Täter sind Umweltschützer
Im mysteriösen Fall des lange verschollen geglaubten Frachters «Arctic Sea» hat Russland Spekulationen über einen möglichen Waffenschmuggel an Bord des Schiffes zurückgewiesen.
Die Mutmaßungen von Militärexperten über angebliche Marschflugkörper für den Iran, die unter der Holzladung versteckt gewesen sein könnten, seien «Fantasie» und «lächerlich», sagte Russlands NATO- Botschafter Dmitri Rogosin der Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta». Der Diplomat räumte ein, dass der Einsatz der russischen Schwarzmeeerflotte zur Befreiung des Schiffes ein ungewöhnlich großer Aufwand gewesen sei. Dies habe Moskau jedoch wegen der russischen Seeleute an Bord und nicht wegen möglicher Raketen getan.
Russland hatte auch Dank der militärischen Aufklärung der NATO früh die Position des Schiffes gekannt. Schon ab dem 12. August habe Moskau den Kurs des Frachters verfolgen können, sagte Rogosin weiter. Dies sei auch mit Hilfe des neuen NATO- Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen möglich gewesen, den er am 11. August bei einem Treffen in Brüssel in die Notlage eingeweiht habe. Anschließend habe die NATO Russland regelmäßig mit Daten versorgt und damit zur erfolgreichen Geiselbefreiung beigetragen, sagte Rogosin.
Fünf Tage nach der Befreiung der «Arctic Sea» hat die russische Justiz Haftbefehle gegen die acht mutmaßlichen Piraten erlassen. Den Verdächtigen werde die Entführung russischer Seeleute sowie Piraterie zur Last gelegt, teilten die Ermittler nach Angaben der Agentur Interfax am Freitag in Moskau mit. Entgegen früheren Angaben ist unter den Verhafteten auch ein Spanier. Die Haftbefehle ergingen zudem gegen einen Litauer, einen Russen sowie drei Staatenlose, hieß es. Die Nationalitäten von zwei weiteren Gefangenen müssten noch geklärt werden.
Einer der mutmaßlichen Entführer sagte bei einem Verhör in Moskau, er und seine Mitstreiter seien «Mitglieder einer Umweltschutz- Organisation». Beim vermeintlichen Kapern der «Arctic Sea» habe die Gruppe keine Waffengewalt angewendet, behauptete der Mann im TV- Sender Rossija. Das Verhältnis zur Besatzung sei «gut» gewesen.
Der Sprecher der russischen Ermittlungsbehörden, Wladimir Markin, kündigte in dem Fall am Freitag in Moskau die enge Zusammenarbeit mit anderen Ländern an. Er machte zunächst weiter keine Angaben, wann die Seeleute ihre Angehörigen wiedersehen dürfen. Elf der 15 Besatzungsmitglieder sowie acht mutmaßliche Piraten waren am Montag von der russischen Luftwaffe aus Westafrika nach Moskau gebracht worden. Der russische Geheimdienst habe den Verdacht, dass Besatzungsmitglieder an der Entführung des Schiffes beteiligt waren, heisst es. Die Vernehmungen im früheren KGB-Gefängnis Lefortowo hätten am Donnerstag bis tief in die Nacht gedauert und seien am Freitag fortgesetzt worden.