Die neue „Atair“ – so leise wie ein U-Boot

Markant: der steile Vordersteven der neuen „Atair“, Foto: Timo Jann

Nervenzentrum: Blick in den Maschinenraum, Foto: Timo Jann

Taufe geglückt, alle erleichtert, Foto: Jens Meyer

roßzügig: das Arbeitsdeck auf der „Atair“, Foto: Timo Jann
Bei der Fassmer-Werft im niedersächsischen Berne wurde am 30. September ein bedeutendes Stück deutscher Schifffahrtsgeschichte geschrieben: Denn an diesem Tag wurde das neue Forschungs-, Wracksuch- und Vermessungsschiff „Atair“ (IMO 9835496) des BSH (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie) durch Dr. Elke Ferlemann getauft.
Für die Gattin des parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, war es übrigens die zweite Taufe eines Schiffes. Vor Jahren wurde durch Elke Ferlemann bereits das Lotsenversetzboot „Weser“ geweiht, vertraute sie dem THB an.
Kurz vor Weihnachten 2016 hatte die mittelständische Fassmer-Gruppe den Auftrag zum Bau der neuen „Atair“ erhalten. Was bis heute entstanden ist, hat Referenzcharakter über Deutschlands Grenzen hinaus, darin waren sich die zahlreichen Fachleute unter den rund 170 geladenen Gästen einig. Diese Zahlen sprechen Bände: In den zurückliegenden zweieinhalb Jahren seit dem Vertragsabschluss kamen 10.000 gerechnete Rumpfmodelle und 300.000 Stunden Konstruktionsplanung zusammen. 6000 Zeichnungen entstanden. Die neue „Atair“, die die 1987 seinerzeit bei der Rendsburger Kröger-Werft gebaute Namensvorgängerin ablösen wird, ist zugleich das Ergebnis einer sehr guten Zusammenarbeit zwischen dem BSH, der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) und der Werft. „Das Projekt hat jedenfalls unsere besten Ingenieure beschäftigt“, betonte Werft-Chef Harald Fassmer, der in seinem Nebenjob auch Präsident des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in Hamburg.
„Mustergültig und meisterhaft“ habe die BAW sich in die Gesamtkonstruktion des Schiffes mit eingebracht, bescheinigte auch Enak Ferlemann das Zusammenspiel der verschiedenen Partner. Zugleich zollte er der Fassmer-Werft für ihre Produkte „eine hohe Qualität“.
Auch BSH-Präsidentin Dr. Karin Kammann-Klippstein, sparte in ihrer Rede nicht mit Lob: „Es ist ein imposantes und wirklich schönes Schiff.“ Bei der Entwicklung seien die Grenzen der Technik ausgereizt worden, führte sie weiter aus. Für sie stelle die neue „Atair“ damit so etwas wie einen „Botschafter der Meere“ dar.
Christoph Heinzelmann, Leiter der BAW, nannte seine Behörde „das Kompetenzzentrum für den zivilen Spezialschiffbau des Bundes“. Zum ersten Mal habe man bei der Ausschreibung einen Teilnehmerwettbewerb implementiert, das habe die technischen Innovationen gefördert, weil die Werften und ihre Zulieferer so mehr planerischen Spielraum hatten. Fassmer habe sich dabei durchgesetzt und überzeugt. Erstmals erfolgte die Freigabe der Ausführungspläne auf digitalem Weg. Das habe, so Heinzelmann, den Papierumlauf reduziert und den Projektfortschritt beschleunigt.
Tasächlich haben die Auftraggeber einiges von dem inhabergeführten Traditionsunternehmen abgefordert. Beispiel eins: der Antrieb. Erstmals bei einem deutschen Behördenschiff beruht der Hauptantrieb auf dem als umweltfreundlich eingestuften LNG. Drei Motoren sorgen für die nötige Power, wobei die Ingenieure eine Art „Power-Set“ installierten: Zwei Motoren fahren mit sauberem MGO und zwei weitere sind für einen Dual-Fuel-Betrieb von LNG/MGO ausgelegt. Diese Kombination dient damit auch dazu, bei den künftigen Reisen wertvolle Erkenntnisse zum optimalen Antrieb sammeln zu können.
Beispiel zwei: die Geräuschemissionen. Fassmer konnte berichten: „Es ist das leiseste Forschungsschiff Deutschlands.“ Diese Geräuscharmut wurde unter andere durch dieses wichtige Bauteil erreicht: ein Propeller mit gleich sieben Flügeln. So etwas kommt normalerweise beim Bau von U-Booten zum Einsatz, die im Unterwasserbetrieb besonders geräuscharm sein müssen. BSH-Präsidentin Kammann-Klippstein ist jedenfalls auch stolz auf dieses wichtige Detail: „Die optimierten Unterwassergeräusche leisten einen Beitrag zum Schutz der Umwelt und für bessere Bedingungen für wissenschaftliche Arbeiten an Bord. Damit ist die neue „Atair“ auch ein Vorreiter in der nachhaltigen Schifffahrt.“
Und auch darüber hinaus wurde in das neue BSH-Flaggschiff an Zubehör gewissermaßen „Germanys best of“ verbaut. Der DNV GL als Klasse begleitete das Projekt intensiv. Das alles hat natürlich seinen Preis: rund 114 Milionen kostet der Neubau.
Die aktuelle „Atair“ bietet ausreichend Platz für seine 18 Besatzungsmitglieder und 15 eingeschiffte Wissenschaftler. Erstmals haben alle Einzelkammern für Crew und Forscher eine eigene Nasszelle erhalten.
An Bord der neuen „Atair“ gibt es neben dem Kernbrücken-Aufbaudeck auch ein 240 Quadratmeter großes offenes Arbeitsdeck. Es bietet damit reichlich Platz für eine Vielzahl von Arbeiten, aber auch für die Aufnahme und sichere Zwischenlagerung von zusätzlichen Transport- und/oder Laborcontainern. Verschiedene Hebeeinrichtungen wie ein Bordkran, ein Heckgalgen oder ein sogenannter Schiebebalken stehen ebenfalls zur Verfügung. Eine Taucherdruckkammer gehört ebenso zur Grundausstattung wie eine Sauna und ein Fitnessraum. Was künftig von der „Atair“-Crew und den Wissenschaftlern erwartet wird, umriss Enak Ferlemann unter anderem so: „Mit diesem Schiff wird dem BSH eine zentrale schwimmende Forschungsplattform zur Verfügung stehen.“ Die künftigen Einsatzgebiete der neuen „Atair“ werden die Nord- und Ostsee ebenso mit einbeziehen wie den Nordatlantik. Und BSH-Chefin Kammann-Klippstein ergänzte: „Eine Vielzahl von Aufgaben sind zu erledigen.“ So sollen künftig auch die Meeressedimente verstärkt untersucht werden. Das andere große Thema ist die Seevermessung, die eine entscheidende Grundlage für die Erstellung zuverlässiger Seekarten darstellt. Und auch das wird künftig auf der „Atair“ geschehen, die im Anschluss an ihre umfangreiche Endausrüstung und eine ausgedehnten Werftprobezeit bis Mitte 2020 in Dienst gestellt stellt werden soll: Es wird zum Beispiel neue Navigationsausrüstung erprobt. Außerdem wird die „Atair“ mit in das neuartige Messnetz für die Erhebung von Schiffsemissionen einbezogen. „Die Umweltfreundlichkeit unserer Flotte war, ist und bleibt für unser Haus ein Kernanliegen.“
Das Schiff wird offiziell Hamburg als Heimathafen haben, in der Elbe-Stadt auch offiziell in Dienst gestellt, jedoch in Bremerhaven als operativem Heimathafen verweilen. Eine Entscheidung, die vor allem logistische Gründe hat. tja/EHA