Vorerst letztes Sietas-Containerschiff
Im deutschen Schiffbau geht heute in Hamburg eine Epoche zu Ende.
Die Sietas-Werft im Stadtteil Neuenfelde liefert ihr 393. und vorläufig letztes Containerschiff aus, die „Elysee". Auftraggeber des 168,11 Meter langen und 26,80 Meter breiten Frachters ist die niederländische Reederei JR Shipping Group in Harlingen. Die Reederei übernimmt den neuen Boxen-Carrier auf dem Werftgelände des zweiten tra-ditionsreichen Hamburger Schiffbauers Blohm+Voss. Dort werden letzte Arbeiten an dem Schiff vorgenommen. Noch am gleichen Tag verlässt die „Elysee" den Hamburger Hafen. Das Schiff soll am 11. November in Rotterdam getauft werden. Einen ursprünglich unter der Baunummer 1295 bestellten weiteren Neubau dieses Open-Top-Typs haben die Niederländer inzwischen storniert.
In Hamburg wird für längere Zeit wohl kein Containerschiff mehr gebaut werden, bald vielleicht auch in ganz Deutschland nicht mehr. Die ThyssenKrupp-Werften, zu denen auch Blohm+Voss zählt, haben sich ganz aus dem Handelsschiffbau zurückgezogen. Die 1635 gegründete Sietas-Werft ist nicht irgendein Schiffbauer, sondern der Pionier und langjährige Marktführer für kleinere Containerfrachter. Auf dem Werftgelände an der Elbe nahe der Este-Mündung lief 1966 die „Bell Vanguard" vom Stapel, das erste deutsche Schiff, das speziell für den Transport von Containern konstruiert wurde. Das Kümo konnte 67 der Boxen transportieren, die sich gerade anschickten, den Welthandel zu revolutionieren. Die „Elysee" mit der höchsten Eisklasse E4 (1A Super) ist für 1421 Standardcontainer (TEU) ausgelegt. Eine typische Größe für Feederschiffe, die von den Großhäfen die Container in kleinere Ports und entlegenere Gebiete weiter verteilen.
Die Wirtschafts- und Finanzkrise und der damit verbundene Rückgang des Welthandels haben die Werften weltweit getroffen. Die Nachfrage nach Schiffsraum geht drastisch zurück; in diesem Jahr vermutlich um 20 Prozent oder mehr.
Gleichzeitig werden viele Containerschiffe fertig, die noch zu Zeiten des Containerbooms zu hohen Preisen bestellt wurden. Die Reeder versuchen, aus den Bauverträgen herauszukommen, Bestellungen zu stornieren oder zu verschieben. Aber das ist oft nicht so einfach. So vergrößern die Neubauten bereits bestehende Überkapazitäten.
Für neue Containerschiffe ist der Markt jedenfalls äußerst begrenzt. Das gilt nach derzeitiger Einschätzung von Branchenexperten auch für die nächsten Jahre. Noch stehen 20 Containerfrachter in den Auftragsbüchern deutscher Werften, aber ob alle ausgeliefert werden, ist nicht sicher. Danach ist erstmal Schluss. „Deutsche Werften haben seit einem Jahr keinen Auftrag für Containerschiffe mehr bekommen", sagt Gerhard Carlsson vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in Hamburg. Er will nicht ausschließen, dass vielleicht in einigen Jahren wieder einmal ein Auftrag kommt, aber gewiss ist das nicht. Vielleicht zieht der Markt für kleine Containerschiffe wieder irgendwann an; die Containerriesen für 10 000 oder noch mehr Boxen werden ohnehin in Korea gebaut.
Der Bau von Containerschiffen hat zeitweise mehr als die Hälfte des deutschen Schiffbaus ausgelastet. Doch schon seit einigen Jahren haben sich die Werften verstärkt um Spezialaufträge bemüht. So bauen sie jetzt Schwimmbagger oder Offshore-Versorger, Patrouillenboote, Schlepper, Fähren oder Megayachten. Auch Sietas unter seinem Chef Rüdiger Fuchs, dem ersten familienfremden Manager seit 374 Jahren, geht diesen Weg und setzt auf den Bau von Schwergutschiffen und Doppelendfähren. „Neue Schiffsentwicklungen, eine stärkere Spezialisierung und kürzere Bauzeiten werden für neue Aufträge und bessere Wirtschaftlichkeit sorgen", hofft Besitzer Hinrich Sietas.