Neuer Prozess klärt Tatbestand

Der Fall des auf dem Hamburger Containerschiff "Hansa India" erstochenen deutschen Seemanns beschäftigt seit gestern zum zweiten Mal die Justiz. Der 33 Jahre alte, von den Kiribati-Inseln stammewnde mutmaßliche Täter steht erneut wegen Totschlags vor dem Landgericht der Hansestadt, weil er im November 2007 einen Schiffsmechaniker bei einem Streit im Maschinenraum der «Hansa India» mit 19 Messerstichen in Brust, Rücken, Gesäß und Armen getötet haben soll.

Für die Tat, die sich vor dem Hintergrund einer Liebesaffäre des 28 Jahre alten Opfers mit einer Landsfrau des stammenden Angeklagten ereignete, war der Mann schon im Oktober vergangenen Jahres zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Auf Betreiben der Eltern des Opfers, die am ersten Prozess als Nebenkläger teilnahmen, hob der Bundesgerichtshof das Totschlags- Urteil aber auf und ordnete ein neues Verfahren an. Darin soll nun die Frage geklärt werden, ob es sich bei dem blutigen Geschehen an Bord der «Hansa India» während eines Werftaufenthalts in Südchina eventuell auch um einen heimtückischen Mord gehandelt haben könnte.

«Der tiefe Stich von hinten - das kann man nur machen, wenn man dem Opfer auflauert», sagte der Vater des toten Schiffsmechanikers nach dem neuerlichen ersten Verhandlungstag. Er hoffe auf ein Urteil wegen Mordes.

Der Verteidiger des 33-Jährigen betonte hingegen, er rechne auch in dem neuen Prozess mit einer Verurteilung wegen Totschlags. «Es ist ein schwieriger Fall. Ich bin aber der Meinung, dass das erste Urteil völlig in Ordnung geht.» Sein Mandant werde sich im weiteren Verfahrensverlauf auch selbst zu den Abläufen und Vorwürfen äußern.

In seiner Revisionsentscheidung hatte der BGH gerügt, dass die Hamburger Richter im ersten Prozess einige Angaben des Angeklagten zum Tatablauf teils nicht hinreichend kritisch gewürdigt hätten. Es gebe «Lücken und Wertungsfehler» in der Beweisaufnahme, hieß es in der höchstrichterlichen Entscheidung, die vor Gericht verlesen wurde.

Die damaligen Hamburger Richter hatten ihre Entscheidung unter anderem damit begründet, dass sich der 33-Jährige nach eigenen Angaben bei einem zunächt friedlichen Streitgespräch von dem Opfer provoziert fühlte und es dann bei einer heftigen Rangelei spontan und von vorn im Affekt erstochen habe. Die Aussage einer Zeugin, der der Angeklagte direkt nach der Tat angeblich erzählt hatte, er habe dem Opfer zuerst in den Rücken gestochen, hielten sie in dem Punkt für unglaubwürdig. Dies kritisierte der BGH und forderte einen neuen Prozess, in dem sämtliche Details des Tatablaufs neu geklärt werden.

Auslöser der Bluttat auf dem in Hamburg beheimateten Schiff war ein komplizierter, von unterschiedlichen kulturellen Gepflogenheiten begünstigter Streit zwischen dem angeklagten Matrosen, seiner als Stewardess auf der «Hansa India» arbeitenden Landsfrau und dem aus Deutschland stammenden Schiffsmechaniker. Dieser hatte eine Affäre mit der Frau aus Kiribati, mit der der Beschuldigte entsprechend der Sitten ihrer gemeinsamen Heimat ein offizielles «Bruder-Schwester- Verhältnis» einging, obwohl sie nicht verwandt waren. Nachdem sich der Deutsche in einen Streit zwischen den Landsleuten einschaltete, kam es zu Spannungen innerhalb des ursprünglich befreundeten Trios.

Als der Angeklagte begann, die Stewardess und möglicherweise auch deren deutschen Freund zu bedrohen, informierte dieser sofort seine Vorgesetzten, die den Matrosen aus Kiribati daraufhin offenbar ohne weitere Rücksprache entlassen wollten. Aus Wut über diese Behandlung suchte dieser den 28-jährigen Mechaniker an dessen Arbeitsplatz im Maschinenraum auf, wobei es dann zu der tödlichen Konfrontation kam.

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