Piraten "wollten nur fischen"
Im ersten europäischen Prozess gegen mutmaßliche somalische Seeräuber haben die Angeklagten in Rotterdam den Vorwurf der Piraterie zurückgewiesen.
Die fünf Männer seien nichts weiter als einfache Fischer, deren defektes Boot in Seenot geraten sei, erklärte einer ihrer Anwälte. Hilfesuchend hätten sich die Somalier im Alter zwischen 25 und 45 Jahren an den türkischen Frachter „Samanyolu" gewandt – und nicht in der Absicht, das Schiff zu überfallen.
„Wir hatten unsere Hände hoch erhoben, als wir uns dem Schiff näherten und plötzlich auf uns geschossen wurde", schilderte einer der Männer. Zugleich widerriefen die Angeklagten frühere Aussagen gegenüber dänischen Marineoffizieren, wonach sie vorgehabt hätten, den unter der Flagge der Niederländischen Antillen fahrenden Frachter zu kapern. „Wir wollten nichts weiter als fischen", sagte ein weiterer Angeklagter. Er erklärte allerdings, bittere Armut habe ihn „in diese Lage" gebracht.
Die Männer sind angeklagt, das Frachtschiff am 2. Januar 2009 mit einer Panzerfaust und anderen Waffen angegriffen zu haben. Sie hätten das Schiff wegen der Gegenwehr der Besatzung zwar nicht entern können, die Absicht sei aber „völlig eindeutig" gewesen, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die Besatzung der „Samanyolu" habe das Schnellboot der Somalier mit Leuchtmunition in Brand geschossen. Die Anklagevertreter forderten gestern sieben Jahre Haft für jeden der Männer.
Auch ein Marinehubschrauber Dänemarks hatte die Somalier später beschossen und sie aus dem Wasser gefischt, als ihr Boot sank. An Bord einer dänischen Fregatte sollen sie dann zugegeben haben, Seeräuber zu sein. Das geht aus Zeugenangaben dänischer Marineangehöriger hervor, die Richter Jan Willem Klein Woltering verlesen ließ. Die Vorwürfe gegen die Männer seien allerdings kaum zu beweisen, erklärte zuvor der Verteidiger Jan Ausma. „Das ist nicht mehr zu überprüfen, denn das Boot, in dem die Männer saßen, liegt auf dem Meeresgrund." Dass die Angeklagten nach Verbüßung einer eventuellen Strafe in ihre Heimat zurückkehren, gilt als unwahrscheinlich. Nach niederländischem Recht können die Männer auch im Falle einer Verurteilung nicht abgeschoben werden, da das Bürgerkriegsland Somalia als zu gefährlich gilt.
Wie die EU/NavFor-Mission „Atalanta" außerdem jetzt bekannt gab, haben somalische Piraten versucht, den Produktentanker „Nordneptun" der in Hamburg und auf Zypern ansässigen Reederei „Nord" Klaus E. Oldendorff zu kapern. Nachdem das Schiff vor der zu Tansania gehörenden Insel Sansibar einer ersten Seeräuber-Gruppe entkommen konnte, musste es bei einer zweiten Attacke ein Notrufsignal funken. Daraufhin erreichte ein Hubschrauber der französischen Fregatte „Nivose" das Gebiet und schlug die Piraten mit Warnschüssen in die Flucht.