Seestreitkräfte in Alarmbereitschaft
Im Konflikt um die Versenkung eines südkoreanischen Kriegsschiffes hat Nordkorea nach Angaben von Überläufern seine Streitkräfte in Kampfbereitschaft versetzt.
Damit habe das Regime in Pjöngjang auf einen Untersuchungsbericht in Südkorea reagiert, wonach die Korvette «Cheonan» Ende März bei einem Torpedoangriff durch Nordkorea versenkt wurde, berichtete die in Seoul ansässige Gruppe Solidarität Nordkoreanischer Intellektueller (NKIS) am Dienstag unter Berufung auf Informanten in Nordkorea. Südkoreas Militär nahm unterdessen die Ausstrahlung von Propagandasendungen nach Nordkorea nach sechsjähriger Unterbrechung wieder auf. Die USA und Südkorea planen gemeinsame Seemanöver zur U-Boot-Abwehr.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il hatte nach Angaben von NKIS den Befehl über die Kampfbereitschaft bereits in der vergangenen Woche erteilt. Kim wolle keinen Krieg, doch sei sein Land bereit, jeden Angriff Südkoreas zurückzuschlagen, habe es in einer im nordkoreanischen Rundfunk verlesenen Erklärung geheißen. Eine Bestätigung für die Angaben gab es von der Regierung in Seoul nicht.
Nordkorea setzte unterdessen seine Drohgebärden Richtung Südkorea fort. Während es der Marine des Nachbarlands unterstellte, mit Schiffen die strittige Grenze im Gelben Meer verletzt zu haben, warnte ein Militärsprecher zugleich, dass Nordkorea «praktische militärische Gegenmaßnahmen» zur Abwehr seiner Grenze ergreifen wolle.
Zuvor hatte das US-Verteidigungsministerium mitgeteilt, dass die USA und Südkorea als Reaktion auf den Torpedoangriff zwei gemeinsame Seemanöver planen. Pentagon-Sprecher Bryan Whitman sagte am Montag (Ortszeit), bei den Übungen solle es vor allem darum gehen, U-Boote aufzuspüren und abzuwehren. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete außerdem, dass die Seestreitkräfte Südkoreas als Demonstration militärischer Stärke bereits für diesen Donnerstag Übungen vor der Westküste planten. Das russische Außenministerium rief Nordkorea und Südkorea zur Mäßigung auf.
Nahe der umstrittenen Seegrenze im Gelben Meer war am 26. März die «Cheonan» als Folge einer Torpedoexplosion gesunken. 46 Menschen wurden dabei getötet. Nordkorea bestreitet, damit etwas zu tun zu haben. Die Spannungen hatten sich in dem Konflikt seit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts über den Untergang am vergangenen Donnerstag gefährlich hochgeschaukelt.
Südkoreas Präsident Lee Myung Bak hatte am Montag Strafmaßnahmen gegen Nordkorea verkündet, darunter einen Handelsstopp und ein Durchfahrverbot für nordkoreanische Schiffe in südkoreanischen Gewässern. Auch soll der Fall «Cheonan» vor den UN-Sicherheitsrat gebracht werden. Lee drohte bei weiteren «Provokationen» Nordkoreas mit militärischen Schritten. Nordkorea hatte für den Fall von Strafmaßnahmen mit «harten Maßnahmen, bis zum Krieg» gedroht.
Die USA stellen sich demonstrativ hinter Seoul. Präsident Barack Obama sagte, er unterstütze im Konflikt um die Versenkung des Kriegsschiffes voll und ganz die Reaktion von Präsident Lee Myung Bak. US-Außenministerin Hillary Clinton will mit China gemeinsam an einer internationalen Antwort auf den Untergang der «Cheonan» arbeiten. Zum Abschluss zweitägiger Gespräche mit der chinesischen Führung sagte Clinton am Dienstag in Peking: «Die Chinesen verstehen die Ernsthaftigkeit der Situation.» China, das im Sicherheitsrat ein Veto-Recht hat, zeigt sich aber zurückhaltend gegenüber den Ergebnissen der Untersuchung. Clinton wird an diesem Mittwoch in Seoul sein.
Das südkoreanische Militär strahlt seit Montabend ein Radioprogramm mit Nachrichten und Musik unter dem Titel «Stimme der Freiheit» nach Nordkorea aus. In den kommenden Wochen sollen auch wieder Lautsprecher an der Grenze aufgebaut werden, um die nordkoreanische Seite mit Propaganda-Durchsagen zu beschallen.
Nordkorea hatte mit einem Beschuss der Anlagen gedroht. Eine Sprecherin des Präsidialamts in Seoul kündigte unterdessen an, dass die Regierung auch die Wiedereinführung der Bezeichnung Nordkoreas als «Hauptfeind» des Landes überprüfen werde.