Im Prozess um Bremer Beluga-Reederei ist kein Ende in Sicht

Die Schiffe von Beluga waren auf Schwergut spezialisiert, transportierten aber auch Standardcontainer (Bild: dapd)
Seit fast einem Jahr versucht das Bremer Landgericht Licht in die Machenschaften rund um den Niedergang der einst erfolgreichen Bremer Schwergutreederei "Beluga" zu bringen. Die Reederei war im Frühjahr 2011 in die Insolvenz gegangen.
In einem der größten Wirtschaftsstrafverfahren in der Schifffahrtsbranche geht es um Betrug, Bilanzfälschung und Untreue. Angeklagt ist der Ex-Beluga-Chef Niels Stolberg und drei frühere Manager der Reederei. Ein Ende sei derzeit noch gar nicht einschätzbar, sagte Landgerichtssprecher Thorsten Prange.
Im August hatte die Kammer von einem möglichen früheren Ende noch vor Ende Oktober 2016 gesprochen. Was ist passiert?
Nichts Außergewöhnliches: In einem langen Verfahren wie diesem ergeben sich nach Angaben des Gerichtssprechers oft viele Fragen erst im Laufe der Beweisaufnahme. Beispielsweise nennt ein Zeuge vor Gericht weitere Zeugen, die bei einem Gespräch, einer Vereinbarung dabei waren. "Dann muss man diese neuen Zeugen auch noch in der Hauptverhandlung hören. Das wirft die Kalkulation für so einen Prozess durcheinander."
Die drei Mitangeklagten sind derzeit beurlaubt und müssen nicht vor Gericht erscheinen. Warum?
Es geht derzeit nur um die Anklagen, die allein Niels Stolberg betreffen. Die drei Anklageschriften umfassen zum Teil mehrere hundert Seiten mit einer Vielzahl von Taten. Wenn dieser Komplex abgearbeitet ist, werden die anderen Angeklagten wieder geladen. Zumindest an den sechs terminierten Verhandlungstagen bis Ende März geht es voraussichtlich nur um Stolberg.
Wirtschaftsstrafprozesse zählen zu den langwierigen Verfahren. Welche Gründe gibt es dafür?
Prozesse in dieser Größenordnung haben sehr komplexe Sachverhalte. Allein die Zahl der Beweismittel mit umfangreichen Urkunden und Datenmengen im Terabyte-Umfang können für ein solches Verfahren von Bedeutung sein. "Es liegt auf der Hand, wie schwer es ist, die Buchhaltung und die Liquidität eines so großen Unternehmens zu überprüfen", sagt Prange. "Das ist viel schwieriger als beispielsweise die Wirtschaftslage eines Kiosks zu überprüfen." Die unvorstellbaren Datenmengen haben nicht unbedingt alle Bedeutung, aber das Gericht muss herausfinden, welche Informationen, welche Vereinbarungen, welche Emails möglicherweise doch einen Bezug zu den Vorwürfen im Verfahren haben. "Und die Bewertung kann sich im Laufe der Beweisaufnahme auch noch verändern."
Angeklagt ist Betrug im besonders schweren Fall. Wo liegt die Höchststrafe?
Das Gesetz sieht dafür eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vor. Doch bei der Strafzumessung spielen laut Prange mehrere Faktoren eine Rolle. "Das muss nicht auf zehn Jahre hinauslaufen. Das Entscheidende ist das Maß des strafrechtlichen Unrechts." Eine Rolle spielt die Frage der persönlichen Bereicherung. "Das hat ein ganz anderes Gewicht zu Lasten des Angeklagten, als wenn der Betrug nur dazu dient, das Unternehmen zu erhalten." Eine Rolle spielen zudem die Höhe des Schadens und das Maß des pflichtwidrigen Verhaltens. "Das alles muss noch geklärt werden."
Steht der Prozess also quasi noch am Anfang?
Prange: "Nein, es ist ja auch schon ganz viel passiert." (lni)