«Eisenfresser» auf Abwrackwerften
Nach einem Sturm strandete 1960 an der Südküste von Bangladesch ein großes Schiff. Die Fischer aus der Umgebung der Metropole Chittagong begannen nach erster Ratlosigkeit, den Koloss mit bloßen Händen und einfachen Werkzeugen zu zerlegen. Vom Verkauf des Metalls konnten sie eine Zeitlang ihre Familien ernähren.
Aus dem Einzelereignis ist inzwischen ein Geschäftsmodell geworden, von dem allerdings nicht mehr die Arbeiter profitieren, sondern die Besitzer der zahlreichen Abwrackwerften, die sich mittlerweile angesiedelt haben. Ausgemusterte Tanker und Containerschiffe aus aller Welt werden gezielt auf den Strand gesetzt und von Tausenden von Arbeitern in Handarbeit zerlegt.
Man nennt diese Menschen, die zu einem großen Teil in den Dürremonaten aus dem Norden des Landes kommen, «Eisenfresser». Das ist auch der Titel des Films von Regisseur Shaheen Dill-Riaz, der im Jahr 2005 fünf Monate lang mit seiner Kamera bei den Arbeitern am Strand von Chittagong war. Die mehrfach preisgekrönte Dokumentation wird an diesem Dienstag (21.00 Uhr) bei Arte erstmals im Fernsehen gezeigt.
Dill-Riaz (40), selbst im Süden von Bangladesch aufgewachsen, drehte nach Kunststudium und Kameraausbildung in Berlin und Potsdam auch seinen dritten abendfüllenden Dokumentarfilm in seiner Heimat. «Ich wollte wissen, wer diese Menschen sind, die über Monate für einen Hungerlohn zu uns in den Süden kommen», sagt er in seinem Erzählkommentar aus dem Off. Dill-Riaz ist sein eigener Kameramann, Drehbuchautor und Sprecher. Was seine Protagonisten zu sagen haben, ist mit deutschen Untertiteln versehen.
Barfuss ziehen die Männer im kniehohen Schlamm die tonnenschweren Schiffsteile mit Seilen an Land. Seit 15 Jahren kommen die Kleinbauern Kholil und Gadu immer wieder zur Werft mit dem Namenskürzel «PHP». Die Buchstaben stehen für «Peace, Happiness and Prosperity» - Frieden, Glück und Wohlstand. Die Wirklichkeit hat mit diesem Namen wenig zu tun. Die privilegierten Ortskräfte dürfen mit Schweißgeräten die Stahlplatten durchtrennen, die Wanderarbeiter aus dem Norden verrichten die Knochenarbeit.
Die Kamera ist ganz dicht bei den Männern - während der Arbeit auf und in den turmhohen Schiffswracks und auch in den Wohnbaracken, in denen sie untergebracht sind. Die meisten der Wanderarbeiter werden Opfer eines Systems von Ausbeutung, das sie nicht nur um ihren Lohn bringt, sondern auch in die Schuldenfalle geraten lässt. Ihre Verpflegung bekommen sie von ortsansässigen Händlern, bei denen sie sich verschulden. Da ihnen die Kosten der Lebensmittel später vom Lohn abgezogen werden, haben einige am Ende nicht einmal genug Geld für die Heimreise.
Für den Regisseur waren die unglaublichen Arbeitsbedingungen und die zerstörerische Verwaltungsstruktur schlimm genug, doch: «Noch erschreckender ist für mich die Tatsache, dass die Regeln dieses ausbeuterischen Systems auf den Grundelementen des Wirtschaftssystems basieren, in dem wir alle leben.»