Fette Ketten am Haken

Der Schlepper "Torsten", Foto: Schramm Schleppschifffahrt

Die schwersten bislang vom Grund der Nordsee oder der Elbmündung geborgenen Ketten haben ein Gesamtgewicht von bis zu 185 Tonnen, Foto: Schramm Schleppschifffahrt
Der Schlepper „Torsten“ der Reederei Hans Schramm aus Brunsbüttel konnte kürzlich gleich zwei ausgerauschte Ankergeschirre vom Meeresgrund bergen.
Zunächst hatte auf der Tiefwasserreede südlich von Helgoland Anfang März 2018 ein Großcontainerschiff sein Ankergeschirr verloren. Neben dem 15,5 Tonnen schweren Anker lagen 13 Längen Kette (rund 358 Meter) mit einem Durchmesser von 107 Millimetern und einem Gesamtgewicht von 120 Tonnen auf dem Grund der Nordsee.
Nach Beauftragung durch den Reeder und eintretender Wetterverbesserung wurde der Schlepper „Torsten“ wenige Wochen später von Brunsbüttel zur Tiefwasserreede in Marsch gesetzt. Nach nur acht Stunden gelang es der Besatzung, das Ankergeschirr an den Haken zu bekommen. Wenig später wurde es mit der 80 Tonnen starken Ankerziehwinde an Deck genommen und in langen Buchten an Deck gestaut. Das Sichern der Kette erfolgte mit den im Deck versenkbaren, hydraulischen Sicherungsbolzen, den mit bis zu 200 Tonnen belastbaren so genannten Tow-Pins.
Die „Torsten“ wurde vom zur Schramm Group gehörenden Ingenieurbüro NavConsult entwickelt und 2011 in Istanbul gebaut. Sie ist ein vielseitiger und kräftiger Ankerzieh- und Mehrzweckschlepper mit einem Pfahlzug von mehr als 50 Tonnen, der über ein großes, freies Arbeitsdeck verfügt. Das Fahrzeug kann aufgrund seines geringen Tiefgangs von maximal drei Metern sowohl küstennah als auch offshore für Assistenzarbeiten auf Wasserbaustellen und in Windparks, als Ankerziehschlepper oder als Kabelleger-Begleitschiff eingesetzt werden.
Nachdem die Crew ihren Fang auf einen firmeneigenen Ponton im Brunsbütteler Elbehafen umgeladen hatte, musste sie gleich wieder für den nächsten Job auslaufen. Zum Hintergrund: Der Elbehafen (und mit ihm Brunsbüttel Ports) bildet den hafenseitigen Teil der vielseitig aufgestellten Schramm Group, während die Hans Schramm & Sohn Schleppschifffahrt die Reedereisparte der Gruppe vertritt.
Dieses Mal galt es, einen Anker mit einem Gewicht von „nur“ fünf Tonnen und eine dazugehörige 60-Millimeter-Kette mit zehn Längen (rund 275 Meter) und einem Gesamtgewicht von etwa 32 Tonnen aus dem Fahrwasser der Elbe vor Brunsbüttel zu fischen. In nur sechs Stunden konnte dieser Auftrag inmitten des stark befahrenen Reviers ausgeführt werden.
„Damit haben wir erneut bewiesen, dass unser Schlepper „Torsten“ die beste Wahl für eine schnelle und effiziente Ankerbergung ist, denn auch schon 2016 konnten wir mit ihm ein Ankergeschirr von rund 150 Tonnen Gesamtgewicht bergen“, berichtet Torsten Andritter-Witt. Er ist Geschäftsführer der Hans Schramm & Sohn Schleppschifffahrt. Wie er dem THB exklusiv weiter mitteilt, steht seine Spezialreederei mit diesem Geschäft im nationalen wie internationalen Wettbewerb, dabei habe sich jedoch „die Erfolgsquote unseres Schleppers vor allem bei sehr großen Ankergeschirren bei Reedereiagenten und Versicherungsgesellschaften herumgesprochen.“
Ursachen für den Verlust des Ankers oder auch der ganzen Kette seien die hohen Belastungen durch schlechtes Wetter, verbunden mit hohen Wellen, wenn ein Schiff vor Anker liegt, so Andritter-Witt. Hinzu komme in vielen Fällen Materialermüdung. „Aber auch ein Schaden an der Bremse der Ankerwinden kann ein Grund sein, dann rauscht meistens die komplette Kette zusammen mit dem Anker auf den Meeresboden.“
Für die dann anstehende Ankerbergung hält die Hans Schramm & Sohn Schleppschifffahrt ein spezielles Suchgeschirr, so genannte Chain Grapnels, mit Sicherheitslasten von 20 bis 150 Tonnen bereit. Der Grapnel wird zunächst in einem 90-Grad-Winkel zur vermuteten Richtung der ausgerauschten Kette über den Meeresbogen gezogen, bis er sich darin verhakt und aufgeholt werden kann. Hat diese Methode keinen Erfolg, fährt der Schlepper erst kleine, dann immer größer werdende Kreise, also eine Spirale, um die Kette zu finden. In der Regel kann dabei auf den Einsatz von Tauchern verzichtet werden.
In manchen Fällen gelingt es den Crews der Schiffe mit verlorener Kette noch, die Position mit einer Boje zu markieren, was die Suche natürlich erheblich vereinfacht.
„Selbst bei Wassertiefen von mehr als 75 Metern können wir so Anker und Ketten auf Grund der großen Stabilitätsreserven des Schleppers sicher bergen.“ Das Geschäft ist für das Unternehmen allerdings mit einem gewissen Risiko verbunden, erläutert Andritter-Witt: „Es handelt sich eigentlich immer um einen Versicherungsschaden, so dass die Versicherung für die Kosten der Bergung aufkommt. Die Bergung der Kette und Anker bieten wir meistens auf der Basis ‚no cure - no pay‘ an. Das bedeutet, dass wir nur bei erfolgreicher Bergung bezahlt werden.“
Der erzielte Bergelohn ist abhängig vom Gesamtgewicht des Geschirrs und der Position auf dem Meeresboden und wird dann auf der Basis Euro pro Kilogramm abgerechnet. „Die Spannbreite liegt zwischen 30 Cent und zwei Euro pro Kilogramm, es können aber auch Festpreise vereinbart werden“, rechnet der Geschäftsführer vor.
Grundsätzlich muss eine geborgene Kette mit Anker nicht unbedingt günstiger sein als ein neues Geschirr, jedoch verfügt die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes oft eine Bergung, damit sich nicht andere Schiffe beim Ankern in dem abgerissenen Geschirr verhaken. „Somit hat der Reeder keine Wahl, ob er sich neues Geschirr kauft und das abgerissene einfach liegen lässt oder die Suche beauftragt“, so Andritter-Witt abschließend. bo