Antarktis vor großen Problemen

Immer mehr Bereiche in der Antarktis sind mittlerweile eisfrei, Foto: AWI

Auch das deutsche Forschungsschiff „Polarstern“, hier in der Antarktis, lieferte immer wieder neue Erkenntnisse, Foto: AWI
Die Antarktis könnte in Zukunft ergrünen. Neue Arten könnten sich ansiedeln, bekannte Spezies verschwinden. Unter anderem zu diesem Ergebnis sind 25 Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), im Rahmen des Projekts „AnT-ERA“ gekommen. Sie hatten Hunderte Fachartikel über die Antarktis aus dem letzten Jahrzehnt ausgewertet. Dass ausgerechnet in den vergangenen Jahren so viele neue Fakten gesammelt worden sind, führen die Autoren der Studie vor allem auf die technische Entwicklung zurück. Neue Schiffe, Stationen und autonome Unterwasserfahrzeuge hätten bessere Möglichkeiten eröffnet.
Mit der AWI-Auswertung gibt es eine ungewöhnlich umfassende Einschätzung des aktuellen Zustands des Kontinents und des ihn umgebenden Südlichen Ozeans, der einen Blick in die Zukunft ermöglicht. Es wird wärmer in der Antarktis, damit geht Eis zurück, der Meeresspiegel steigt, Lebensbedingungen an Land und im Wasser verändern sich.
Nie zuvor haben Wissenschaftler so viele Informationen über die Vorgänge in der Antarktis gesammelt. Die Erkenntnisse aus der Auswertung wurden jetzt in zehn Kernbotschaften zusammengefasst. „Allein 2010 bis 2020 sind 80 Prozent aller wissenschaftlichen Publikationen zur Biologie und Biochemie in der Antarktis erschienen. Für uns war das der Grund, dieses enorme Wissen in einem Fachartikel zu kondensieren“, sagt Meeresbiologe und Projektkoordinator Julian Gutt vom AWI.
Während sich vor allem die antarktische Halbinsel, die in den Südatlantik hineinragt, seit längerem erwärmt hat, haben die Erwärmung und damit der Verlust von Meereis in den vergangenen drei Jahren auf die Ostantarktis übergegriffen. Die Erwärmung der Gewässer durch den Klimawandel führt dazu, dass Pflanzen- und Tierarten aus wärmeren Regionen in die Antarktis einwandern. Es wird damit gerechnet, dass sich das Ergrünen eisfreier Küstengebiete verstärkt, weil Moose oder Flechten einwandern. Bei andauernder Erwärmung werden die an extrem tiefe Temperaturen angepassten Arten das Nachsehen haben und sich in Restflächen zurückziehen. „Das heißt, dass man diese Regionen wird unter Schutz stellen müssen, um diese Arten zu erhalten“, so Gutt.
Unklar ist, inwieweit der Verlust von Meereis dazu beiträgt, dass die Gewässer um die Antarktis durch verstärktes Algenwachstum mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen oder nicht. Fachleute sind der Ansicht, dass das Algenwachstum zunimmt, wenn sich das Meereis zurückzieht, weil die Algen dann stärker vom Licht beschienen werden. Da Algen beim Wachsen über die Photosynthese CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen, kann das dem Klimawandel entgegenwirken. Prognosen deuten darauf hin, dass Algen in den Gewässern um die Antarktis 25 Prozent mehr CO2 schlucken, wenn das Gebiet im Südsommer frei von Meereis wäre. „Die von uns analysierten Publikationen machen klar, dass die Situation geographisch sehr unterschiedlich ist“, berichtet Gutt. Deshalb seien weitere Untersuchungen nötig. tja