem Jahr mit ihren rund 2200 Mitarbeitern unter dem Dach der Hegemann-Gruppe vereint. Der Erwerb der Stralsunder Werft vom dänischen A.P.Moeller-Konzern habe die Werften-Gruppe insgesamt gestärkt, zieht Eigner Detlef Hegemann fast ein Jahr nach dem Zukauf eine positive Bilanz. Die Produktionspalette sei erweitert worden. Interessierte Reeder, die vor Jahrzehnten einen Frachter mit 800 Containerstellplätzen bestellten, orderten jetzt größere Schiffe auf der Volkswerft. «Der Kauf hat große Synergien gebracht.»
Insgesamt 36 Neubauaufträge mit einem Gesamtwert von knapp 1,5 Milliarden Euro - davon knapp eine Milliarde Euro auf der Stralsunder Werft - stehen derzeit in den Auftragsbüchern der beiden Werften, die damit bis 2010 ausgelastet sind. Allein sechs Aufträge über den Bau von 2500-TEU-Containerschiffen wurden nach der Hegemann-Übernahme für die Volkswerft akquiriert, wie Volkswerft-Geschäftsführer Bertram Liebler berichtet. Mit einer Doppeltaufe in Stralsund, zu der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 14. Juni erwartet wird, und einem Betriebsfest mit 2000 Gästen in Wolgast am 20. Juni soll das Doppeljubiläum gefeiert werden.
Kritikern, die mit dem Kauf der Stralsunder Volkswerft eine Schwächung der mit rund 880 Mitarbeitern kleineren Peene-Werft befürchteten, nahm Hegemann jetzt mit der Ankündigung einer 19 Millionen schweren Investition für den Bau einer neuen Marineschiffbauhalle den Wind aus den Segeln. Der Marineschiffbau mit einem aktuellen Auftragsvolumen von 50 Millionen Euro soll als wichtiges Standbein in Wolgast profiliert werden; für rund eine Million Euro wurden gerade die Unterkünfte für die Marinesoldaten aufgestockt. Mit der neuen Halle, die die Reparatur eines neuen U- Boot-Typs zulässt, will sich die Werft für neue Aufträge empfehlen.
Obwohl deutschlandweit die Schiffbauer im ersten Quartal 2008 mehr Aufträge in ihre Bücher genommen als Schiffe abgeliefert haben, stellen sich die Hegemann-Werften auf einen abschwächenden Schiffbauboom ein. «Die großen Spitzen mit drei Jahren Vorlaufzeiten sind vorbei», sagte der Kaufmännische Vorstand Dieter Stehr. Vor allem im Spezialschiffbau wollen sich die Werften weiter profilieren.

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