Chaos bei Fährunglück

Nach dem schweren Fährunglück vor der philippinischen Küste wurden am Montag noch fast 800 Menschen vermisst. Nach Angaben der Küstenwache wurden bislang 57 Passagiere und Besatzungsmitglieder gerettet. 20 Todesopfer sind inzwischen bestätigt. Bei 14 weiteren Leichen ist noch nicht klar, ob es sich um Passagiere der «Princess of the Stars» handelte. An Bord der Fähre waren nach Angaben des Eigners Sulpicio Lines 862 Menschen, darunter 81 Kinder. Die «Princess of the Stars» war am Samstag in den Taifun «Fengshen» geraten, auf Grund gelaufen und in Sichtweite der Küste von Sibuyan rund 300 Kilometer südlich von Manila gekentert.
Panik und Chaos beherrschten die letzten Minuten an Bord der «Princess of the Stars». Als der Kapitän das Anlegen der Schwimmwesten befahl, hatte das Schiff schon Schlagseite. Die ersten sprangen über Bord, doch Kinder und Alte verloren auf den regennassen Planken den Halt und schleuderten gegen die Geländer. Wer unter Deck war, hatte kaum Chancen. In Sichtweite des Strandes von San Fernando ragte nur noch der Rumpf des Wracks aus dem Wasser. Das Fährunglück könnte als eines der schlimmsten in die Seefahrtgeschichte eingehen. Das Inselreich der Philippinen führt einen traurigen Rekord mit 200 Unfällen im Jahr.
Die letzten Minuten an Bord beschrieb ein Putzmann aus der Besatzung, der es schwimmend an Land geschafft hatte. Er sprach von heftigen Orkanböen und strömendem Regen. «Viele sind gesprungen, aber viele blieben auch zurück», sagte Renato Lanorias im Lokalfernsehen.
«Die, die unter Deck waren, haben es wahrscheinlich nicht rausgeschafft.» Die Leiche einer alten Frau wurde an einer Schaumstoffmatratze festgebunden am Strand von San Fernando gefunden, daneben angespülte Schuhe und Taschen.
Verwandte der Vermissten versammelten sich im Hafen von Manila.
«Ich habe noch mit meiner Frau telefoniert, drei Minuten. Ich hörte die Leute im Hintergrund schreien. Sie sagte: Ich liebe Dich, dann war die Leitung tot», berichtete Junie Bigtas unter Tränen. «Ich hoffe weiter», sagte Rosita Casinello (34), deren drei Nichten und Neffen an Bord waren. Heidi Laurel (21) hämmerte vom Schmerz überwältigt auf den Tisch der Küstenwache ein. Ihre Eltern, drei Brüder und zwei Schwestern waren an Bord. «Wäre ich nur mitgefahren», schluchzte sie. «Dann wären wir wenigstens zusammen.»
Viele der Verwandten verlangten vor den Schaltern des Fährbetreibers Sulpicio Lines Antworten. Warum war die Fähre trotz Taifun-Warnung am Freitagabend ausgelaufen? Das wollte auch Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo wissen. Die Küstenwache ließ zunächst verkünden, große Schiffe seien solchen Stürmen gewachsen und dürften fahren. «Es stimmt nicht, wenn Sie behaupten, es gebe keine absoluten Verbote», herrschte die Präsidentin den Chef der Küstenwache an. Dann hielt sie ihm die Fährverkehrsrichtlinien unter die Nase: «Kein Schiff darf auf See sein, wenn am Abfahrtpunkt Sturmwarnung herrscht, außer, es sucht Schutz in einem Hafen.» Sie ordnete eine Untersuchung an.
Der Fährbetreiber Sulpicio war auch in das schlimmste Fährdesaster aller Zeiten verwickelt. Kurz vor Weihnachten 1987 sank die Fähre «Dona Paz» nach dem Zusammenstoß mit einem Öltanker. 4300 Menschen kamen ums Leben. 2004 starben 116 Menschen, als eine Fähre im Hafen von Manila nach einem Bombenanschlag muslimischer Terroristen sank.
Im April 2002 kamen wahrscheinlich mehr als zwei Dutzend Menschen bei einem Brand an Bord einer Fähre in den Zentralphilippinen ums Leben.
Im Dezember 1999 sank die überfüllte «Asia South Korea» und 51 Menschen ertranken. 1998 kenterte die «Princess of the Orient» in schwerer See vor Batangas und riss 150 Menschen in den Tod.
Die Philippinen bestehen aus mehr als 7000 Inseln, Fähren sind deshalb ein Hauptverkehrsmittel. Es gibt jede Menge Bestimmungen zur Verkehrssicherheit, doch werden viele mit Hilfe von Schmiergeldern umgangen. Eine japanische Kommission kam zu dem Schluss, dass an Bord vieler Schiffe Navigationsgeräte fehlen. An den Küsten gebe es weniger als 500 funktionierende Leuchttürme und -bojen. Als Unglücksursache gelten oft auch Überladung, überalterte Schiffe, schlechte Wartung, zu späte Wetterwarnungen und sogar unfähige Besatzungsmitglieder. Die Philippinen gelten zwar als kompetente Seefahrer-Nation; sie stellen die meisten Matrosen in aller Welt.
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Eine Überlebende führte ihre Rettung allerdings auf die Kompetenz der Seeleute zurück. Susan Lesbo saß mit anderen in einem kleinen Rettungsboot, das den meterhohen Wellen stundenlang hilflos ausgesetzt war. «Wir haben es nur geschafft, weil Seeleute an Bord waren, die unser Rettungsboot steuern konnten», sagte sie im Lokalfernsehen. «Wir haben alle zusammengehalten, weil wir wussten, dass wir stark sein mussten, um zu überleben», sagte ein anderer Geretteter, Jonathan Rendo, unter Tränen.

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