Schäuble stoppt Einsatz
Die Bundesregierung hat eine Geheimoperation der Eliteeinheit GSG 9 zur Befreiung des vor Somalia gekaperten deutschen Schiffes «Hansa Stavanger» gestoppt. Angesichts der Risiken sei die Aktion zur Befreiung der 24 Besatzungsmitglieder aus der Hand von Piraten abgesagt worden, berichteten «Spiegel» und «Focus» am Wochenende. Die Gefahr für das Leben der Geiseln - unter ihnen fünf Deutsche - und für die Polizeibeamten sei zu hoch gewesen. Deshalb habe Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), dem die GSG 9 untersteht, die Mission abblasen lassen. Mit einer Befreiung des Hamburger Schiffs sollte laut «Spiegel» den Piraten gezeigt werden, dass man Alternativen zu Lösegeldzahlungen in solchen Fällen habe.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur dpa am Sonntag unter Berufung auf Polizeikreise, dass die GSG-9-Operation gestoppt worden sei. «Die Aussicht, die Geiseln zu befreien, war nicht in ausreichendem Maße gegeben.»
Nach Informationen des «Spiegels» waren bereits mehr als 200 Mann einer GSG-9-Spezialeinheit vom amerikanischen Hubschrauberträger «USS Boxer» in die Nähe der «Hansa Stavanger» transportiert worden, wurden dann aber am vergangenen Mittwoch zurückbeordert. In Berlin sei die Entscheidung zum Stopp der Aktion nach einer Sitzung des Krisenstabs gefallen, weil der Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, James Jones, die notwendige Zustimmung für den Einsatz verweigert haben soll. Das Auswärtige Amt kritisierte dem Bericht zufolge das Innenministerium dafür, dass dieses die USA um Hilfe gebeten habe. So begebe man sich in Abhängigkeit von anderen.
Das an den Bemühungen zur Befreiung der Geiseln beteiligte Verteidigungsministerium sowie das Innenministerium und auch das Auswärtige Amt wollten keine näheren Informationen mitteilen. Man mache keine Angaben zu operativen Dingen, hieß es unisono. Im Verteidigungsministerium wurde betont, der Krisenstab arbeite weiter mit Hochdruck an einer Lösung. Das Containerschiff «Hansa Stavanger» war am 4. April rund 400 Seemeilen vor der somalischen Küste von Seeräubern gekapert worden. Es fährt für die Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg.
Das Kommando der GSG 9 soll Anfang der Woche nach Deutschland zurückkehren. Das Eliteteam, das von Kampfschwimmern der Marine unterstützt worden sei, habe vergeblich auf einen günstigen Moment für einen Angriff gewartet. Das Risiko sei auch deswegen zu hoch gewesen, weil die Piraten ihre Wachen an Bord verdoppelt hätten. Bereits vor drei Wochen hatte die GSG 9 eine erste Befreiungsaktion versucht. Sie verlief aber erfolglos, weil die Seeräuber das gekaperte Schiff zu schnell in ihren Schlupfwinkel in einer Bucht bei Harardere an der somalischen Küste bringen konnten.
Laut «Spiegel» offenbart der Fall Schwachpunkte in der deutschen Sicherheitsarchitektur. Zwar trainiere die GSG 9 «permanent Einsätze auf Schiffen», aber ihr mangele es an einer Logistik für einen schnellen Einsatz außerhalb der deutschen Grenzen. So sei das militärische Gerät in einer komplizierten Aktion über den Hafen in Mombasa (Kenia) eingeschleust worden. Und die Regierung musste sich zunächst Flugzeuge und dann den amerikanischen Hubschrauberträger leihen, um die Experten in das Einsatzgebiet zu bringen, heißt es.Die Piraten fordern angeblich sechs Millionen US-Dollar Lösegeld. Die Reederei Leonhardt & Blumberg soll 600 000 Dollar geboten haben. Die über drei Wochen laufende GSG-9-Geheimaktion habe die Staatskasse mehrere Millionen gekostet und damit mehr als alle Lösegeldzahlungen der vergangenen Jahre zusammen.