LNG bietet langfristige Perspektiven

Für Dr. Hermann Klein (2. v. l.) vom Cruise-Konzern Carnival hat sich die Entscheidung für LNG-Antriebstechnik bereits bewährt, Foto: Fabarius

Norbert Brackmann (4. v. l.) geht von mindestens zwei LNG-Import-Terminals in Deutschland aus, Foto: Fabarius

Rund 40 Gäste waren der Einladung zum Parlamentarischen Abend gefolgt, Foto: Fabarius
Flüssigerdgas als Treibstoff für die Schifffahrt bietet eine langfristige Perspektive und sollte nicht bloß als Brückentechnologie angesehen werden. Das war die einhellige Meinung auf dem Parlamentarischen Abend am Mittwoch in Berlin, zu dem die Maritime LNG Plattform eingeladen hatte.
„In Sachen Umweltschutz fuhr die Schifffahrt in den vergangenen 30 bis 35 Jahren unter dem Radar“, leitete Georg Ehrmann, Geschäftsführer Maritime LNG Plattform, den Abend vor rund 40 Gästen ein. Es habe scheinbar keine Notwendigkeit gegeben, an der Technologie etwas grundlegend zu ändern. So sei das Thema Umweltschutz erst spät auf die Agenda gekommen. Jetzt überlegen viele, was denn nun das Richtige sei, um umweltgerechter zu fahren, nahm Norbert Brackmann (CDU) den Ball auf. „Wir benötigen den richtigen Kraftstoff, dazu zählt LNG. Nur dann haben wir eine langfristige Perspektive“, so der Maritime Koordinator der Bundesregierung.
Weltweit fahren derzeit 140 Schiffe mit LNG, weitere 140 Einheiten mit LNG-Antrieb sind bestellt. „LNG setzt sich durch“, ist Brackmann überzeugt. Für diese Technologie sei kein Ende absehbar. „Wir sind aber noch nicht an dem Punkt, wo wir sagen können, dass wir es geschafft haben. Industrie und Reeder müssen sich weiterentwickeln.“ Ziel sei das Null-Emissionen-Schiff. Bis dahin sei es noch ein weiter Weg. Brackmann forderte die Industrie auf, europaweit Projekte zu benennen, für die sich Investitionen und Förderung lohnen.
Stichwort LNG-Terminal in Deutschland: Da stimmt Brackmann alles, was er zu den vier Maßnahmen in der Pipeline hört, optimistisch. Brunsbüttel sei sehr weit. Wilhelmshaven mache einen guten Eindruck. Stade habe ein neues Konsortium gefunden und gehe jetzt konkrete Schritte an. Rostock werde für die regionale Versorgung wichtig sein. Mit einem ersten LNG-Terminal in Deutschland sei für 2022 bis 2023 zu rechnen. „Wir gehen für unsere Förderung von mindestens zwei LNG-Import-Terminals aus“, so Brackmann.
LNG steht auch in der Kritik, weil es zwar zur Verbesserung der Luftqualität beiträgt, aber bei der CO2-Einsparung bislang zu wenig weiterhilft. Hier ist auch die Forschung gefragt, um etwa beim Thema Power-to-X voranzukommen. Dabei geht es darum, aus erneuerbaren Energien – insbesondere offshore erzeugter Energie – verschiedene Kraftstoffe zu produzieren, etwa Wasserstoff, Gas, Methanol und Biodiesel. Ein neues Forschungsinstitut für mehr Energieeffizienz auf Schiffen soll ebenfalls dazu beitragen, geeignete Maßnahmen für mehr Umweltverträglichkeit zu erreichen.
Dr. Hermann Klein, Geschäftsführer der Carnival Maritime GmbH, hält die Diskussion über Brückentechnologien für gefährlich. Sie stärke nur die Widersacher. Dabei sei LNG „das Richtige zum richtigen Zeitpunkt“. Natürlich sei die Technologie auch mit Risiken verbunden, etwa beim Aufbau der notwendigen Infrastruktur weltweit. Doch gute Ideen müsse man pushen, und LNG gehöre dazu. „Weitere Schritte kommen. Ob das Bio-LNG sein wird oder synthetische Kraftstoffe – die Technologie an Bord unserer Schiffe ist für all das geeignet“, so Klein.
„Die Versorgung mit LNG ist in Nordwest-Europa kein Problem“, sagte Dr. Hans Gätjens, Vice President Marine Büro Veritas. Sieben LNG-Bunkerschiffe seien bereits in Fahrt, sechs seien bestellt und vier weitere in der Pipeline. „Um die Verfügbarkeit brauchen wir uns also keine Sorgen zu machen“, so Gätjens. Das bestätigte auch Mahinde Abeynaike, CEO von Nauticor in Hamburg. Für sein Unternehmen sei es derzeit aber noch schwierig, in diesem Markt Geld zu verdienen. Die Zulieferer hätten als First-mover Hunderte von Millionen Euro in den Aufbau von Bunker-Infrastruktur investiert. „Bis auf eine Ausnahme wurde spekulativ investiert – also mit keiner oder nur überschaubarer Auslastung zum Zeitpunkt der Investition“, so Abeynaike. Anders habe sich der Markt nicht ankurbeln lassen. Aber das seien alles nur kleine Schiffe, etwa Fähren, Feederfrachter und kleine Tanker. „Damit sich der Markt weiterentwickelt und wir bald wesentlich mehr Bunkerschiffe sehen, muss auch in der Tiefseeschifffahrt etwas geschehen, und zwar nicht nur im Kreuzfahrt-Segment“, führte der Manager aus, fügte aber auch gleich hinzu, dass es für solche Schiffe nicht leicht sei, sich darauf einzulassen, weil sie nur einen Teil der Zeit in Nordeuropa verbringen und anderenorts eben keine hinreichende LNG-Versorgung besteht.
Hapag-Lloyd rüstet 15.000-TEU-Frachter auf LNG um. Wolfram Guntermann, Director Environment Management bei der Hamburger Reederei, betonte, als Unternehmer brauche man Mut, um neue Dinge umzusetzen. Auch Scrubber seien für Hapag-Lloyd ein Thema, da habe das Unternehmen teilweise auch Kritik bekommen. Es sei jedoch wichtig, Erfahrungen mit neuen Technologien zu sammeln, um sich für die Zukunft zu rüsten.
Der zweite Förderaufruf zur Aus- und Umrüstung von Seeschiffen zur Nutzung von LNG als Schiffskraftstoff ist gestartet worden. Beim ersten Aufruf habe es „anfangs etwas geknirscht“, das brauche aber auch seine Zeit, sagte Gastgeber Georg Ehrmann. Beim zweiten Aufruf gebe es große Resonanz. Der Ablauf des Verfahrens habe sich verbessert, bei der Bonitätsregelung gebe es Erleichterungen. „Da herrscht jetzt eine sehr gute Stimmung und da werden vernünftige Anträge kommen“, ist Ehrmann überzeugt.
Daniel Rieger vom Umweltschutzverband Nabu lobte die Diskussionskultur in Deutschland. Auch die Investitionen seien bemerkenswert. Allerdings bestünde auch Nachholbedarf im Vergleich zu anderen Sektoren. Außerdem sei LNG noch nicht die Antwort auf die Klimakrise. Die IMO habe sich auf 50 Prozent weniger Emissionen bis 2050 verständigt. Das seien 50 Prozent zu wenig. Eine Frage bleibe, wie sich nachhaltig erzeugtes Gas durchsetzen könne, denn wer sei schon bereit, das Vierfache dafür zu bezahlen. Nauticor-Chef Abeynaike bemerkte, über einen Faktor 4 würde er sich schon freuen, denn es sehe „leider noch viel schlimmer“ aus. Die Marktreife für sauberes Gas sei nicht innerhalb einer einstelligen Zahl von Jahren zu erreichen. Nauticor wird in einem Pilotprojekt im ersten Quartal 2020 das erste Schiff mit synthetischem Methan betanken: die „Wes Amelie“ der Reederei Wessels.
Auch um Wasserstoff ging es an diesem Abend – für die Schifffahrt kein neues Thema, so Gätjens. Aber die physikalischen Eigenschaften, die Gefahren durch die leichte Entzündbarkeit, erschwerten Projekte. Außerdem würde die Infrastruktur für die Versorgung mit Wasserstoff mindestens das Fünffache dessen kosten, was für die LNG-Infrastruktur aufzuwenden sei. Aber vielleicht gelingt es einer neuen Generation, etwas Sinnvolles zu entwickeln, will Gätjens Wasserstoffprojekte grundsätzlich nicht ausschließen.
„Wichtig ist vor allem, den Energieverbrauch zu senken“, resümierte Klein. Das sei der erste Schritt. Ähnlich hatte sich eine Woche zuvor Martin Harren von der Reederei Harren & Partner auf dem Hansaforum in Hamburg geäußert (thb.info 21. November 2019), als er feststellte, dass die Geschwindigkeit der Schiffe ein wichtiges Thema sei. Der Trend, langsamer zu fahren, sei vor allem gut für Schiffseigner, denn dann würden auch wieder neue Schiffe gebraucht.
Rüdiger Kruse (CDU), Mitglied des Bundestags, teilte mit, dass die Förderung von LNG als Schiffstreibstoff im Bundeshaushalt um weitere 30 Millionen Euro aufgestockt werde. Auch Landstrom werde weiter gefördert. Die Infra struktur für Landstrom zu haben sei gut, sagte Claudia Müller (Grüne), die ebenfalls im Bundestag sitzt und sich auch für das Förderprogramm ausspricht. „Und wenn die Infra struktur da ist, will ich auch, dass die Schiffe das nutzen“, so Müller, die sich bei der Luftreinhaltung in Häfen für klare Regularien ausspricht.
Der Ausbau erneuerbarer Energien hat für die Grünen-Politikerin Priorität. „Wenn wir den nicht haben, werden wir beispielsweise auch nicht genug Wasserstoff produzieren können“, so Müller. Momentan sei bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff der Wirkungsgrad nicht hoch genug, um effizient zu sein und es dann auch für Antriebe zu nutzen. Dabei werde es einen „unglaublichen Bedarf an Wasserstoff“ geben.
Die Nationale Wasserstoff-Strategie wird bis Weihnachten stehen, stellte Brackmann in Aussicht. Deutschland allein sei dabei aber überfordert. „Deshalb müssen wir bei diesen Themen viel internationaler werden. Das müssen wir weltweit voranbringen“, so der Maritime Koordinator. Ziel sei es, dass aus Deutschland „forschungstreibende Produkte“ weltweit auf den Markt kommen. fab