Binnenhäfen vor Eintritt ins LNG-Zeitalter

LNG als umweltfreundlicher Treibstoff weckt das maritime Interesse – auch in der Binnenschifffahrt und in den Binnenhäfen.

Eine Fachtagung in Duisburg unter Federführung des Wirtschaftsministeriums Nordrhein-Westfalens vermittelte einen aktuellen Marktüberblick. Für Jan Tellkamp von der Klassifikationsgesellschaft DNV GL steht fest: LNG-Schiffe führen längst kein Nischendasein mehr. Die Seehäfen hätten das erkannt und bauten inzwischen die erforderliche LNG-Versorgungsinfrastruktur auf, wie das Beispiel Rotterdam zeige. „Auch in der Binnenschifffahrt ist das Thema angekommen“, so Tellkamp. Beispielhaft für die Anstrengungen sei der Einsatz des Energiekonzerns Shell, der in LNG-Infrastruktur und Spezial-Tankschiffe investiere. Für Deutschland fällt Tellkamps Bilanz in Sachen LNG indes nüchtern aus: „Es bleiben noch viele Wünsche offen.“

So sieht es auch Helmut Morsi, Berater bei der EU-Kommission. Er kritisierte, dass Fördermittel zur Entwicklung von LNG-Projekten viel zu schleppend abgerufen würden. Dabei fördere die EU entsprechende Projekte mit bis zu 50 Prozent der Kosten.

„Leider gibt es im Moment nicht viele konkrete Projekte zum Neubau von LNG-Schiffen“, bestätigte Achim Wehrmann, Leiter der Unterabtei lung Schifffahrt im Bundesverkehrsministerium. An Geld mangele es nicht, es stünden ausreichend Fördermittel für Pilotprojekte zur Verfügung. Der Bund gehe inzwischen „mit gutem Beispiel voran“. Es gehe darum, geeignete bundeseigene Behördenschiffe auf den Einsatz von LNG umzurüsten. Immerhin umfasse die Flotte mehr als 3000 Fahrzeuge. Ein gutes Drittel davon sei motorisiert. Mitte dieses Jahres werde das Bundesverkehrsministerium einen Plan vorlegen, wie die technischen Nach- und Umrüstung erfolgen kann. Es komme dem Ministerium auf ein klares Marktsignal an, betonte Wehrmann. Neben der Nachrüstung geht es aber auch um Neubauten: Der Ersatz für das Wracksuch-, Vermessungs- und Forschungsschiff „Atair“ des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erhält von vorn herein einen LNG-Antrieb (THB 16. Dezember 2016).

Eine Vorreiterrolle bei der Nutzung von LNG entlang der Rhein-Achse spielt der Shell-Konzern. „Wir wollen in Köln, wo der Konzern im Süden große Raffinerien betreibt, eine Bunkerstation für LNG errichten“, kündigte Rene Smeets von Shell Downstream Services International an. Die Anlage solle dabei nicht nur der Versorgung der Binnenschifffahrt mit LNG dienen, sondern sei auch als Tankstelle für die Bevorratung von Abnehmern im Hinterland wie zum Beispiel Lkw mit LNG-Antrieb geplant. „Wir sind aber nicht nur Versorger, sondern auch Kunde“, so Smeets. Er bestätigte, dass Shell mit Plouvier Transport und Intertrans Tankschiffahrt einen Charter vertrag für 15 Dual-Fuel- Binnenschiffe abgeschlossen hat, die überwiegend mit LNG betrieben werden sollen. Die neuen Binnenschiffe sollen schrittweise bis Mitte 2018 ausgeliefert werden. Für Shell fahren bereits mit der 2013 auf der niederländischen Peters-Werft gebauten „Greenstream“ (THB 2. April 2013) und der „Green Rhine“ zwei LNG-Binnenschiffe auf dem Rhein zwischen Rotterdam und Basel.

Zur Nachversorgung der Schiffe setzt Shell bislang auf ein Netz von „Truck-to-Ship“-Bunker-Stationen. Davon liegt eine im Hafen Mannheim, dem zweitgrößten Binnenhafen Deutschlands. Künftig sollen Binnenschiffe in Rotterdam zudem von einem LNG-Bunkerschiff versorgt werden. Schon heute fahren im Dienst von Shell Shipping & Maritime rund 40 LNG-Tanker auf den Weltmeeren – zehn Prozent der weltweiten LNG-Spezialflotte. Damit zählt Shell zu den größten Betreibern von LNG- Produktentankern.

Vor wichtigen Weichenstellungen steht auch der Hafen- und Logistikknoten Duisburg. So will die Duis port-Gruppe mit RWE Supply & Trading eine Infrastruktur für LNG im Duisburger Hafen aufbauen. „Unser Ziel ist es, ein ganzheitliches und nachhaltiges Logistikkonzept für die Beschaffung, Speicherung und Verteilung sowie Nutzung von LNG zu entwickeln und im Duisburger Hafen umzusetzen“, sagte Lars Nennhaus von der Duisburger Hafen AG. Er zeigte sich außerdem offen für weitere Partnerschaften. Der Bedarf sei aktuell „zwar praktisch bei gleich null“, räumte er ein. Doch Duisport habe sich entschieden, eine Vorreiterrolle zu übernehmen, nicht zuletzt, um Kunden ein weiteres Angebot machen zu können. „Der Fokus wird daher nicht auf dem Binnenschiff liegen“, sagte Nennhaus. Denn noch werden auf dem Rhein nur wenige LNG-Schiffe gezählt. Die Umrüstung von Lkw erfolgt dagegen wesentlich dynamischer und das LNG-Angebot für Lkw damit wirtschaftlich erfolgversprechender.

Carsten Matheus vom Partner RWE führte aus, beim Aufbau einer LNG-Bunker- und Verteilstation im Duisburger Hafen schrittweise vorzugehen. Zunächst soll es um die Versorgung des Raums Duisburg und angrenzender Städte gehen. Geplant ist die Einrichtung einer mobilen Tankanlage, also der Einsatz von mobilen LNG-Containern, die bei Bedarf innerhalb des Hafens schnell und unkompliziert zu den jeweiligen Verkehrsmitteln versetzt werden können. Dafür sollen lokale Fuhrunternehmen gefunden werden. „Wir führen darüber zurzeit sehr viele positive Gespräche“, sagte Nennhaus. Als Abnehmer seien Lkw lokaler Speditionen oder Terminalfahrzeuge wie etwa Reach stacker vorgesehen. Die Versorgung von Binnenschiffen und Loks sei für einen späteren Zeitpunkt geplant.

In einem zweiten Schritt sei dann die Versorgung eines Netzwerks aus Verteilstationen und Tankstellen zur weiteren Verteilung in die Regionen einschließlich entsprechender Lager geplant, so Nennhaus. Die Versorgung des LNG-Hubs in Duisburg soll über die Seehäfen Rotterdam und Antwerpen per Binnenschiff, Tankkesselwagen oder Lkw erfolgen.

In Gesprächen ist der Duisburger Hafen auch mit der Firma Liquind 24/7 aus Berlin. Das Mitte 2015 gegründete Start-up hat große Pläne für den Aufbau einer Verteilungs- und Betankungsinfrastruktur von LNG in Deutschland. „Wir verstehen uns als Infrastrukturgesellschaft, die Lagerung und Tankstellen anbietet“, sagte Liquind-Geschäftsführer Christian Schneider. In Duisburg, Mannheim und etwas kleiner in Weil am Rhein will das Unternehmen entlang des Rheins an den Start gehen. Weitere Ziele sind Hamburg, München und Berlin. Aufgebaut werden soll eine standardisierte trimodal angelegte LNG-Lagerinfrastruktur. Die Lager in Duisburg und Mannheim sollen ein Fassungsvermögen von bis zu 1000 Kubikmetern haben. Ausgehend von den Hafenstandorten soll dann eine LNG-Verteilung von Transportknotenpunkten im Straßen- und Schienenverkehr entwickelt werden, so dass LNG auch im Schwerlastverkehr Diesel als Treibstoff ersetzen kann.

In Duisburg hat sich Liquind „Am Parallelhafen“ in Neuenkamp bereits ein Grundstück ausgewählt. „2018 könnten wir mit dem Bau loslegen“, so Schneider. Entschieden sei aber noch nichts. „Wir sind noch in Gesprächen mit RWE und dem Duisburger Hafen.“

In Mannheim ist man da offenbar schon weiter: „Wir bekommen 2018 eine kombinierte Betankungsstation für Lkw und Binnenschiffe“, berichtete Michael Dietrich, Leiter Abteilung Technik der Hafengesellschaft Mannheim. Das Grundstück sei bereits gefunden. Investor und Betreiber der Anlage sind danach Liquind und Engie (ehemals Gaz de France Suez). Der Hafen vermietet das Grundstück, ist also im Gegensatz zu Duisburg kein Projektpartner. Die Investition beläuft sich laut Dietrich auf eine siebenstellige Summe. Die Unterschriften unter die Verträge seien danach reine Formsache. GZ/EHA/fab

Vorreiter bei LNG-Versorgung

Duisport will beim Thema LNG eine Vorreiterrolle spielen. Diesen Anspruch haben bundesweit bereits mehrere Standorte für sich reklamiert. Brunsbüttel Ports hat dazu ein entsprechendes Gutachten vorgelegt, Wilhelmshaven eine LNG-Studie in Auftrag gegeben (siehe Artikel Seite 1 und 4). Hamburg setzt bei umweltfreundlicher Stromversorgung der Kreuzfahrtschiffe in Altona auf eine Landstromanlage, in der Hafencity kommt die Power Barge „Hummel“ zum Einsatz und am Terminal Steinwerder bietet Hamburg die Versorgung mit LNG während der Liegezeit an. fab

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