Dokumentation über "Blücher"

Die «Blücher» war ihr Schicksal: Vor 70 Jahren betraten Hunderte junger Matrosen die Planken des damals modernsten deutschen Kriegsschiffes. Bereits ein Jahr später, nach ihrem ersten Einsatz im Zweiten Weltkrieg, sank es als Wrack auf den Grund des Oslo-Fjordes, getroffen von norwegischen Granaten und Torpedos. Der Maschinengefreite Alexander Dietzsch schwamm im eiskalten Wasser um sein Leben und rettete sich mit letzter Kraft ans Ufer. Das Drama um den Untergang des Schweren Kreuzers «Blücher» vor genau 69 Jahren (9. April 1940) hat den Emder bis heute nicht losgelassen.

«Innerhalb von 50 Minuten gab es fast 1000 Tote», erinnert sich der 88-Jährige an das blutige Gefecht. «Wir krochen über Leichen an Deck - solche Anblicke vergisst man nie.» Danach rutschte er die Bordwand des gekenterten Schiffes hinab. «Das eiskalte Wasser traf mich wie ein Schlag.» Dietzsch überlebte die Tragödie und feiert seitdem jedes Jahr den 9. April: «Das ist mein zweiter Geburtstag.»  

Ranghöchster "Blücher"-Überlebender war nach dem mysteriösen Tod des Kommandanten Heinrich Woldag der damals 41-jährige 1. Offizier Erich Heymann. Er wurde am 1. Juli 1940 zum Kapitän zur See befördert. Sein Enkel Frank Binder ist Autor des am 9. April 1990 zum 50. Jahrestag des Untergangs erschienen Buches "Schwerer Kreuzer Blücher" und seit 2006 Chefredakteur der deutschen Schiffahrts-Zeitung "THB Täglicher Hafenbericht".  
  
   Der Mythos «Blücher» beschäftigt neben Dietzsch auch andere Überlebende der Besatzung, Historiker und viele Norweger: Für sie war die Versenkung des deutschen Kriegsschiffes eines der wichtigsten Ereignisse der neueren Geschichte. Die Schüsse der Festung Oscarsborg stoppten den Überfall Hitlers auf das neutrale Norwegen zwar nur für ein paar Stunden. Doch das reichte für die Flucht des Königs und der Regierung ins Exil nach England. Zugleich war diese erste Aktion gegen die Invasion ein Signal für den späteren Widerstand gegen die national-sozialistischen Besatzer.

Ironie des Schicksals: Die Norweger schossen mit 47 Jahre alten Geschützen der Firma Krupp auf das deutsche Schiff. Auch die Torpedos waren antiquiert. Den folgenschweren Befehl zum Feuern gab ein einsamer norwegischer Offizier. Er war von seinen Vorgesetzten abgeschnitten und handelte auf eigene Faust.

Minuziös dokumentierte Dietzsch jahrzehntelang alle Details der Tragödie. «Bis heute gibt es offene Fragen. Warum wurde das Schiff durch diese Enge mit der schwer bewaffneten Festung geschickt?». Es gibt Vermutungen, dass die Deutschen den Überraschungsmoment nutzen und möglichst schnell die norwegische Hauptstadt besetzen wollten. So waren Militärmusiker an Bord, ebenso Bahn- und Post-Fachleute sowie Gestapo-Beamte.

Aus Feinden von damals sind inzwischen Freunde geworden. Dietzsch und seine Bordkameraden hielten engen Kontakt, knüpften Verbindungen zu ihren damaligen Gegnern und besuchten auch die alte Festung. «Es gab keine Rache oder Hass. Wir merken, dass wir gut miteinander leben können», sagt der Veteran. 1990 war er erstmals seit dem «Blücher»-Untergang wieder am Oslo-Fjord. «Es war wie eine Befreiung: Ich habe es überlebt, und es ist alles gut überstanden.»

Seine Dokumentation über den Untergang übergab Dietzsch inzwischen dem Ostfriesischen Landesmuseum in Emden. Nach einem Schlaganfall wollte er damit nicht bis 2010, dem 70. Jahrestag der Versenkung, warten. Das Kapitel «Blücher» ist für ihn jedoch nicht ganz abgeschlossen. «Es gibt jedes Jahr weniger Zeitzeugen. Doch sie hinterlassen häufig historische Dokumente und Erinnerungen. Sie sollten für die Nachwelt aufbewahrt werden.»

Teilen
Drucken

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben