Suezkanal bleibt Politikum
Als der französische Diplomat Ferdinand de Lesseps am 25. April 1859 in der ägyptischen Küstenstadt Port Said zur Schaufel greift, ist man darüber in London gar nicht begeistert. Die Briten befürchten, dass Frankreich durch die Kontrolle über eine künstliche Wasserstraße, die das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet, seine politische und wirtschaftliche Macht auf Kosten Großbritanniens ausbauen könnte. Auch heute, 150 Jahre nach dem Baubeginn, bleibt der Suezkanal ein Politikum.
An dem Kanal, der die Grenze zwischen Asien und Afrika markiert, wird in diesen Tagen scharf kontrolliert. Angeblich sollen hier kürzlich Sympathisanten der libanesischen Schiiten-Partei Hisbollah gesichtet worden sein, die auffälliges Interesse am Schiffsverkehr zwischen Port Said und Suez zeigten.
Außerdem will die ägyptische Führung unter Präsident Husni Mubarak illegale Waffenlieferungen an die militante palästinensische Islamisten-Bewegung Hamas im Gazastreifen unterbinden. Denn alle Waffen und Waren, die in der Grenzstadt Rafah durch Schmugglertunnel an die Palästinenser geliefert werden, müssen vorher den Suezkanal passieren. Sie müssen entweder in Lastwagen über die Brücke oder durch den einzigen Tunnel gefahren werden. Oder man transportiert sie auf einer der kleinen Fähren, die hier verkehren.
Umstritten war der Suezkanal von Anfang an, und zwar nicht nur wegen des Neids der Briten, die dem bankrotten ägyptischen Khediven Ismail Pascha schließlich 1875 seine Anteile an der Kanalgesellschaft abkauften. Auch die brutalen Arbeitsbedingungen für die ägyptischen Bauern, die man zum Bau der Wasserstraße abkommandiert hatte, sorgten für Kritik. Erst fehlte es an sauberem Trinkwasser. Dann brach eine Cholera-Epidemie aus. Insgesamt sollen 120 000 während der Bauarbeiten ihr Leben gelassen haben.
Eine strategisch wichtige Rolle spielte der im November 1869 mit großem Pomp eröffnete Kanal in den Nahost-Kriegen von 1956, 1967 und 1973. Die Gebühren, die für die Fahrt durch den Kanal entrichtet wurden müssen, sind seit Jahrzehnten eine tragende Säule des ägyptischen Staatshaushaltes. Die globale Wirtschaftskrise und die Piratenattacken südlich des Kanals, der den Handel zwischen Asien und Europa vereinfacht, haben allerdings in den vergangenen sechs Monaten zu einem Rückgang der Einnahmen der Kanalgesellschaft geführt. Seine Gebühren hat das Staatsunternehmen deshalb aber nicht gesenkt.
Die Ägypter begehen in diesem Jahr nicht den 150. Jahrestag des Baubeginns in Port Said. Ihr Suez-Feiertag ist der 26. Juli. Denn am 26. Juli 1956 verkündete der ägyptische Präsident Gamal Abdelnasser in Alexandria unter großem Jubel die Verstaatlichung des Kanals. Das Geld, das dem ägyptischen Staat dadurch in die Kasse floss, benutzte der charismatische Staatschef später für ein anderes Wasser-Großprojekt: Den Bau des großen Nil-Staudamms bei Assuan.