„Drei von fünf Sternen“ für die Ostsee

Gut schneidet die Ostsee beim küstennahen Fischbestand und bei den Lebensgrundlagen der Anrainer ab, Foto: Pixabay
Die Ostsee befindet sich internationalen Experten zufolge in durchwachsenem Zustand. Im Rahmen eines erstmals auf das Binnenmeer angewandten Indexes erhält sie 76 von 100 Punkten, wie die Wissenschaftler des Stockholm Resilience Centre (SRC) jetzt mitteilten. Das entspreche in etwa einer 3+ im Schulzeugnis, sagte der deutsche Hauptautor der Untersuchung, Thorsten Blenckner, der dpa in Skandinavien. „Im Prinzip ist das, als wenn man online etwas kauft, das drei von fünf Sternen bekommen hat.“
Bei dem Projekt haben Blenckner und seine Mitstreiter den seit 2012 berechneten Ocean Health Index (OHI) kalifornischer Forscher zum ersten Mal auf die Ostsee angewandt. Mit dem Baltic Health Index (BHI) wollen sie ein umfassendes Bild vermitteln, wie es um den Zustand des Meeres bestellt ist. Gleichzeitig soll besser zu erkennen sein, welche Auswirkungen das Verstellen einer Stellschraube für andere Teilaspekte des Meeres hat.
„Oft wird diskutiert, dass wir Nährstoffe reduzieren oder weniger fischen müssen. Man stellt aber oft keine Verbindung zwischen den einzelnen Komponenten her“, erklärte Blenckner. Dabei könne es enorm wichtig sein, sich etwa anzuschauen, welche Vorteile ein Schutzgebiet für die Artenvielfalt oder eine Veränderung der Nährstoffe für die Fischerei habe. „Dieser Index gibt das Gesamtbild, wie man das gesamte System – in diesem Fall die Ostsee – managen und messen soll.“ Ein zentrales Ziel ist, aus Hunderttausenden Daten berechnen zu können, wie sich der Zustand über die Jahre verändert und wie man frühzeitig zum Positiven steuern kann.
Derzeit schneidet die Ostsee recht gut beim küstennahen Fischbestand sowie bei den Lebensgrundlagen und wirtschaftlichen Bedingungen der Anrainer ab. Schlechter sieht es bei der Verunreinigung mit Schadstoffen, den Schutzgebieten, der Eutrophierung sowie Biodiversität und Kohlenstoffsenken aus. Nachbesserungsbedarf sieht Blenckner vor allem bei neuen Giftstoffen. Während die Situation bei alten Schadstoffen wie etwa Dioxin langsam besser werde, würden neuere teils noch gar nicht gemessen. Dazu zählten unter anderem Substanzen, die bestimmte Jacken atmungsaktiver machten, aber eben auch sehr giftig seien. „Das ist ein klares Gefahrenpotenzial“, sagte Blenckner.
Ein zweites Problemfeld seien die Schutzgebiete, die zwar ausgewiesen seien, aber oft über keinen Managementplan verfügten. „Ich kann also mit meinem Boot in dieses Gebiet hineinfahren und es wird nicht richtig kontrolliert. Das gilt auch für Deutschland.“ Wie in der gesamten Region gebe es lokal teils sehr deutliche Unterschiede.
Trotz der in der Untersuchung betonten regionalen Unterschiede lasse sich ein eindeutiges Fazit für die Ostsee erkennen, sagte der Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack: Die ausgewiesenen Schutzgebiete bestünden nur auf dem Papier, die Anrainer müssten dringend mehr für den Meeresschutz tun. „Nur mit echten Schutzgebieten, in denen sich die Meeresnatur selber überlassen bleibt, bekommt die Ostsee eine Chance, ihre historische Krise zu überwinden“, so Maack.
Beim Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock wurde der Index mit Lob aufgenommen. Die Untersuchung zeige, „dass wir noch ein gutes Stück zurückzulegen haben auf dem Weg zum guten Umweltzustand der Ostsee, aber auch, dass die Ostsee alles andere als ein totes Meer ist“, sagte Institutsleiter Christopher Zimmermann. dpa/bek