Deutschland beim Thema LNG immer noch in der „Aha-Phase“

Top-Lage, viel Platz: Der Unterelbehafen Brunsbüttel treibt mit verschiedenen Allianzpartnern aus Wirtschaft und Politik das Projekt eines deutschen LNG-Import-Terminals voran (Foto: Brunsbüttel
Der am Donnerstag stattfindende 2. LNG Round Table der DVV Media Group steht ganz im Zeichen aktueller Entwicklungen beim Einsatz von Flüssigerdgas im Transportwesen im Allgemeinen und in der Schifffahrt im Besonderen. Damit nicht genug: Auf der hochkarätig besuchten Veranstaltung wird die zweite Ausgabe des „LNG Report“ vorgestellt und übergeben.
Tim-Oliver Frische, Leitender Redakteur in der DVV Media Group, oblag die fachliche und redaktionelle Koordination bei der Erstellung des „LNG Report 2016/2017“. Dabei kam es ihm vor allem darauf an, verschiedene „deutsche Positivbeispiele“ zu beschreiben. Denn das ist nach Einschätzung von LNG-Fachleuten unstrittig: Deutschland ist bei diesem Zukunftsthema nicht der Taktgeber, weder auf europäischer Ebene noch im globalen Rahmen. Dr. Heiko Fischer, Vorstandsvorsitzender des in Hamburg ansässigen Eisenbahnlogistikers VTG AG, bringt es wie folgt auf den Punkt: „In Deutschland sind wir in Sachen LNG immer noch in der „Aha-Phase.“
Wobei das von ihm geführte, börsennotierte Unternehmen bei der Flüssigerdgasnutzung bereits wichtige Pionierleistungen erbracht hat: 2015 stellte es auf der Weltlogistik-Leitmesse „transport logistic“ in München einen im Wortsinne bahnbrechenden Spezialwaggon für den Transport von LNG vor, der in ganz Europa einsetzbar ist. Nach THB-Informationen steht der Konzern mit diesem Waggon vor einem Großeinsatz im Rahmen einer LNG-Versorgungskette. Und auch in Deutschland könnte dieser als „rollendes Lager“ nutzbare Waggon in absehbarer Zeit zum Einsatz kommen. Denn VTG und die Brunsbüttel Ports GmbH haben einen entsprechenden Kooperationsvertrag unterzeichnet. Sollte im Unterelbehafen tatsächlich Deutschlands erster LNG-Import-Terminal entstehen, dann würde dieser Waggon, zu Ganzzug-Garnituren komponiert, LNG über die Schiene ins Hinterland zu den verschiedenen Verbraucherstandorten transportie ren.
Dass dieser Import-Terminal kommt, dafür wird im Hintergrund mit Nachdruck gearbeitet. So wurde das Projekt, das ein Investitionsvolumen von gut 400 Millionen Euro aufweist, im September im Rahmen der „Brunsbütteler Indus triegespräche“ (THB 17. September 2016) ausführlich mit Kanzleramtsminister Dr. Peter Altmaier (CDU) behandelt. Der Unterelbehafen rückt darüber hinaus noch ein Stück enger mit der niederländischen Gasunie NV zusammen, die in den Niederlanden unter anderem am 2011 in Rotterdam in Betrieb genommenen „Gate“-Terminal zur Hälfte beteiligt ist. Das Unternehmen will jetzt gemeinsam mit Brunsbüttel die Möglichkeiten zum Bau einer solchen Anlage im Unterelbehafen ausloten. Ein wichtiger Allianzpartner ist dabei die rot-grüne Landesregierung in Kiel.
Doch auch die Westküstenregion und die als potenzieller lokaler Großverbraucher im „ChemCoast Park Brunsbüttel“ beheimatete Industrie sind ein klarer Befürworter. Allein die in diesem größten geschlossenen Gewerbegebiet Schleswig-Holsteins ansässigen Unternehmen kommen bereits heute auf einen Jahresbedarf von 800 Millionen Kubikmetern Gas – Tendenz steigend.
Im Laufe des kommenden Jahres wird mit einem Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu diesem Zukunftsprojekt Einfuhr-Terminal gerechnet. Gerade in der Industrie wächst die Sorge über eine zuverlässige, langfristige Bevorratung mit preiswertem Erdgas, weil verschiedene europäische Gas-Förderstaaten ihre Mengen reduzieren. Auf der anderen Seite drängt immer mehr verflüssigtes Erdgas aus verschiedenen Kontinenten auf den Markt, das preiswert über den Seeweg mit Produktentankern angeliefert werden kann. Die Alternative bei der Gasversorgung hieße Russland, dessen Lieferverlässlichkeit aufgrund der politischen Großwetterlage jedoch mit immer gemischteren Gefühlen in der deutschen Industrie beobachtet wird. EHA