Nordseewerke vor Verkauf
Mit Bestürzung haben Werftarbeiter und Politik in Emden auf das drohende Aus für den Schiffbau auf den Nordseewerken (NSWE) reagiert.
Der Mutterkonzern Thyssen-Krupp hatte am Dienstag den Verkauf der Traditionswerft angekündigt. Das Familienunternehmen Siag Schaaf Industrie AG aus Dernbach im Westerwald will in Emden Teile für Offshore-Windkraftanlagen bauen lassen. Der Betriebsrat sucht nun nach Wegen zur Erhaltung aller 1450 Arbeitsplätze. Emdens Oberbürgermeister Alwin Brinkmann (SPD) appellierte gestern an die Verantwortung des ThyssenKrupp-Konzerns. Die Werft müsse weiter an Arbeitsaufträgen für militärische und zivile Schiffe beteiligt sein.
Ein Siag-Sprecher sagte gestern, die zuständigen Gremien seines Unternehmens müssten der Übernahme noch zustimmen. Nach seinen Angaben liegt die Zahl der Beschäftigten in Emden bei 1100, wovon Siag 700 übernehmen wolle. Die weiteren 400 Mitarbeiter würden ihre Tätigkeit für ThyssenKrupp in den Bereichen Engineering und Instandhaltung sowie als Einsatzpersonal, beispielsweise bei der Feuerwehr, fortführen.
Am Morgen hatten sich zahlreiche Werftarbeiter spontan am Büro des Betriebsratsvorsitzenden Fritz Niemeier versammelt. „Verzweiflung, Wut, Enttäuschung und Existenzangst - so ist die Stimmung," sagte Niemeier. Die geplanten Offshore-Aktivitäten seien gut, könnten aber nur bis zu 800 Leute beschäftigen. Was mit den anderen Kollegen geschehen solle, sei unklar. Daher wolle die Werft ihren Anteil an weiteren Schiffbauaufträgen des ThyssenKrupp-Konzerns behalten.
Dazu zählten zwei Fregatten, U-Boot-Sektionen und der Anteil am geplanten neuen Einsatzgruppenversorger für die Marine. Der Betriebsrat werde zusammen mit Betriebsräten an anderen Standorten und der Gewerkschaft IG Metall gegen ein Ende des Schiffbaus in Emden kämpfen. Die ThyssenKrupp-Tochter ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) ist die Dachgesellschaft für die drei Schiffswerften Blohm + Voss GmbH, Hamburg, TKMS Blohm + Voss Nordseewerke GmbH, Emden, und Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH, Kiel.
Emdens Oberbürgermeister Alwin Brinkmann sieht nach Gesprächen mit der Siag-Spitze eine „schwere Aufgabe" im Kampf um die Rettung der Arbeitsplätze. Der Konzern bleibe dabei in der Verantwortung: „Die Nordseewerker haben mehr als 20 Jahre schwarze Zahlen im Verbund geschrieben und dabei auch auf Lohn verzichtet. Und jetzt werden die zugunsten der schon immer problematischen Werft in Hamburg benachteiligt." Der Konzern müsse jetzt Garantien übernehmen, um das hochgradige Ingenieurwissen zu erhalten und ein scheibchenweises Sterben der Werft auf Raten zu verhindern.
Das Engagement von Siag in Richtung Offshore-Aufträge ist nach Ansicht von Brinkmann „Glück im Unglück". Auf Dauer könnten dadurch mehr Arbeitsplätze als zunächst gedacht entstehen. Solange die Siag-Produktion aber noch nicht auf vollen Touren laufe, bleibe ThyssenKrupp in der Verpflichtung. Dafür müsse sich auch das Land Niedersachsen einsetzen.
Mit der Brennstoffzellentechnik gelten die Nordseewerke und die zur Thyssen-Krupp gehörende HDW-Sparte als Weltmarktführer bei nicht-atomaren U-Booten. Der Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssen-Krupp erwartet im auslaufenden Geschäftsjahr 2008/2009 (30.9.) Sonderkosten in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro. Dazu kommt ein operativer Verlust in hoher dreistelliger Millionhöhe. Über die erwartete Gesamtverlusthöhe wollte ThyssenKrupp allerdings keine Angaben machen. Nach Brancheninformationen will ThyssenKrupp will seine Tochter TK Industrieservice an die Frankfurter Wisag-Gruppe verkaufen.