Vier Etagen voller Schifffahrtsgeschichte

Das Haus an der Elbstraße 141 in der Altstadt von Lauenburg ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Fundgrube. Äußerlich ganz unscheinbar, ist es drinnen bei Wissenschaftlern weltweit von allergrößter Bedeutung – hier hat das Schifffahrtsarchiv des Vereins zur Förderung des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums seinen Sitz. Das international anerkannte Archiv unter der Leitung von Werner Hinsch beherbergt mittlerweile auf vier Etagen 50.000 technische Zeichnungen aus dem Schiffbau, 15.000 Fachbücher und 5000 bis ins 14. Jahrhundert zurückreichende Archivalien. Immer wieder wird bei großen Forschungsprojekten auf dieses Wissen aus der Sammlung zurückgegriffen.

Nun legte Hinsch seinen Jahresbericht vor. „Trotz der Corona-Problematik gingen die Arbeiten im Elbschifffahrtsarchiv, wenngleich entsprechend den gesetzlichen Vorgaben etwas eingeschränkt, weiter“, so Hinsch. Zeitweise habe man aber nur auf dem Postweg korrespondiert. Trotzdem sei es gelungen, wertvolles und inhaltlich hoch interessantes Material aus Nachlässen und Schenkungen in das Schifffahrtsarchiv zu übernehmen.

Bereits Mitte der 1970er-Jahre begann der Verein zur Förderung des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums mit der Forschung und Archivierung. 1982 wurden erste Räume im Haus an der Elbstraße 141 angemietet. „Heute sind wir von ganz unten bis ganz oben randvoll“, berichtet Hinsch. Das Sammlungsgebiet beschränkt sich schon längst nicht mehr nur auf die Elbe, es umfasst alle mitteleuropäischen Wasserstraßen. Was in anderen Museen ein umfangreicher Mitarbeiterstab sicherstellt, ruht in Lauenburg auf den Schultern eines ehrenamtlichen Teams von 14 Mitarbeitern um Hinsch. „Weltweit sind wir eines der größten Spezialarchive“, sagt der Leiter der Einrichtung.

Das Elbschifffahrtsarchiv war unter anderem für eine wissenschaftliche Studie zum Thema „Ship Fuel der Zukunft – Strombasierte Kraftstoffe für Brennstoffzellen in der Binnenschifffahrt“ gefragt, die durch die Arbeitsgruppe von Ludwig Bölkow, DNV-GL, Ingenieurbüro für Schiffstechnik, mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums erstellt wurde. In zwei weiteren Untersuchungen ging es um das Arbeiten und Leben an Bord von Binnenschiffen sowie um „Anton Flettner und seine Erfindungen“. Der Bibliotheksbereich des Archivs konnte durch umfangreiche Buchbestände aus dem Nachlass von Dr. Ernst Schmidt erweitert werden. Schmidt hatte vor 50 Jahren den 1900 gebauten Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ nach Lauenburg geholt.

Für 2021 bereitet Dr. Harald Meyer aus Bleckede ein umfassendes Thema vor. „Elbschiffe für den neuen Staat – Die Abtretungen deutscher Schleppdampfer und Kähne an die Tschechoslowakei“ ist ein Sonderthema anlässlich des 100. Jahrestages des „Elbe-Schiedsspruches“ von Paris vom 14. Juni 1921. Auf Veranlassung der Siegermächte des Ersten Weltkrieges war damals in Paris über die Neuaufteilung der Fracht fahrenden Elbeflotte verhandelt worden. Gemäß Artikel 339 des Versailler Vertrages hatte die Tschechoslowakei als neu gegründeter Staat Anspruch auf einen Teil der Schleppdampfer, Kähne und Frachtdampfer. Hinsch: „Hinter dem vielleicht spröde anmutenden Thema verbirgt sich ein überaus interessantes, in seiner Art einzig dastehendes Kapitel deutscher Binnenschifffahrtsgeschichte.“ tja

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