Dr. Oetker stellt wichtige Weichen - aber Fragen bleiben

Die "Bahia Blanca" - heute "Spitit of Singapore" - gehörte einst zu Flotte der eingecharterten Schiffe von Hamburg Süd. Der Mutterkonzern Oetker hat sich jetzt von der Schifffahrtssparte getrennt. Vorbehaltlich der ZTustimmung der Kartellbehörden wird der Verkauf an Maersk 2018 wirksam (Bild: Dietmar Hasenpusch)
Die Zukunft bei Dr. Oetker kann kommen - doch unter welchen Bedingungen? Bei den Bielefeldern ist eine seit Jahren umstrittene Personalfrage geklärt. Mit Albert Christmann (53) folgt zum ersten Mal ein familienfremder Manager auf einen Oetker an der Konzernspitze. Das teilte der Beirat (Aufsichtsrat) am Montagabend überraschend mit.
Damit lieferte das Familienunternehmen innerhalb von zwei Wochen neue Schlagzeilen. Für die ansonsten zurückhaltende Firma mit 125 Jahren Tradition eher ungewöhnlich. Denn vor der Personal-Entscheidung hatte Oetker - Deutschlands bekannter Markenanbieter für Pudding, Backpulver und Pizza - Anfang Dezember den geplanten Verkauf der Schifffahrtstochter Hamburg Süd im kommenden Jahr an einen dänischen Mitbewerber verkündet.
Sowohl die offene Leitungsfrage als auch der Verkauf der weltweit schwächelnden Containerschifffahrt gelten als Befreiungsschlag. Zwar fällt durch den Verkauf die Hälfte des Umsatzes von 12 Milliarden Euro weg. Aber der Erlös, über den Stillschweigen vereinbart wurde, soll im Lebensmittelbereich wieder investiert werden.
Christmann als Oetker-Eigengewächs hat in fast allen Unternehmensbereichen Erfahrung gesammelt und war schon länger für diesen Posten im Gespräch. Ambitionen wurden aber auch Alfred und Carl-Ferdinand Oetker nachgesagt. Alfred bleibt der Posten des stellvertretenden Vorsitzenden im Beirat.
Ältere Generation hat sich durchgesetzt
Offen bleibt, ob in diesem Gremium Einigkeit bei der Entscheidung für Christmann herrschte. Oetker-Sprecher Jörg Schillinger will das nicht kommentieren. Die Entscheidung gegen das Geschäft mit Containerschiffen und für einen familienfremden Manager an der Spitze deutet Beobachtern zufolge darauf hin, dass sich die ältere Generation in zwei entscheidenden Fragen durchgesetzt hat.
Und warum Streit der Generationen? Offizielle Antworten auf diese Frage gibt es nicht. Rudolf-August Oetker, der Enkel des Firmengründers, hinterließ bei seinem Tod 2007 acht Erben aus drei Ehen. Seine Kinder wurden von 1940 bis 1979 geboren. Zwischen den Halbgeschwistern liegen zum Teil fast 40 Jahre Lebenserfahrung - und zum Teil erhebliche Unterschiede bei Personal- und Strategiefragen.
Aus dem Umfeld des Konzerns heißt es, die älteren August und Richard Oetker stünden dafür, die Geschäfte immer wieder kritisch unter die Lupe zu nehmen. Nur aus Tradition etwas zu erhalten, sei nicht ihr Ansatz. Bei Personalentscheidungen bevorzugten sie die Devise: "Bei gleicher Qualifikation kann es ein Oetker sein. Muss aber nicht."
Fusion mit Hapag-Lloyd geplatzt
Laut Unternehmenskreisen wollen die Jüngeren wie Alfred Oetker lieber das Altbewährte bewahren. Seit dem Rückzug von August Oetker aus dem operativen Geschäft 2010 gab es deshalb immer wieder Streit. So platzte die Fusion von Hamburg Süd mit der größten deutschen Reederei Hapag-Lloyd. Ein Schiedsgericht musste in den Streit eingreifen.
"Konflikte um die Ausrichtung des Unternehmens bringen ein Unternehmen weiter, wenn Argumente ausgetauscht werden", sagt Nadine Kammerlander. Die Wissenschaftlerin leitet den Lehrstuhl für Familienunternehmen an der Otto Beisheim School of Management bei Koblenz. Problematisch wird es in ihren Augen, wenn sich ein Streit jahrelang hinzieht und Stammesfehden dahinterstecken.
Das wurde im Fall der Reederei beinahe gefährlich für den ganzen Konzern. Mit der ganzen Bandbreite von der Pizza bis zum Container galt Dr. Oetker unter Experten bereits als Exot. "Die verschiedenen Geschäftsbereiche haben einfach viel zu wenig miteinander zu tun", meinte der Berliner Wirtschaftswissenschaftler Georg Schreyögg Anfang Dezember zum angekündigten Verkauf der Reederei. Der Betriebswirtschafts-Professor an der Freien Universität Berlin kritisierte, dass Oetker bei der Hälfte des Umsatzes jahrelang zu viel Risiko auf eine Karte gesetzt hatte.
Spezifische Vorstandsstruktur
Ende Dezember muss Richard Oetker die Konzernleitung aufgeben. Christmann wird ihn dann beerben, auch wenn es ganz genau genommen diesen Posten offiziell nicht gibt. In der Führungsstruktur ist eine vierköpfige Gruppe für die Strategie und Ausrichtung verantwortlich. Nach offizieller Lesart hat keiner der vier eine herausgehobene Stellung und vertritt die verschiedenen Konzernbereiche.
Ernsthaft hat aber in der Vergangenheit niemand bezweifelt, dass die Verantwortlichen für das Stammgeschäft Lebensmittel - also in den vergangenen Jahrzehnten August und Richard Oetker - das Sagen hatten. Das dürfte wohl auch bei Albert Christmann so sein. (dpa)