Unterwasser-Nationalpark Jasmunder Bodden vorgeschlagen
Zum besseren Schutz von Schiffswracks und anderen archäologischen Fundstellen in der Ostsee hat der Archäologie-Taucher Reinhard Öser die Ausweisung eines Unterwasser-Nationalparks im Jasmunder Bodden vorgeschlagen. Der Status als Nationalpark würde den Behörden deutlich besser Möglichkeiten im Kampf gegen Wrackräuberei und Vandalismus eröffnen, sagt Öser.
"Nach dem Vorbild der Nationalparke an Land könnten Unterwasser-Ranger die Fundstellen überwachen." Geführte Tauchtouren könnten die Sensibilität von Touristen für das historische Erbe auf dem Meeresgrund stärken. Schutzzonen um bedeutende Wracks könnten ausgewiesen und damit Beschädigungen durch die Schleppnetzfischerei vermieden werden, argumentiert Öser.
Für das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege überprüfen rund 60 ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger regelmäßig besonders gefährdete Fundstellen. Öser ist einer von ihnen. Seine Spezialität sind Kriegsschiffe aus dem 20. Jahrhundert. In seinem jüngst im Eulenspiegel-Verlag (Berlin) erschienenen Buch "Auf dem Grund des Meeres" berichtet er von seinen Tauchgängen - und von dem Wunsch von Tauchern nach einem "Unterwasser-Nationalpark Jasmunder Bodden".
Der Jasmunder Bodden gilt, wie die gesamte Gegend um Rügen und vor Hiddensee, als besonders wrackreich. "Das waren schwer zu besegelnde Gewässer", sagt Landesarchäologe Detlef Jantzen. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit liefen immer wieder Schiffe auf Grund, weil sie zu nah an die Küste gerieten oder Untiefen nicht erkannten.
Problem: Wrackräuber
Wrackräuberei ist ein Problem in der Ostsee, sagt Öser. Auf der Suche nach vermeintlichen Schätzen oder Devotionalien brechen Taucher Teile von untergegangenen Schiffen ab. Nichts scheint sicher: Anker, Steuerräder, Morsegeräte, aber auch herumliegende Munition von gesunkenen Kriegsschiffen. Manchen Zwischenfall bekommen die Behörden mit: Laut Angaben des Bildungsministeriums wurde in den vergangenen fünf Jahren in zwei Fällen Strafanzeige erstattet und in zwei weiteren um Ahndung einer Ordnungswidrigkeit gebeten. "Die Verfahren sind - soweit bekannt - noch nicht abgeschlossen", sagte Ministeriumssprecher Henning Lipski. Jantzen zufolge liegt die Dunkelziffer der Diebstähle und Zerstörungen aber wesentlich höher.
Beim Landesverband für Unterwasserarchäologie stößt die Idee des Unterwasser-Nationalparks auf Interesse. "Es wäre eine sehr schöne Aktion, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Unterwasserfunde zu lenken", sagte der Verbandsvorsitzende Kai Schaake. "Was man sieht, möchte man gerne schützen." Bei den Unterwasserdenkmalen habe er häufig das Gefühl: "Aus den Augen, aus dem Sinn." Vom Schutzgedanken her sei ein Nationalpark unter Wasser eigentlich nicht nötig. Das Denkmalschutzgesetz des Landes sei eindeutig: Das Verändern von Bodendenkmalen, egal ob an Land oder unter Wasser, ist verboten. Allerdings fehle das Personal für die Durchsetzung dieses Rechtes.
Bei der Landesregierung wird die Idee eines Unterwasser-Nationalparks zurückhaltend aufgenommen. Das Bildungsministerium ist nach Worten eines Sprechers zwar für archäologische Fundstellen, nicht aber für Nationalparke zuständig. Das Umweltministerium, zuständig für Nationalparke, teilte mit, das Land habe nicht die Absicht, weitere Nationalparke zu errichten. Mit dem Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft verfüge Mecklenburg-Vorpommern schon jetzt über einen echten - und den einzigen - Ostsee-Meeresnationalpark.
1700 Fundstellen
Laut Angaben von Detlef Jantzen sind rund 1700 archäologische Fundstellen auf dem Grund der Ostsee dokumentiert - allein in Mecklenburg-Vorpommerns Gewässern. Bei den meisten handele es sich um Wracks untergegangener Schiffe, sagte er. Zu den anderen gehörten beispielsweise Überreste steinzeitlicher Siedlungen, die aufgrund der Absenkung der südlichen Ostsee im Meer versunken sind. Schaake geht von wesentlich mehr Fundstellen aus. Bei den jüngsten Archäologie-Projekten etwa im Zuge des Baus der Nordstream-Pipeline und der Trassenverlegungen zu Offshore-Windparks sei klar geworden, dass auf dem Grund der Ostsee etwa die dreifache Menge des bisher Bekannten liegen dürfte. mv/pk