Insolvenz bei Beluga Chartering
Die Bremer Beluga Gruppe hat für ihr im Kerngeschäft der Befrachtung tätiges Tochterunternehmen Insolvenz angemeldet.
„Die Unternehmensleitung der Beluga Chartering GmbH gibt bekannt, dass ihr empfohlen wurde, Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Das ist heute Morgen beim Amtsgericht Bremen geschehen", teilte Beluga-Sprecher Klaus-Karl Becker gestern mit.
Von dem Antrag sind die Muttergesellschaft Beluga Group sowie weitere Tochterfirmen nicht betroffen. In der Beluga Chartering wurde allerdings bislang das hauptsächliche Geschäft der Reederei abgewickelt. Wie es bei Beluga nun weitergeht, ist noch unklar. Die Gespräche mit Anteilseignern, Gläubigern und Banken zur Restrukturierung und Rettung von Beluga werden fortgesetzt. Sie verlaufen ausdrücklich konstruktiv, so der Beluga-Sprecher weiter. Wie viele Schiffe die Reederei nach den gekündigten Verträgen von HCI und weiteren Partnern noch kontrolliert, teilte er „aus rechtlichen Gründen" nicht mit, da für derartige Dinge der Insolvenzverwalter zuständig sei. Dieser wird der Bremer Anwalt Edgar Grönda sein. Der Insolvenzantrag ist eine Folge der aufgedeckten „erheblichen Unregelmäßigkeiten im Hinblick auf Umsatz und Liquidität", heißt es in der Mitteilung.
HCI hat rund 20 Frachter abgezogen. „Beluga wollte Charterzahlungen erst mal aussetzen", begründete Sprecher Olaf Streuer. „Es geht darum, die Interessen der Anleger zu schützen." Die Leeraner Oltmann Gruppe schaut sich ebenfalls nach einer Alternative für ihre drei Schiffe um. Auch das von Stolberg mitgegründete Bremer Emissionshaus Bluewater will sich und seine zehn Schiffe unabhängig von Beluga machen. „Bis auf eine Ausnahme sind die alle weg", sagte Geschäftsführer Carsten Dujesiefken. Dem Vernehmen nach bereedert Beluga selbst mittlerweile nur noch 20 Schiffe.
Der frühere geschäftsführende Gesellschafter der angeschlagenen Reederei Beluga, Niels Stolberg, hat im Zusammenhang mit den finanziellen Schwierigkeiten gestern bei der Bremer Staatsanwaltschaft ausgesagt. Zu den Details wollte ein Sprecher der Anklagebehörde keine Angaben machen. Stolberg hatte sich zuvor mit der Aussage an die Öffentlichkeit gewandt, zur Aufklärung der Vorwürfe gegen ihn beitragen zu wollen.
In den vergangenen Tagen durchsuchten Ermittler Stolbergs Wohnung in Bremen und sein Haus auf der Nordseeinsel Spiekeroog. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen schweren Betrugs. Er und weitere führende Mitarbeiter sollen 2009 Umsatzerlöse im dreistelligen Millionenbereich falsch ausgewiesen und so Investoren getäuscht haben. Viele der Manager mussten inzwischen ihren Posten räumen. Stolberg wurde beurlaubt. Offiziell bat er „aus persönlichen Gründen" selbst um diesen Schritt.
Investor Oaktree, der die Beluga-Geschäfte derzeit führt und 49,5 Prozent an dem stark angeschlagenen Unternehmen hält, hatte die Manager bei der Anklagebehörde angezeigt. Der Investor verordnete der Reederei nach Bekanntwerden der „erheblichen finanziellen Unregelmäßigkeiten" einen strikten Sanierungskurs. Er soll Banken und Gläubiger aufgefordert haben, auf Teile ihrer Ansprüche zu verzichten. Darauf wollten sich mehrere Schiffsfonds offenbar nicht einlassen und kündigten – wie HCI – ihre Verträge mit Beluga.
Der Bremer FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Staffeldt sorgt sich indes um den Bestand der gesamten Beluga Gruppe: „Mit Beluga Chartering bricht der Reederei das Kerngeschäft weg. Es ist zu befürchten, dass es zu einem Dominoeffekt kommt, der auch die übrige Gruppe mitreißt." Wichtig sei jetzt, dass das Unternehmen bei einem anstehenden Insolvenzverfahren erhalten bleibt. „Die Arbeitsplätze der Mitarbeiter aus Bremen, Bremerhaven und den umliegenden Regionen müssen erhalten bleiben", forderte Staffeldt. Bei der Beluga Chartering GmbH sind mehr als 100 Mitarbeiter angestellt.
Auch andere Experten sehen diese „Domino"-Gefahr. Da die Beluga Shipping für viele Beluga-Schiffe Zahlungsgarantien, sogenannte Patronatserklärungen, bezüglich der Charterraten durch die Beluga Chartering abgegeben hat, bestehe Grund zu der Annahme, dass deren Insolvenz nur der Anfang ist und die Insolvenz der Muttergesellschaft Beluga Shipping GmbH folgen könnte, sagte gestern Jan-Henning Ahrens, Fachanwalt für Kapitalmarktrecht. „Nachdem viele Schiffe abgezogen wurden, stellt sich nunmehr die Frage, ob die Reederei überhaupt noch zu retten ist. Ohne Schiffe keine Einnahmen", so Ahrens.